„Medizinische Qualität ist ja ganz leicht festzustellen.“ So denkt vielleicht manch einfach gestrickter Zeitgenosse leichtsinnig vor sich hin. Seine Formel: Oft guter Behandlungserfolg und wenig Komplikationen = gute Qualität. Seltener guter Behandlungserfolg und viele Komplikationen = schlechte Qualität. Tja, wenn’s denn nur so einfach wäre.

Eines ist klar: Je häufiger eine bestimmte Untersuchung oder Behandlung in einer Praxis oder Klinik durchgeführt wird, desto besser ist in der Regel deren Qualität. Daher ist es durchaus sinnvoll, zum Beispiel etwas kompliziertere Operationen in Kliniken durchführen zu lassen, die diese Eingriffe andauernd vornehmen, denn Übung macht bekanntlich den Meister.
Wo würden Sie sich einen Bandscheibenvorfall operativ versorgen lassen? In einem Krankenhaus, in dem dreimal im Jahr an der Wirbelsäule operiert wird, oder in einer Klinik mit 103 derartigen Eingriffen im selben Zeitraum? Soweit alles klar, oder?

Eine zu schlichte Gleichung

Allerdings: die Gleichung „viele Behandlungen einer speziellen Art = immer besserer Behandlungserfolg“ ist zu schlicht. Wenn ein Krankenhaus beispielsweise besonders akkurat Komplikationen dokumentiert, ein anderes auf diese Dokumentation aber verzichtet, so wird – rein statistisch – die akribisch arbeitende Klinik in der Auswertung ob vermeintlich häufigerer Fehler schlechter dastehen als die andere.
Schwierige Fälle können ebenfalls die Bilanz verderben. Kümmert sich eine Abteilung um besonders komplizierte Verläufe, die andernorts gar nicht mehr aufgenommen werden, dann wird die Erfolgsbilanz jener Einrichtung gerade eben wegen dieser „Spezialitäten“ zwangsläufig schlechter aussehen als im Normalfall.
Mit „Rosinenpickerei“ bei der Patientenaufnahme lässt sich demnach Qualität vortäuschen, wo de facto keine vorhanden ist. Graue Theorie? Keineswegs. Mir ist der Fall eines Herzchirurgie-Chefarztes bekannt, der gerade solche Patienten noch aufgenommen und auch operiert hatte, die andernorts – zum Beispiel in einer von einer Klinikketten-AG betriebenen Herzchirurgie – als „zu riskant“ zur Aufnahme abgelehnt wurden. Resultat: der Chefarzt half vielen Patienten, die andernorts als aussichtslos galten, hatte aber wegen seiner „Negativauslese“ an Klienten eine besonders schlechte Statistik – und wurde letztlich vom städtischen Arbeitgeber vor die Tür gesetzt.

Angestellte sollen entscheiden

Nun hat die Bundesregierung beschlossen, ein eigenes Institut zum Messen der Klinikqualität einzurichten, genannt IQTIG: 50 Verwaltungsangestellte, die letztlich darüber entscheiden, ob eine Krankenhausabteilung besonders gut oder besonders schlecht arbeitet und demnach mit Zuschlägen zur Vergütung belohnt oder mit Abschlägen bestraft wird. Eine typisch deutsche Lösung, meine ich: „Haste ein Problem, schaffste dafür ein neues Amt“.
Dass das nur Streitereien geben wird, liegt auf der Hand. Sinnvoller wäre es, die medizinischen Fachgesellschaften festlegen zu lassen, welche Mindestanzahl an bestimmten Eingriffen in einem Jahr vorgenommen werden müssen, um einer Abteilung mit der Durchführung dieser Behandlung genügend Routine zu attestieren. Wenn die Abteilung im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre diese Mindestzahl an Eingriffen nicht durchgeführt hat, wird diese Untersuchung oder Behandlung nicht mehr bezahlt. Und Punkt!