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Das kranke Gesundheitssystem

Anregung und Kritik erwünscht

Als steter Streiter gegen ein in meinen Augen ungerechtes Gesundheitssystem, dessen Gewinner die Krankenkassen und dessen bedauerliche Opfer die Patienten sind, freue ich mich über jede Form von Zustimmung, Ratschlag, Anregung oder Kritik. Ich wünsche mir nur, dass bei aller nachvollziehbarer Emotion der gute Ton in schriftlichen Beiträgen die erste Geige spielt.

Dr. Christian Nunhofer

Nein, ich zahle nicht!

Von Kranken und Kassen Posted on 05 Okt., 2015 07:06:00

Wofür zahlen Ärzte Kammerbeiträge? „Na, für die Vertretung der eigenen Interessen durch die Ärztekammern Dritten gegenüber“, scheint die logische Antwort zu lauten. Aber vertreten die Kammern wirklich unsere Interessen? Meines Erachtens: NEIN! Also zahle ich auch keinen Beitrag. Punkt!

Die Kassenärztlichen Vereinigungen tun sich mit den Beiträgen leicht: die werden gleich einbehalten von den Zahlungen für die gesetzlich Versicherten, die der Arzt behandelt hat. Die Kammern hingegen sind auf die Beitragsüberweisungen von den Ärzten angewiesen.

Warum hat eigentlich bisher kein einziger ärztlicher Berufsverband dazu aufgerufen, den Kammerbeitrag zu verweigern, falls die Verhandlungen zur neuen GOÄ nicht mindestens die Inflation seit 1996 – dem Inkrafttreten der jetzt noch gültigen Gebührenordnung – ausgleicht? Vielleicht, weil die Berufsverbandsfunktionäre oft auch Mitglieder der Kammern sind? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …

Und nun, liebe Frau Kollegin, lieber Herr Kollege, überlegen Sie doch einmal, warum eigentlich SIE den Kammerbeitrag entrichten sollten …???!

Mein Brief an die Bayerische Landesärztekammer vom 17.08. zur Beitragsverweigerung, wobei die Punkte 1, 2, 6 und 7 jeden niedergelassenen Arzt betreffen und die anderen Punkte sozusagen auf das Kapitel „Nervenarzt spezial“ abzielen. Der Punkt 4 verdeutlicht allerdings an einem konkreten Beispiel, wie die Bundesärztekammer für die Interessen der Versicherungen und gegen die Interessen der Ärzte agiert.

Kammerbeitrag für die Bayerische Landesärztekammer

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Schreiben vom 07.08.2015 senden Sie mir die zweite Mahnung zum Zwangsbeitrag für die BLÄK über … €, die ich nicht begleichen werde.

Wie Sie wissen, wird auf Betreiben von Herrn Rechtsanwalt Dominik Storr derzeit durch das Bundesverfassungsgericht geprüft, ob eine Zwangsmitgliedschaft in der IHK mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer gegeben sind, so sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zwangsmitgliedschaft in einer Ärztekammer ebenfalls erlaubt. Da meines Erachtens die Zwangsmitgliedschaft in der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) grundgesetzwidrig ist, werde ich den von Ihnen verlangten Kammerbeitrag bis zur letztinstanzlichen Klärung nicht überweisen.

Darüber hinaus kommen die Ärztekammern ihren Verpflichtungen den Ärzten gegenüber nicht nach.

Begründung:

Die BLÄK trägt die Bundesärztekammer (BÄK) mit, die somit durch Zwischenschaltung der Landesärztekammern ebenfalls von den Landesärztekammerbeiträgen der Mitglieder finanziert wird. Funktionelles Versagen der BÄK müssen sich als die Finanziers des Systems demnach die Landesärztekammern zurechnen lassen. Die Finanzierung der Ärztekammern durch die Ärzte verdeutlicht, dass die genuine Aufgabe der Ärztekammern darin besteht, die Interessen der Ärzte zu vertreten.

Dieser Aufgabe entziehen sich die BÄK und die BLÄK im wieder in zentralen Punkten.

Beispiele – Reihenfolge ohne Wertung:

1. Auf verschiedenen Deutschen Ärztetagen hat sich die Mehrheit des Plenums gegen die Einführung der Elektronischen Versichertenkarte EGK ausgesprochen. Dieses wiederholte Votum ignoriert die BÄK nicht nur, sondern beteiligt sich geradezu kontraproduktiv an der Einführungsgesellschaft für die EGK „gematik“.

2. Die Entschließung VI-109 des 115. Deutschen Ärztetages in Nürnberg 2012 wird von der Bundesärztekammer verlangt, dafür zu sorgen, dass ärztliche Unterlagen nicht an Sachbearbeiter von Versicherungen, Krankenkassen oder Ämter zugesandt werden, sondern ausschließlich Ärzten. Zur Umsetzung dieser den ärztlichen Alltag eklatant betreffenden Entschließung hat die BÄK nichts unternommen.

3. Seit Jahren verweigert die DeBeKa als einziger Privatversicherer regelmäßig die Erstattung der Psychiatrischen Untersuchung GOÄ-Nr. 801 bei Folgeterminen. Die BÄK ist mit dem Vorgang befasst, hat es jedoch bis dato nicht vermocht, die DeBeKa über einen wesentlichen Sachverhalt in der Behandlung psychisch Kranker aufzuklären: Im Unterschied zur Psychotherapie erfolgen psychiatrische Wiedereinbestellungen – wie die Wiedereinbestellungen in fast allen anderen medizinischen Fächern auch – dann, wenn eine Befundkontrolle erforderlich ist. Bei schwer Kranken kann dieses Erfordernis täglich gegeben sein. Die Haftung für eine unvollständige Untersuchung liegt beim Arzt – nicht beim Versicherer. Auch hier fehlt es der BÄK erkennbar an dem Willen, die ärztlichen Interessen mit Nachdruck zu vertreten.

4. Mit Schreiben vom 15.10.2008 wendet sich die BG Metall Nord-Süd, Hannover, an die BÄK mit der Frage, wie die Transcranielle repetitive Magnetstimulation rTMS bei Depressionen abzurechnen sei. Bereits am 24.10.2008 beantwortet die Sachbearbeiterin der BÄK Frau Dr. Ursula Hofer diese Anfrage unter dem AZ 574 120 dahingehend, dass bis dato der Ansatz der GOÄ-Nr. 839 analog (entsprechend 40,80 € im Einfachsatz) als angemessen angesehen worden sei, empfiehlt nun aber ohne nachvollziehbare inhaltliche Begründung, statt dessen die GOÄ-Nr. 829 analog (entsprechend 9,33 € im Einfachsatz) zu verwenden – eine klare Aussage im Sinne der anfragenden BG und gegen die Interessen der Ärzteschaft.

Der Unterzeichnete bemüht sich sei 03.08.2009 darum, von der BÄK um die Beantwortung der identischen Frage wie die BG Metall Nord-Süd. In einem ersten Schreiben vom 19.08.2009 (AZ: 574.240) antwortet Frau Dr. Hofer lapidar, sie freue sich, mitteilen zu können, dass die rTMS in die neue GOÄ aufgenommen werden soll – die eigentliche Antwort nach der derzeit gültigen Analogbewertung bleibt sie – ganz im Gegensatz zu ihrem Auskunftsverhalten der Unfallversicherung gegenüber – auch bei späteren Anfragen (05.08.2013, 14.901.2014) schuldig.

Im Deutschen Ärzteblatt 2015; 112(13): A-594 / B-506 / C-494 empfiehlt namens der BÄK deren Mitarbeiter Hermann Wetzel nun, die rTMS analog zur GOÄ-Nummer 839 abzurechnen, ergänzt jedoch: „Im Hinblick auf die Anwendung bei depressiven Störungen wurde die rTMS für den deutschen Versorgungskontext in der Nationalen Versorgungsleitlinie „Unipolare Depression“ (2009, aktualisiert 2012, Gültigkeit verlängert bis 31.08.2015) bewertet. Gemäß dieser NVL-S3-Praxis-Leitlinie existiert für die rTMS „noch zu wenig Evidenz, um Empfehlungen für ihre allgemeine klinische Nützlichkeit und Anwendbarkeit aussprechen zu können“ (S. 33 der Kurz- bzw. S. 144 der Langfassung).“ Diese Veröffentlichung mit Bezug auf eine Leitlinie kurz vor deren Ablaufdauer verdeutlicht einmal mehr das offenkundige Bemühen der BÄK, sich den Interessen der Ärzteschaft entgegenzustellen. – Überflüssig zu erwähnen, dass die Therapie mittels rTMS in den USA längst etablierter Standard ist.

5. Die BLÄK wurde von mir vor über einem Jahr angefragt, wie die CERAD-Testbatterie (Demenztestung) nach GOÄ analog abzurechnen sei. Die BLÄK ist eine definitive Antwort bis dato schuldig geblieben.

6. Im § 12 SGB V sind die wirtschaftlichen Kriterien der ärztlichen Versorgung für GKV-Versicherte definiert: diese haben „wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig“ zu sein.

Im Genfer Gelöbnis, dem „Grundgesetz der ärztlichen Ethik“ steht hingegen:

„…

Ich werde meinen Beruf mit Gewissenhaftigkeit und Würde ausüben.

Die Gesundheit meines Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns sein.

Ich werde mich in meinen ärztlichen Pflichten meinem Patienten gegenüber nicht beeinflussen lassen durch Alter, Krankheit oder Behinderung, Konfession, ethnische Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politische Zugehörigkeit, Rasse, sexuelle Orientierung oder soziale Stellung.

…“

Es bedarf keines Philosophiestudiums, zu erkennen, dass „wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig“ (sog. WANZ-Kriterien) im Widerspruch steht zu „Die Gesundheit meines Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns sein“. Das System verlangt vom Kassenarzt, der im System überleben will, die ärztliche Gewissenhaftigkeit zu opfern, weil er sich ansonsten teils existenzbedrohenden Verordnungsregressen ausgesetzt sieht, die sich aus den WANZ-Kriterien ergeben.

„Ich werde mich in meinen ärztlichen Pflichten meinem Patienten gegenüber nicht beeinflussen lassen durch … soziale Stellung“ verträgt sich nicht mit dem derzeitigen Dualismus GKV-PKV-System.

Die aus diesen Widersprüchen heraus gebotene Debatte für die ärztliche Berufsausübung vermeiden die Ärztekammern konsequent seit Jahren, obwohl ihnen die Federführung in ethischen Belangen der Medizin obliegt. Auch hier liegt demnach ein genuines Versagen der Ärztekammern vor.

7. Die BÄK hat es nach 19 Jahren immer noch nicht vermocht, die Gebührenordnung für Ärzte zu aktualisieren und führt die derzeitigen Verhandlungen zum Schaden der Ärzteschaft.

Dazu Fakten über den Zeitraum 01.01.1996 (dem Inkrafttreten der aktuell gültigen GOÄ) bis zum 31.12.2014:

– Prämienerhöhungen der PKV: plus 54,7 Prozent (2013 und 2014 geschätzt: adaptiert nach der Inflationsrate bis 2014 und den Zahlen zur durchschnittlichen Prämienentwicklung bis 2012; die PKV-Prämienerhöhungen lagen im Durchschnitt 1996 bis 2012 jährlich um 0,31 Prozent über der Teuerungsrate).

– haben sich die Bezüge der Bundestagsabgeordneten um 49,0% erhöht, und zwar stets der Teuerungsrate vorauslaufend.

– ist die aufsummierte Inflationsrate um 33,2 % angestiegen.

– haben die liquidationsberechtigten Ärzte auf jede GOÄ-Liquidation mangels Teuerungsausgleich eine durchschnittliche Vergütungseinbuße von 16,7% hingenommen.

Wie sich die Gehälter der leitenden Angestellten der PKV, auch Manager genannt, in diesem Zeitraum entwickelt haben, ist nicht bekannt und interessiert anscheinend die verhandlungsführende BÄK nicht. Dieser Betrag ist allerdings von Bedeutung, weil die PKV-Manager aus der selben finanziellen Ressource, nämlich dem Prämienaufkommen der Versicherten, vergütet werden wie die Honorare der Ärzte.

„‚Eine neue GOÄ mit kompletter Leistungsdarstellung und gewissen Möglichkeiten zur Fortentwicklung ist schon ein Fortschritt‘. Am Ende bestätigten die Delegierten den Kurs der BÄK. So fand ein Antrag keine Mehrheit, noch mehr Transparenz vom Verhandlungsführer der Ärzteschaft, Theodor Windhorst, zu verlangen“ hieß es im Bericht über die GOÄ-Verhandlungen des Deutschen Ärzteblatts zum Ärztetag im Mai 2015 in Frankfurt am Main. (http://www.aerzteblatt.de/archiv/170749/Gebuehrenordnung-fuer-Aerzte-Die-Richtung-stimmt?src=search). Die drei Vorsitzenden der BLÄK, die als Delegierte in Frankfurt anwesend waren, hatten ebenfalls gegen mehr Transparenz bei der Verhandlungsführung mit der PKV gestimmt.

Hingegen findet sich zur Einsicht im Internetportal der BÄK zum Ärztetag in Frankfurt:

„TOP VI: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer, Titel: Inflationsausgleich in der geltenden GOÄ aktuell notwendig Vorstandsüberweisung. Der Beschlussantrag von Dr. Axel Brunngraber, Dr. Silke Lüder, Wieland Dietrich, Christa Bartels, Dr. Susanne Blessing und Dr. Hans Ramm (Drucksache VI – 71) wird zur weiteren Beratung an den Vorstand der Bundesärztekammer überwiesen: Eine Novellierung der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) mit Anpassung an den medizinischen Fortschritt und Herstellung eines Inflationsausgleichs ist seit vielen Jahren überfällig. …“ (aus http://www.bundesaerztekammer.de/aerztetag/aerztetage-ab-2006/118-deutscher-aerztetag-2015/beschlussprotokoll/)

Wie der Vorstand der BÄK – konkret deren Verhandlungsführer Dr. Windhorst – sogleich auf das Verlangen nach einem Inflationsausgleich reagiert hat, findet sich ebenfalls im Deutschen Ärzteblatt erwähnt (a.a.O): „Auch Forderungen nach einem nahezu vollständigen Inflationsausgleich für die vergangenen 32 Jahre wurden abgewiesen. Windhorst hatte erläutert, was das die PKV kosten würde: ‚Glauben Sie mir, zehn Milliarden Euro – mehr sind nicht drin.'“ Schön, dass sich der Verhandlungsführer der Ärzteschaft zumindest so gut in die Interessen der PKV hineinversetzen kann, wenn er schon nicht erfasst, dass die Forderung der Ärzteschaft zumindest nach einem Inflationsausgleich nur recht und billig ist. – Nebenbei bemerkt: die PKV verfügt über Rückstellungen von ca. 220 Milliarden Euro, gebildet u.a. aus dem Rabatt der Ärzte von 16,7% auf jede Rechnung seit 1996 (s.o.).

Die Verhandlungsführung der BÄK zur GOÄ-Reform macht schon vor dem Erscheinen der neuen GOÄ deutlich, dass die BÄK mehr an den Interessen der PKV als an den Interessen der Ärzteschaft gelegen ist.

Da es nicht einsehbar ist, dass mit den Ärztekammern Institutionen finanziert werden sollen, die den Interessen der Ärzteschaft zuwiderhandeln und allenfalls die finanziellen Interessen der dort tätigen Funktionäre befriedigen (sh. https://www.bffk.de/aktuelles/aerztekammer-hannover-massive-selbstbedienung-unter-den-augen-der-rechtsaufsicht.html), verweigere ich von nun an die Bezahlung von Kammerbeiträgen. Falls Sie Zwangsmaßnahmen ergreifen, werde ich mich juristisch zur Wehr setzen.

Mit freundlichen Grüßen


Dr. Christian Nunhofer




Politschönsprech

Das Allerletzte Posted on 21 Sep., 2015 07:26:19

„Wie können wir unsere sehr gute medizinische Versorgung angesichts des demografischen Wandels und des medizinischen Fortschritts auch zukünftig sichern?“ fragte der Herr Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe am 17. September auf seiner Facebook-Seite (https://www.facebook.com/groehe?fref=ts). „Darüber habe ich heute auf dem sehr gut besuchten gesundheitspolitischen Abend der Gesundheitsregion Saar in Saarbrücken gesprochen und mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus allen Bereichen des Gesundheitswesen intensiv diskutiert. …“

Unsereiner hat sich folgende Antwort erlaubt:

„Sehr geehrter Herr Minister,

darf ich Ihnen das für die Gesundheitsversorgung der Kassenpatienten relevante Gesetz, nämlich das SGB V, nahebringen. Sie sind zwar Jurist, aber offenkundig haben Sie es noch nicht durchgelesen:

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477)


‚§ 12 Wirtschaftlichkeitsgebot:

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. ‚

Sicher erinnern Sie sich an die Schule, in der in Noten ausgedrückt wird, was Wörter bedeuten. Also ‚ausreichend‘ (sh. Gesetz oben) ist Note „4“, ’sehr gut‘ (wie in ’sehr gute medizinische Versorgung‘) hingegen Note ‚1‘. Warum suggerieren Sie der Bevölkerung, dass eine medizinische Versorgung der Note 1 gewährleistet sei? Als ehemaliger Kassenarzt kann ich Ihnen erzählen, was passiert, wenn die Patienten sehr gut behandelt werden: Die Krankenkassen berufen sich auf obigen § 12 (1) SGB V und verlangen vom Arzt Geld zurück, z.B. für verordnete Medikamente. Das nennt sich Arzneimittelregress und betrifft in der Summe häufig Beträge jenseits der 10.000 €. Bitte modifizieren Sie Ihren obigen Text: ‚Wie können wir unsere ausreichende medizinische Versorgung angesichts des demografischen Wandels und des medizinischen Fortschritts auch zukünftig sichern? …'“



Schwierige Fälle verderben Bilanz

Von Kranken und Kassen Posted on 06 Sep., 2015 08:40:23

„Medizinische Qualität ist ja ganz leicht festzustellen.“ So denkt vielleicht manch einfach gestrickter Zeitgenosse leichtsinnig vor sich hin. Seine Formel: Oft guter Behandlungserfolg und wenig Komplikationen = gute Qualität. Seltener guter Behandlungserfolg und viele Komplikationen = schlechte Qualität. Tja, wenn’s denn nur so einfach wäre.

Eines ist klar: Je häufiger eine bestimmte Untersuchung oder Behandlung in einer Praxis oder Klinik durchgeführt wird, desto besser ist in der Regel deren Qualität. Daher ist es durchaus sinnvoll, zum Beispiel etwas kompliziertere Operationen in Kliniken durchführen zu lassen, die diese Eingriffe andauernd vornehmen, denn Übung macht bekanntlich den Meister.
Wo würden Sie sich einen Bandscheibenvorfall operativ versorgen lassen? In einem Krankenhaus, in dem dreimal im Jahr an der Wirbelsäule operiert wird, oder in einer Klinik mit 103 derartigen Eingriffen im selben Zeitraum? Soweit alles klar, oder?

Eine zu schlichte Gleichung

Allerdings: die Gleichung „viele Behandlungen einer speziellen Art = immer besserer Behandlungserfolg“ ist zu schlicht. Wenn ein Krankenhaus beispielsweise besonders akkurat Komplikationen dokumentiert, ein anderes auf diese Dokumentation aber verzichtet, so wird – rein statistisch – die akribisch arbeitende Klinik in der Auswertung ob vermeintlich häufigerer Fehler schlechter dastehen als die andere.
Schwierige Fälle können ebenfalls die Bilanz verderben. Kümmert sich eine Abteilung um besonders komplizierte Verläufe, die andernorts gar nicht mehr aufgenommen werden, dann wird die Erfolgsbilanz jener Einrichtung gerade eben wegen dieser „Spezialitäten“ zwangsläufig schlechter aussehen als im Normalfall.
Mit „Rosinenpickerei“ bei der Patientenaufnahme lässt sich demnach Qualität vortäuschen, wo de facto keine vorhanden ist. Graue Theorie? Keineswegs. Mir ist der Fall eines Herzchirurgie-Chefarztes bekannt, der gerade solche Patienten noch aufgenommen und auch operiert hatte, die andernorts – zum Beispiel in einer von einer Klinikketten-AG betriebenen Herzchirurgie – als „zu riskant“ zur Aufnahme abgelehnt wurden. Resultat: der Chefarzt half vielen Patienten, die andernorts als aussichtslos galten, hatte aber wegen seiner „Negativauslese“ an Klienten eine besonders schlechte Statistik – und wurde letztlich vom städtischen Arbeitgeber vor die Tür gesetzt.

Angestellte sollen entscheiden

Nun hat die Bundesregierung beschlossen, ein eigenes Institut zum Messen der Klinikqualität einzurichten, genannt IQTIG: 50 Verwaltungsangestellte, die letztlich darüber entscheiden, ob eine Krankenhausabteilung besonders gut oder besonders schlecht arbeitet und demnach mit Zuschlägen zur Vergütung belohnt oder mit Abschlägen bestraft wird. Eine typisch deutsche Lösung, meine ich: „Haste ein Problem, schaffste dafür ein neues Amt“.
Dass das nur Streitereien geben wird, liegt auf der Hand. Sinnvoller wäre es, die medizinischen Fachgesellschaften festlegen zu lassen, welche Mindestanzahl an bestimmten Eingriffen in einem Jahr vorgenommen werden müssen, um einer Abteilung mit der Durchführung dieser Behandlung genügend Routine zu attestieren. Wenn die Abteilung im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre diese Mindestzahl an Eingriffen nicht durchgeführt hat, wird diese Untersuchung oder Behandlung nicht mehr bezahlt. Und Punkt!



Scheinbar immer kränker

Von Kranken und Kassen Posted on 15 Aug., 2015 07:24:27

Werden wir immer kränker? Gesetzlich Versicherte wissen normalerweise nicht, welche Leistungen ihr Arzt tatsächlich abrechnet. Sollten sie aber. Das Magazin ‚Plusminus‘ versuchte zu demonstrierten, wie Ärzte aus Gesunden psychisch Kranke machen. Indem sie Leistungen einfach falsch abrechnen. So rudimentär informierte die ARD-Sendung am 15.07. ihre Zuschauer. Die Konsequenz: Wenn jemand eine Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung etc. abschließen will, dann klappt das bisweilen nicht, weil der anfragenden Versicherungsgesellschaft von der Krankenkasse Diagnosen genannt werden, von denen der Versicherungsnehmer in spe nichts weiß. Schuld sind natürlich die bösen Ärzte, die Falschdiagnosen zur Falschabrechnung benutzen. Dermaßen einfach und reißerisch war die Botschaft von „Plusminus“. Wie sich denn Falschabrechnung in einem System mit recht knapp bemessenem Honorarbudget überhaupt lohnen kann – also einer in der Quartalssumme gedeckelten Vergütung – mit dieser Überlegung wollte man sich in der Sendung lieber nicht auseinandersetzen.

Dutzende Befunde normal

Fakt allerdings ist: Die Diagnosen der Patienten werden immer mehr, und zwar nicht nur in den Praxen, sondern auch in den Krankenhäusern. Arztbriefe, in denen die erste Seite des Texts die Auflistung von einem bis zwei Dutzend Diagnosen einnimmt, sind inzwischen gang und gäbe. Aber warum um alles in der Welt? Aus purer Schreiblust selbst den Nagelpilz am kleinen Zeh erwähnen? Sie ahnen es: Es geht um die Vergütung. Denn für bestimmte Diagnosen zahlen die Krankenkassen dem Arzt einen Bonus, (sh. Beitrag: „Wieviel ist Kassen der Patient wert?“ (blog.krankes-gesundheitssystem.com/#post5). Gemeint sind solche attestierten Leiden, für die besonders hohe Zuschüsse aus dem Gesundheitsfonds in Berlin anfallen. Sie erinnern sich? Der Gesundheitsfonds ist jener riesige Verwaltungsapparat, der den Kassen zuerst einmal alle Beitragseinnahmen abnimmt und sie gestaffelt nach der Schwere der Erkrankung der jeweiligen Versicherten an die Kassen zurückverteilt. Für eine Diagnose, die einer Kasse viel Geld aus dem Gesundheitsfonds bringt, erhält der Arzt wiederum von der Versicherung des Patienten einen Bonus, versteckt zum Beispiel in Leistungspositionen mit speziellem Betreuungsaufwand bei bestimmten, für die Kassen lukrativen Krankheiten.

Abhilfe? Eine „Patientenquittung“ empfiehlt Plusminus, also eine Art Rechnung mit Diagnosen-Nennungen an den Patienten, die der Patient freilich nicht bezahlen muss, denn das Bezahlen erledigt ja die gesetzliche Krankenkasse via Kassenärztliche Vereinigung. Eine typisch deutsche Lösung, finde ich: Haste ein Problem, vermehre den Verwaltungsaufwand zur Problemlösung! Meine Empfehlung hingegen: Eine Einheitskrankenkasse statt derer einhundertdreißig. Damit bräuchte es keinen Gesundheitsfonds zum Geldumverteilen mehr, ergo auch nicht mehr die Erzeugung besonders lukrativer Befunde für die Krankenkassen. Aber dann fällt doch die für den Versicherten ach so segensreiche Konkurrenzsituation zwischen den gesetzlichen Krankenkassen weg, höre ich es schon tönen. Diesen Wettbewerb gibt es realiter sowieso nicht. Die hundertdreißig Kassen gönnen sich nämlich ihren Spitzenverband, der durch zentrale Vorgaben aus der Berliner Zentrale verhindert, dass sich die Kassen in einem wirklichen Konkurrenzkampf gegenseitig weh tun. Und bei einer Einheitskasse wären nicht nur lukrative Diagnosen und der Gesundheitsfonds überflüssig – sondern der Wettbewerbsverhinderungs-GKV-Spitzenverband gleich dazu.

Es könnte einfach sein

Und warum soll ein Patient nicht wissen dürfen, was der Arzt bei ihm diagnostiziert und abrechnet? Doch, doch, soll er. Dann allerdings wie in jedem anderen Beruf – und so, wie es auch bei privat Versicherten funktioniert: Der Kunde erhält eine Rechnung mit genauer Auflistung von Diagnosen und abgerechneten Leistungen, überweist sie dem Dienstleister und reicht sie bei seiner Kasse ein. So einfach könnte es sein!



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