Hier die gedruckte Sendung mit der Maus für Erwachsene: Heute zum Thema „Warum Sie sich als Kassenpatient
über das Morbiditätsrisiko freuen sollten. Oder auch nicht“.

Was ist das überhaupt? Dieses „Morbiditätsrisiko“?
Zu aller-erst: ein sperriges Wort. „Morbus“ ist Latein und
heißt „Krankheit“. Was ein Risiko ist, muss ich nicht
näher erläutern. Der Ausdruck „Morbiditätsrisiko“
betrifft nicht die gesundheitlichen Risiken einer Krankheit oder die
Nebenwirkungen der Behandlung, sondern allein das finanzielle Risiko,
das eine Krankheit unmittelbar mit sich bringt. Also auf gut Deutsch:
die Kosten für die Behandlung einer Krankheit. Und dass krank sein
Geld kostet, ist klar wie Kloßbrühe. In erster Linie werden das
Arzthonorar und Ausgaben für Medikamente fällig. Mittelbare
Krankheitskosten wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall etc. sind eine
andere Baustelle.

Wer krank ist, zahlt

Wer trägt die primären unter dem
Begriff „Morbiditätsrisiko“ gesammelten Kosten?
Hauptsächlich und ursprünglich einmal der Patient, der den Arzt
entlohnen und Geld für seine Medizin ausgeben muss. Der Ablauf ist –
zumindest bei Versicherten der Gesetzlichen Krankenkassen – sehr
simpel: Der Leidende legt seine Versichertenkarte vor und ist damit
von irgendwelchen Zuzahlungen weitgehend befreit. Das Arzthonorar
fließt von der Kasse über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) zum
Onkel Doktor und von der Kasse über eine Verrechnungsstelle zum Herrn Apotheker.
Lediglich eine Rezeptgebühr bleibt am Patienten hängen; aber das
auch nur bis zu einer bestimmten Jahreshöchstgrenze.

Das volle finanzielle Risiko für die
Behandlungen in den Praxen liegt demnach bei den Kassen, oder? Ganz
und gar nicht: „mit befreiender Wirkung“ zahlen die
gesetzlichen Krankenversicherungen an die KVen einen bestimmten
Betrag für die ärztliche Versorgung. Als Gegenleistung haben
die Mediziner die Patienten zu behandeln. Zusatzkosten für Arzthonorare
wegen Grippewelle? Pech für die Ärzte, denn die Kassen haben sich
ja „mit befreiender Wirkung“ von vornherein freigekauft.

Gibt´s das auch bei Handwerkern?

Hm, denkt sich vielleicht jetzt der skeptische Leser. Das gibt es ja auch bei Handwerkern. Dort heißt
es „Festpreis“ und wenn’s auf der Baustelle
unvorhergesehene Schwierigkeiten gibt, dann wird das zu einem Nachteil für
den Dienstleister. Der hat sämtliche Probleme nach Abschluss eines
Festpreisvertrages finanziell auf die eigene Kappe zu nehmen. In der
Realität vereinbart deshalb fast niemand Festpreisverträge! Weil
clevere Handwerker sonst gleich so hoch pokern würden,
dass für sie – trotz aller Eventualitäten – immer noch ein lukrativer
Gewinn übrig bleibt. Logisch, oder?

Ergo wird, kann oder darf es bei Ärzten wegen dem „Kassenfestpreis“ nicht anders sein! Wäre doch ungerecht! Wenn die KV den
Kassen das Morbiditätsrisiko mit befreiender Wirkung abkauft, dann
muss das einen üppigen Preisaufschlag zu den zu erwartenden
Behandlungskosten beinhalten.

Fluch fällt auf Kranke zurück

Weit gefehlt! Schon ohne Grippewelle
sind die Vorab-Vergütungen für Erkrankungen durch die Kassen so
mickrig, dass der deutsche Durchschnitts-Kassenarztmichel pro Quartal
trotz aller ärztlichen Sparmaßnahmen incl. Budgetferien am
Quartalsende ungefähr 15 Prozent seiner Leistungen wegen
Budgetüberschreitung nicht bezahlt bekommt. Dass sich das nicht
gerade förderlich auf die ärztliche Motivation den Kassenpatienten
gegenüber auswirkt, damit der Qualität der Versorgung für
Kassenärzte schadet und zu einem Terminvergabestau führt, ist der
Fluch, der auf den Patienten zurückfällt.

Abhilfe? Das finanzielle Risiko für
die Erkrankungen muss wieder dahin, wo es hingehört: zu den
Patienten, respektive deren Kassen. Genau so, wie das finanzielle
Risiko für eine Baustelle der Bauherr zu tragen hat und nicht der
Handwerker. Anders wird es mit einer verbesserten Patientenversorgung
nichts. Der Weg dahin: Ein direktes Vertragsverhältnis Patient-Arzt,
so wie bei jeder anderen Dienstleistung auch ein unmittelbares
Vertragsverhältnis besteht zwischen dem, der anbietet und dem, der
das Angebot annimmt. Warum das ausgerechnet bei der ambulanten
medizinischen Versorgung mit Kassenpatienten nicht klappen sollte, wo
es doch fast weltweit und auch in Deutschland bei den
Privatversicherten funktioniert, ist eines der vielen
unverständlichen Rätsel des deutschen Medizinsystems.