Wofür zahlen Ärzte Kammerbeiträge? „Na, für die Vertretung der eigenen Interessen durch die Ärztekammern Dritten gegenüber“, scheint die logische Antwort zu lauten. Aber vertreten die Kammern wirklich unsere Interessen? Meines Erachtens: NEIN! Also zahle ich auch keinen Beitrag. Punkt!

Die Kassenärztlichen Vereinigungen tun sich mit den Beiträgen leicht: die werden gleich einbehalten von den Zahlungen für die gesetzlich Versicherten, die der Arzt behandelt hat. Die Kammern hingegen sind auf die Beitragsüberweisungen von den Ärzten angewiesen.

Warum hat eigentlich bisher kein einziger ärztlicher Berufsverband dazu aufgerufen, den Kammerbeitrag zu verweigern, falls die Verhandlungen zur neuen GOÄ nicht mindestens die Inflation seit 1996 – dem Inkrafttreten der jetzt noch gültigen Gebührenordnung – ausgleicht? Vielleicht, weil die Berufsverbandsfunktionäre oft auch Mitglieder der Kammern sind? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …

Und nun, liebe Frau Kollegin, lieber Herr Kollege, überlegen Sie doch einmal, warum eigentlich SIE den Kammerbeitrag entrichten sollten …???!

Mein Brief an die Bayerische Landesärztekammer vom 17.08. zur Beitragsverweigerung, wobei die Punkte 1, 2, 6 und 7 jeden niedergelassenen Arzt betreffen und die anderen Punkte sozusagen auf das Kapitel „Nervenarzt spezial“ abzielen. Der Punkt 4 verdeutlicht allerdings an einem konkreten Beispiel, wie die Bundesärztekammer für die Interessen der Versicherungen und gegen die Interessen der Ärzte agiert.

Kammerbeitrag für die Bayerische Landesärztekammer

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Schreiben vom 07.08.2015 senden Sie mir die zweite Mahnung zum Zwangsbeitrag für die BLÄK über … €, die ich nicht begleichen werde.

Wie Sie wissen, wird auf Betreiben von Herrn Rechtsanwalt Dominik Storr derzeit durch das Bundesverfassungsgericht geprüft, ob eine Zwangsmitgliedschaft in der IHK mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer gegeben sind, so sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zwangsmitgliedschaft in einer Ärztekammer ebenfalls erlaubt. Da meines Erachtens die Zwangsmitgliedschaft in der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) grundgesetzwidrig ist, werde ich den von Ihnen verlangten Kammerbeitrag bis zur letztinstanzlichen Klärung nicht überweisen.

Darüber hinaus kommen die Ärztekammern ihren Verpflichtungen den Ärzten gegenüber nicht nach.

Begründung:

Die BLÄK trägt die Bundesärztekammer (BÄK) mit, die somit durch Zwischenschaltung der Landesärztekammern ebenfalls von den Landesärztekammerbeiträgen der Mitglieder finanziert wird. Funktionelles Versagen der BÄK müssen sich als die Finanziers des Systems demnach die Landesärztekammern zurechnen lassen. Die Finanzierung der Ärztekammern durch die Ärzte verdeutlicht, dass die genuine Aufgabe der Ärztekammern darin besteht, die Interessen der Ärzte zu vertreten.

Dieser Aufgabe entziehen sich die BÄK und die BLÄK im wieder in zentralen Punkten.

Beispiele – Reihenfolge ohne Wertung:

1. Auf verschiedenen Deutschen Ärztetagen hat sich die Mehrheit des Plenums gegen die Einführung der Elektronischen Versichertenkarte EGK ausgesprochen. Dieses wiederholte Votum ignoriert die BÄK nicht nur, sondern beteiligt sich geradezu kontraproduktiv an der Einführungsgesellschaft für die EGK „gematik“.

2. Die Entschließung VI-109 des 115. Deutschen Ärztetages in Nürnberg 2012 wird von der Bundesärztekammer verlangt, dafür zu sorgen, dass ärztliche Unterlagen nicht an Sachbearbeiter von Versicherungen, Krankenkassen oder Ämter zugesandt werden, sondern ausschließlich Ärzten. Zur Umsetzung dieser den ärztlichen Alltag eklatant betreffenden Entschließung hat die BÄK nichts unternommen.

3. Seit Jahren verweigert die DeBeKa als einziger Privatversicherer regelmäßig die Erstattung der Psychiatrischen Untersuchung GOÄ-Nr. 801 bei Folgeterminen. Die BÄK ist mit dem Vorgang befasst, hat es jedoch bis dato nicht vermocht, die DeBeKa über einen wesentlichen Sachverhalt in der Behandlung psychisch Kranker aufzuklären: Im Unterschied zur Psychotherapie erfolgen psychiatrische Wiedereinbestellungen – wie die Wiedereinbestellungen in fast allen anderen medizinischen Fächern auch – dann, wenn eine Befundkontrolle erforderlich ist. Bei schwer Kranken kann dieses Erfordernis täglich gegeben sein. Die Haftung für eine unvollständige Untersuchung liegt beim Arzt – nicht beim Versicherer. Auch hier fehlt es der BÄK erkennbar an dem Willen, die ärztlichen Interessen mit Nachdruck zu vertreten.

4. Mit Schreiben vom 15.10.2008 wendet sich die BG Metall Nord-Süd, Hannover, an die BÄK mit der Frage, wie die Transcranielle repetitive Magnetstimulation rTMS bei Depressionen abzurechnen sei. Bereits am 24.10.2008 beantwortet die Sachbearbeiterin der BÄK Frau Dr. Ursula Hofer diese Anfrage unter dem AZ 574 120 dahingehend, dass bis dato der Ansatz der GOÄ-Nr. 839 analog (entsprechend 40,80 € im Einfachsatz) als angemessen angesehen worden sei, empfiehlt nun aber ohne nachvollziehbare inhaltliche Begründung, statt dessen die GOÄ-Nr. 829 analog (entsprechend 9,33 € im Einfachsatz) zu verwenden – eine klare Aussage im Sinne der anfragenden BG und gegen die Interessen der Ärzteschaft.

Der Unterzeichnete bemüht sich sei 03.08.2009 darum, von der BÄK um die Beantwortung der identischen Frage wie die BG Metall Nord-Süd. In einem ersten Schreiben vom 19.08.2009 (AZ: 574.240) antwortet Frau Dr. Hofer lapidar, sie freue sich, mitteilen zu können, dass die rTMS in die neue GOÄ aufgenommen werden soll – die eigentliche Antwort nach der derzeit gültigen Analogbewertung bleibt sie – ganz im Gegensatz zu ihrem Auskunftsverhalten der Unfallversicherung gegenüber – auch bei späteren Anfragen (05.08.2013, 14.901.2014) schuldig.

Im Deutschen Ärzteblatt 2015; 112(13): A-594 / B-506 / C-494 empfiehlt namens der BÄK deren Mitarbeiter Hermann Wetzel nun, die rTMS analog zur GOÄ-Nummer 839 abzurechnen, ergänzt jedoch: „Im Hinblick auf die Anwendung bei depressiven Störungen wurde die rTMS für den deutschen Versorgungskontext in der Nationalen Versorgungsleitlinie „Unipolare Depression“ (2009, aktualisiert 2012, Gültigkeit verlängert bis 31.08.2015) bewertet. Gemäß dieser NVL-S3-Praxis-Leitlinie existiert für die rTMS „noch zu wenig Evidenz, um Empfehlungen für ihre allgemeine klinische Nützlichkeit und Anwendbarkeit aussprechen zu können“ (S. 33 der Kurz- bzw. S. 144 der Langfassung).“ Diese Veröffentlichung mit Bezug auf eine Leitlinie kurz vor deren Ablaufdauer verdeutlicht einmal mehr das offenkundige Bemühen der BÄK, sich den Interessen der Ärzteschaft entgegenzustellen. – Überflüssig zu erwähnen, dass die Therapie mittels rTMS in den USA längst etablierter Standard ist.

5. Die BLÄK wurde von mir vor über einem Jahr angefragt, wie die CERAD-Testbatterie (Demenztestung) nach GOÄ analog abzurechnen sei. Die BLÄK ist eine definitive Antwort bis dato schuldig geblieben.

6. Im § 12 SGB V sind die wirtschaftlichen Kriterien der ärztlichen Versorgung für GKV-Versicherte definiert: diese haben „wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig“ zu sein.

Im Genfer Gelöbnis, dem „Grundgesetz der ärztlichen Ethik“ steht hingegen:

„…

Ich werde meinen Beruf mit Gewissenhaftigkeit und Würde ausüben.

Die Gesundheit meines Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns sein.

Ich werde mich in meinen ärztlichen Pflichten meinem Patienten gegenüber nicht beeinflussen lassen durch Alter, Krankheit oder Behinderung, Konfession, ethnische Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politische Zugehörigkeit, Rasse, sexuelle Orientierung oder soziale Stellung.

…“

Es bedarf keines Philosophiestudiums, zu erkennen, dass „wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig“ (sog. WANZ-Kriterien) im Widerspruch steht zu „Die Gesundheit meines Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns sein“. Das System verlangt vom Kassenarzt, der im System überleben will, die ärztliche Gewissenhaftigkeit zu opfern, weil er sich ansonsten teils existenzbedrohenden Verordnungsregressen ausgesetzt sieht, die sich aus den WANZ-Kriterien ergeben.

„Ich werde mich in meinen ärztlichen Pflichten meinem Patienten gegenüber nicht beeinflussen lassen durch … soziale Stellung“ verträgt sich nicht mit dem derzeitigen Dualismus GKV-PKV-System.

Die aus diesen Widersprüchen heraus gebotene Debatte für die ärztliche Berufsausübung vermeiden die Ärztekammern konsequent seit Jahren, obwohl ihnen die Federführung in ethischen Belangen der Medizin obliegt. Auch hier liegt demnach ein genuines Versagen der Ärztekammern vor.

7. Die BÄK hat es nach 19 Jahren immer noch nicht vermocht, die Gebührenordnung für Ärzte zu aktualisieren und führt die derzeitigen Verhandlungen zum Schaden der Ärzteschaft.

Dazu Fakten über den Zeitraum 01.01.1996 (dem Inkrafttreten der aktuell gültigen GOÄ) bis zum 31.12.2014:

– Prämienerhöhungen der PKV: plus 54,7 Prozent (2013 und 2014 geschätzt: adaptiert nach der Inflationsrate bis 2014 und den Zahlen zur durchschnittlichen Prämienentwicklung bis 2012; die PKV-Prämienerhöhungen lagen im Durchschnitt 1996 bis 2012 jährlich um 0,31 Prozent über der Teuerungsrate).

– haben sich die Bezüge der Bundestagsabgeordneten um 49,0% erhöht, und zwar stets der Teuerungsrate vorauslaufend.

– ist die aufsummierte Inflationsrate um 33,2 % angestiegen.

– haben die liquidationsberechtigten Ärzte auf jede GOÄ-Liquidation mangels Teuerungsausgleich eine durchschnittliche Vergütungseinbuße von 16,7% hingenommen.

Wie sich die Gehälter der leitenden Angestellten der PKV, auch Manager genannt, in diesem Zeitraum entwickelt haben, ist nicht bekannt und interessiert anscheinend die verhandlungsführende BÄK nicht. Dieser Betrag ist allerdings von Bedeutung, weil die PKV-Manager aus der selben finanziellen Ressource, nämlich dem Prämienaufkommen der Versicherten, vergütet werden wie die Honorare der Ärzte.

„‚Eine neue GOÄ mit kompletter Leistungsdarstellung und gewissen Möglichkeiten zur Fortentwicklung ist schon ein Fortschritt‘. Am Ende bestätigten die Delegierten den Kurs der BÄK. So fand ein Antrag keine Mehrheit, noch mehr Transparenz vom Verhandlungsführer der Ärzteschaft, Theodor Windhorst, zu verlangen“ hieß es im Bericht über die GOÄ-Verhandlungen des Deutschen Ärzteblatts zum Ärztetag im Mai 2015 in Frankfurt am Main. (http://www.aerzteblatt.de/archiv/170749/Gebuehrenordnung-fuer-Aerzte-Die-Richtung-stimmt?src=search). Die drei Vorsitzenden der BLÄK, die als Delegierte in Frankfurt anwesend waren, hatten ebenfalls gegen mehr Transparenz bei der Verhandlungsführung mit der PKV gestimmt.

Hingegen findet sich zur Einsicht im Internetportal der BÄK zum Ärztetag in Frankfurt:

„TOP VI: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer, Titel: Inflationsausgleich in der geltenden GOÄ aktuell notwendig Vorstandsüberweisung. Der Beschlussantrag von Dr. Axel Brunngraber, Dr. Silke Lüder, Wieland Dietrich, Christa Bartels, Dr. Susanne Blessing und Dr. Hans Ramm (Drucksache VI – 71) wird zur weiteren Beratung an den Vorstand der Bundesärztekammer überwiesen: Eine Novellierung der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) mit Anpassung an den medizinischen Fortschritt und Herstellung eines Inflationsausgleichs ist seit vielen Jahren überfällig. …“ (aus http://www.bundesaerztekammer.de/aerztetag/aerztetage-ab-2006/118-deutscher-aerztetag-2015/beschlussprotokoll/)

Wie der Vorstand der BÄK – konkret deren Verhandlungsführer Dr. Windhorst – sogleich auf das Verlangen nach einem Inflationsausgleich reagiert hat, findet sich ebenfalls im Deutschen Ärzteblatt erwähnt (a.a.O): „Auch Forderungen nach einem nahezu vollständigen Inflationsausgleich für die vergangenen 32 Jahre wurden abgewiesen. Windhorst hatte erläutert, was das die PKV kosten würde: ‚Glauben Sie mir, zehn Milliarden Euro – mehr sind nicht drin.'“ Schön, dass sich der Verhandlungsführer der Ärzteschaft zumindest so gut in die Interessen der PKV hineinversetzen kann, wenn er schon nicht erfasst, dass die Forderung der Ärzteschaft zumindest nach einem Inflationsausgleich nur recht und billig ist. – Nebenbei bemerkt: die PKV verfügt über Rückstellungen von ca. 220 Milliarden Euro, gebildet u.a. aus dem Rabatt der Ärzte von 16,7% auf jede Rechnung seit 1996 (s.o.).

Die Verhandlungsführung der BÄK zur GOÄ-Reform macht schon vor dem Erscheinen der neuen GOÄ deutlich, dass die BÄK mehr an den Interessen der PKV als an den Interessen der Ärzteschaft gelegen ist.

Da es nicht einsehbar ist, dass mit den Ärztekammern Institutionen finanziert werden sollen, die den Interessen der Ärzteschaft zuwiderhandeln und allenfalls die finanziellen Interessen der dort tätigen Funktionäre befriedigen (sh. https://www.bffk.de/aktuelles/aerztekammer-hannover-massive-selbstbedienung-unter-den-augen-der-rechtsaufsicht.html), verweigere ich von nun an die Bezahlung von Kammerbeiträgen. Falls Sie Zwangsmaßnahmen ergreifen, werde ich mich juristisch zur Wehr setzen.

Mit freundlichen Grüßen


Dr. Christian Nunhofer