Werden wir immer kränker? Gesetzlich Versicherte wissen normalerweise nicht, welche Leistungen ihr Arzt tatsächlich abrechnet. Sollten sie aber. Das Magazin ‚Plusminus‘ versuchte zu demonstrierten, wie Ärzte aus Gesunden psychisch Kranke machen. Indem sie Leistungen einfach falsch abrechnen. So rudimentär informierte die ARD-Sendung am 15.07. ihre Zuschauer. Die Konsequenz: Wenn jemand eine Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung etc. abschließen will, dann klappt das bisweilen nicht, weil der anfragenden Versicherungsgesellschaft von der Krankenkasse Diagnosen genannt werden, von denen der Versicherungsnehmer in spe nichts weiß. Schuld sind natürlich die bösen Ärzte, die Falschdiagnosen zur Falschabrechnung benutzen. Dermaßen einfach und reißerisch war die Botschaft von „Plusminus“. Wie sich denn Falschabrechnung in einem System mit recht knapp bemessenem Honorarbudget überhaupt lohnen kann – also einer in der Quartalssumme gedeckelten Vergütung – mit dieser Überlegung wollte man sich in der Sendung lieber nicht auseinandersetzen.

Dutzende Befunde normal

Fakt allerdings ist: Die Diagnosen der Patienten werden immer mehr, und zwar nicht nur in den Praxen, sondern auch in den Krankenhäusern. Arztbriefe, in denen die erste Seite des Texts die Auflistung von einem bis zwei Dutzend Diagnosen einnimmt, sind inzwischen gang und gäbe. Aber warum um alles in der Welt? Aus purer Schreiblust selbst den Nagelpilz am kleinen Zeh erwähnen? Sie ahnen es: Es geht um die Vergütung. Denn für bestimmte Diagnosen zahlen die Krankenkassen dem Arzt einen Bonus, (sh. Beitrag: „Wieviel ist Kassen der Patient wert?“ (blog.krankes-gesundheitssystem.com/#post5). Gemeint sind solche attestierten Leiden, für die besonders hohe Zuschüsse aus dem Gesundheitsfonds in Berlin anfallen. Sie erinnern sich? Der Gesundheitsfonds ist jener riesige Verwaltungsapparat, der den Kassen zuerst einmal alle Beitragseinnahmen abnimmt und sie gestaffelt nach der Schwere der Erkrankung der jeweiligen Versicherten an die Kassen zurückverteilt. Für eine Diagnose, die einer Kasse viel Geld aus dem Gesundheitsfonds bringt, erhält der Arzt wiederum von der Versicherung des Patienten einen Bonus, versteckt zum Beispiel in Leistungspositionen mit speziellem Betreuungsaufwand bei bestimmten, für die Kassen lukrativen Krankheiten.

Abhilfe? Eine „Patientenquittung“ empfiehlt Plusminus, also eine Art Rechnung mit Diagnosen-Nennungen an den Patienten, die der Patient freilich nicht bezahlen muss, denn das Bezahlen erledigt ja die gesetzliche Krankenkasse via Kassenärztliche Vereinigung. Eine typisch deutsche Lösung, finde ich: Haste ein Problem, vermehre den Verwaltungsaufwand zur Problemlösung! Meine Empfehlung hingegen: Eine Einheitskrankenkasse statt derer einhundertdreißig. Damit bräuchte es keinen Gesundheitsfonds zum Geldumverteilen mehr, ergo auch nicht mehr die Erzeugung besonders lukrativer Befunde für die Krankenkassen. Aber dann fällt doch die für den Versicherten ach so segensreiche Konkurrenzsituation zwischen den gesetzlichen Krankenkassen weg, höre ich es schon tönen. Diesen Wettbewerb gibt es realiter sowieso nicht. Die hundertdreißig Kassen gönnen sich nämlich ihren Spitzenverband, der durch zentrale Vorgaben aus der Berliner Zentrale verhindert, dass sich die Kassen in einem wirklichen Konkurrenzkampf gegenseitig weh tun. Und bei einer Einheitskasse wären nicht nur lukrative Diagnosen und der Gesundheitsfonds überflüssig – sondern der Wettbewerbsverhinderungs-GKV-Spitzenverband gleich dazu.

Es könnte einfach sein

Und warum soll ein Patient nicht wissen dürfen, was der Arzt bei ihm diagnostiziert und abrechnet? Doch, doch, soll er. Dann allerdings wie in jedem anderen Beruf – und so, wie es auch bei privat Versicherten funktioniert: Der Kunde erhält eine Rechnung mit genauer Auflistung von Diagnosen und abgerechneten Leistungen, überweist sie dem Dienstleister und reicht sie bei seiner Kasse ein. So einfach könnte es sein!