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Das kranke Gesundheitssystem

Anregung und Kritik erwünscht

Als steter Streiter gegen ein in meinen Augen ungerechtes Gesundheitssystem, dessen Gewinner die Krankenkassen und dessen bedauerliche Opfer die Patienten sind, freue ich mich über jede Form von Zustimmung, Ratschlag, Anregung oder Kritik. Ich wünsche mir nur, dass bei aller nachvollziehbarer Emotion der gute Ton in schriftlichen Beiträgen die erste Geige spielt.

Dr. Christian Nunhofer

Die tolle App versaut die Zukunft

Das Allerletzte Posted on 29 Jun, 2016 10:16:01

Telemedizinverbot:
Der SPIEGEL schwadroniert wie gewohnt, wenn es um Gesundheitspolitik
geht. „Kontaktverbot im Web“ titelt das Magazin vom
25.06.2016 auf Seite 73. Online einen Arzt zu befragen sei in
Deutschland leider verboten. Eine Regelung aus dem Deutschen Reich
von 1927 schließe Fernbehandlungen aus, weiß der Autor Martin U.
Müller, weshalb eine Online-Praxis in England nun in die Bresche
springe und sich als Helfer in der Not in modernen Zeiten anbiete.
Für neun bis 29 Euro pro Konsultation, gegebenenfalls auch mit
zugesandtem Rezept. „Bei Bagatellen wie Mückenstichen oder simplen Durchfall muss der Patient nicht immer in eine
Praxis“, zitiert Müller einen Arzt. Da hat er recht. Aber
braucht es das überhaupt? Oder tut’s eventuell nicht bei zwei
Insektenstichen oder einem besonders „flotten Otto“ zuerst auch
einmal der Rat des Apothekers um die Ecke?

Preiswert oder einfach nur billig?


Außerdem:
neun bis 29 Euro pro Konsultation! Mit knapp 30 Euro (eher etwas
weniger) muss ein bundesdeutscher Orthopäde ein Vierteljahr lang pro
Kassenpatienten auskommen. Egal, wie oft der von Schmerzen gepeinigte
Kunde wegen „Rücken“ schon wieder auf der Matte steht. Ist Telemedizin also wirklich preiswert? Oder einfach nur billig?

Herrn
Müller freilich ficht das nicht an. Er lässt in bewährter Weise
eine Frau Mauersberg von der Verbraucherzentrale zu Wort kommen:
„Letztlich ist es doch ein Abrechnungsproblem. Patienten, die
der Arzt einfach nur deshalb einmal im Quartal einbestellt, um sein
Praxisbudget zu sichern, würden wegfallen.“ Aha, wenn das
eigene Kind einen Wespenstich erlitt und deswegen bereits der
Telearzt in Great Britain in Anspruch genommen wurde, verzichtet man
selbstverständlich auf weitere Quartalsbesuche beim Hausarzt, sollte der Nachwuchs plötzlich eine richtige Grippe bekommen – oder
wie?

Was die Verbraucherzentralen hartnäckig ignorieren und Herr
Müller schlicht nicht zu wissen scheint ist, dass die ambulante
Medizin rationiert wurde wie Butter und Brot nach dem Krieg. Die
Sanktionen treffen allerdings nicht den Patienten, sondern
raffinierterweise seinen Arzt. Der Ausdruck für diese Gemeinheit
lautet irreführend und verharmlosend „Budget“. Mehr als
einen bestimmten Betrag pro Quartal gibt es für den Onkel Doktor
nicht.

Was, wenn der Insel-Doc irrt?

Frau Mauersberg scheint von einer in schwindelerregender Höhe
liegenden Budget-Messlatte zu fantasieren. Von üppigen Geldbündeln,
die die Praxen ohnehin nicht aufbrauchen können und daher froh sind
um jeden Patienten, der kommt. Denkste! Im Durchschnitt wird in jeder
deutschen Arztpraxis pro Quartal um 15 Prozent mehr gearbeitet, als
die Kassen vergüten. Das nennt sich „Budgetüberschreitung“
– von wegen „Budget sichern!“

Mir können Sie ruhig
glauben, dass es sich so verhält, immerhin bin ich seit fast drei
Jahren Ex-Kassenarzt. Allerdings verstehe ich immer noch nicht, warum die
Verbraucherzentralen ständig (!) Menschen eklatant
desinformieren. Wenn das mal kein Thema für eine SPIEGEL-Recherche
wäre …


Eine
Frage beantwortet uns Herr Müller natürlich nicht, die hat er gewiss nur vergessen: Wer haftet, wenn die Fernbehandlung falsch ist,
eine wesentliche Diagnose übersehen wird? Wie macht der Patient
hierzulande Schadenersatz gegen den Doc auf der Insel geltend? Hm…
Tja, hingeschrieben ist schnell was, nicht wahr? Nachdenken und gründlich
recherchieren erfordert viel Zeit. Absoluten Durchblick bei derart
komplexer Materie kann man sowieso nicht als Selbstverständichkeit voraussetzen; schließlich
liegen noch andere Geschichten auf dem Schreibtisch. Wie heißt ein
altes, vor allem bei Boulevard-Journalisten beliebtes Sprichwort? Ach ja: „Gründliche Recherche lässt die schönste Story platzen“.

Auch Google interessiert sich für den Rhythmus


Ein
bekannter – wenn nicht sogar der bekannteste deutsche
Sozialpsychologen, der im SPIEGEL immer wieder zu Wort kommt,
ist der Flensburger Professor Harald Welzer. Im Heft 17/2016 veröffentlichte er einen Essay mit dem Titel „Das Leben ist analog“, um in sein neues
Buch „Die smarte Diktatur“ über unsere schleichende
Versklavung durch die digitalen Medien einzuführen. Eine Lektüre,
die auch im Heft vom 25.06. noch auf Platz 7 der Sachbuch-Bestseller
rangiert.


Wer
dieses literarische „must-have“ auf keinen Fall gelesen
haben kann, ist Martin U. Müller. Fröhlich naiv palavernd gibt er
kund: „Dank Smartphone wissen Patienten heute bisweilen mehr
über ihren Gesundheitszustand als nach der schnellen Untersuchung in
einer schlecht ausgestatteten Praxis“. Man könne, verrät er, ein iPhone etwa
mit einer EKG-Funktion ausstatten und eine App den Herzrhythmus analysieren
lassen. Vorhofflimmern als akutes Risikofaktor für einen
Schlaganfall würde die Smartphone-Kamera sicher erkennen.

Toll. Der Stolperstein: Nicht nur der Patient weiß damit mehr über
seinen Gesundheitszustand, sondern auch Google und deshalb zeitnah
auch jeder, der bereit ist, den Datenhändlern, jenen Piraten der
Neuzeit, genug Geld für sensible Infos wie diese zu bezahlen. Alles
Quatsch, denken Sie? Und fragen sich, wem Ihr Rhythmus so am Herz
liegen sollte?

Ein herzliches Veto

Hmmm … Versicherungen? Nein, nein – denen bestimmt
nicht, die sind ja auch sooo arm geworden, die können sich das doch
gar nicht mehr leisten. Aber was ist, wenn Sie sich selbständig
machen wollen, eine Lebensversicherung mit anhängender
Berufsunfähigkeitsversicherung brauchen, Ihr angefragter Versicherer
aber zufällig schon darüber informiert ist, dass Sie im wahrsten
Sinne des Wortes etwas auf dem Herzen haben? Wegen der famosen App,
die Ihre Pumpe überwacht, wird Ihnen der Vertrag verweigert!

So
schnell können sich Zukunftspläne ändern. Übrigens auch für
Leute, die mit langfristigen Jobs als Angestellte liebäugeln. Weiß
der Arbeitgeber konkret Bescheid, wo den „Neuen“ der Schuh
drückt, kann es schwierig werden mit unbefristeten Verträgen. Sogar
bei SPIEGEL-Redakteuren, gell, Herr Müller?





Schande für Deutsche Ärzteschaft!

Das Allerletzte Posted on 09 Jun, 2016 05:59:45

Hermann Hartmann und Klaus Reinhardt? „Na, was sind das denn für zwei Typen“, wird sich der unbedarfte Leser jetzt vielleicht fragen. Dr. Hermann Hartmann war praktischer Arzt in Leipzig. Zu seiner Zeit ließen die Kassen die Ärzte einzeln antanzen, um ihnen Verträge zur Patientenversorgung anzubieten. Mit dem Ziel eines Unterbietungswettbewerbs. Folge: den Doktoren um die vorletzte Jahrhundertwende ging es wirtschaftlich wirklich übel – ein typischer Hungerleider-Beruf.

Eine kämpferische Botschaft

Das veranlasste Hartmann am 25. Juli 1900 dazu, einen kämpferischen Rundbrief zu verfassen:

„Sehr geehrte Collegen! Lasst uns eine feste, zielbewusste Organisation schaffen zum Zwecke einer energischen Vertretung unserer auf’s aeusserste gefährdeten Interessen! Schliessen wir uns fest zusammen, der Einzelne ist Nichts, alle zusammen sind wir eine Macht. Dann soll man nicht mehr mit dem einzelnen Arzt, sondern mit der Gesammtheit rechnen. Ueberall sehen wir die Angehörigen der einzelnen Berufsstände sich zusammenschliessen, um ihre Ziele durch die Wucht gemeinsamen Vorgehens zu erreichen: handeln wir ebenso, der Erfolg kann nicht ausbleiben! Einer für Alle, Alle für Einen! Aerzte aller Deutschen Staaten, organisiert Euch!“

Die Organisation gelang, die Diktatur der Kassen über die vereinzelten und machtlosen Ärzte ging zu Ende, und der Ärztebund nahm nach dem Tod von Hermann Hartmann den Namen „Hartmannbund“ an.

Der Diener zweier Herren

Seit 2011 heißt der Vorsitzende des „Hartmannbunds – Verband der Ärzte Deutschland e.V“ Dr. Klaus Reinhardt. Er ist Hausarzt in Bielefeld – aber auch Mitglied im Ärztebeirat der Deutschen Ärzteversicherung, jener hundertprozentigen Tochter des AXA-Versicherungskonzerns, die unter anderem als großer privater Krankenversicherer am Markt ist. Anders formuliert: Reinhardt erhält Geld aus der Schatulle des AXA-Konzerns.

Über das Verhandlungsdebakel der Bundesärztekammer zur neuen Gebührenordnung habe ich hier schon des Öfteren geschrieben. Nachdem der letzte Verhandlungsführer Windhorst konsequenterweise zurückgetreten ist, musste ein Neuer her. Dieser Neue ist Klaus Reinhardt, Vorsitzender des Hartmannbunds.

Und welche Haltung vertrat jener Funktionärs-Erbe Hermann Hartmanns im Vorfeld des jüngsten Deutschen Ärztetages im Hinblick auf die Verhandlungen zur Gebührenordnung? (zitiert aus einem redaktionellen Bericht des Ärztenachrichtendienstes im Ärzteforum „Hippokranet“ am 25.05.):

„Eine Einigung auf ein Komplettpaket durch BÄK, PKV und Beihilfe ist zwingende Voraussetzung für die Aufnahme eines entsprechenden Gesetzgebungs- und Verordnungsverfahrens durch die Bundesregierung. Dies bedeutet für beide Seiten Kompromisse. Eine neue GOÄ wird nur im Konsens mit allen Beteiligten durchzusetzen sein. Wer dies nicht akzeptieren will, kann ja auswandern.“

Klappe halten oder Auswandern?

Was die Größenordnung der Honorarerhöhung nach 20 Jahren ohne jedwede Anpassung angeht, so wurden 5,8 Prozent als angemessen angesehen.
Warum so eine Grundeinstellung nicht „zwingende Voraussetzung“, sondern Unfug ist, habe ich in meinem letzten Aufsatz unten erläutert. Da leuchtet in manchem Funktionärs-Oberstübchen nicht gerade viel Licht.

Darum allerdings geht es mir hier gar nicht. Sondern um Folgendes: Reinhardt verrät nicht nur die deutsche Ärzteschaft, sondern tritt auch den Geist Hermann Hartmanns mit Füßen! „Ihr Ärzte, ich als Oberster des Hartmannbundes sage Euch: Akzeptiert die Vorgaben der Politik, haltet die Klappe oder wandert aus!“ So eine Botschaft dürfte Hartmann in seiner Gruft rotieren lassen!

Mit Verlaub meine ganz persönliche Meinung, werter Herr Reinhardt: Sie sind eine Schande für die deutsche Ärzteschaft! Es gibt wohl niemanden, der noch weniger geeignet wäre, an der Spitze des Hartmannbunds zu stehen, als Sie!
Und falls diese Zeilen das eine oder andere Mitglied des HB liest: Treten Sie aus diesem Herrmann-Hartmann-Veräppelungsverein aus! Möglichst schnellstens!



Verdünnen und enorm gewinnen!

Das Allerletzte Posted on 24 Mai, 2016 07:10:17

Kennen Sie den Unterschied zwischen Chemie und Physik? Einfaches Merkmal beim Experiment: Chemie ist, wo es stinkt. Oder historisch: Chemiker nannten sich früher Alchimisten und versuchten, aus Dreck Gold zu machen. Physiker hingegen haben sich schon immer mit allerlei Rätseln der unbelebten Natur beschäftigt.

Galileio Galilei versuchte bereits in der frühen Neuzeit zu messen, ob Licht eine Geschwindigkeit hat? Er kam zum Ergebnis „falls ja, dann ist diese Geschwindigkeit so hoch, dass ich sie nicht messen kann“. Isaac Newton grübelte, warum der Apfel vom Baum nach unten und nicht nach oben fällt und Kepler hat sich mit der Umlaufbahn der Sterne befasst.

In der Schule und an Universitäten sind Chemie und Physik weiter getrennte Fächer, und das ist durchaus berechtigt! Ist doch der Stoffumfang in beiden Disziplinen so unendlich, dass es aus praktischen Gründen keinen Sinn machen würde, sie zusammenzulegen. Falls Sie einen Chemiker oder Physiker fragen, werden ihnen beide bestätigen: Chemie ist ein Teilgebiet der Physik. Und zwar dasjenige, das sich mit der Materie oberhalb der Größe der Materie in der Atomphysik, aber unterhalb der Größe der Materie in der Mechanik beschäftigt.

Letztlich geht es – wie fast immer in der Physik – um Kraft, Energie und ihre Auswirkungen. Im Falle der Chemie: mit welchen Kräften wirken Atome aufeinander ein, welche Bindungen entstehen dadurch (Moleküle genannt), welche Energie wird dadurch frei (und umgekehrt) – die ganz üblichen Fragen der Physik eben.

„Nicht schaden“ bringt Gewinn

Und jetzt zu einem vordergründig ganz anderen Thema: Wie kam der Erlanger Arzt Samuel Hahnemann anno 1796 auf die Homöopathie? Damals wütete eine Krankheit, die die Menschen schleichend, aber in Massen dahinraffte und von der zum Beispiel in den USA vor Erfindung des Penicillins, also noch in den 1930er Jahren, ca. ein Drittel der Bevölkerung betroffen war. Die Syphilis! Nun war die Medizin auch zu Hahnemanns Zeiten nicht ganz hilflos. Es gab ein recht gut wirksames Mittel gegen Syphilis, nämlich Quecksilber.

Pech nur, dass die Patienten schneller an der Quecksilbervergiftung dahinsiechten als an der Syphilis. Früh hat Hahnemann erkannt. „Zu Risiken und Nebenwirkungen zerreissen Sie die Packungsbeilage und schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!“ Oder auf Hahnemanisch: „Nil nocere!“. Auf gut deutsch gesagt: „Nicht schaden!“.

Und welches universelle „Heilmittel“ schadet garantiert nicht? Bingo – Wasser! Aber den Leuten statt Quecksilber einfach nur Wasser verordnen? Darin lag wohl der zweite Geistesblitz Hahnemanns begründet: Geht nicht, das nimmt den Placebo-Effekt (um den Hahnemann sehr wohl wusste, auch wenn die Vokabel noch lange nicht erfunden war). Also brauchte es einen möglichst komplexen ideologischen Überbau, denn je komplexer, desto besser „wirkte“ das Placebo. So hat er zuerst die Lehre vom „simile similibus“ erfunden (Ähnliches mit Ähnlichem behandeln, zum Beispiel Schreckhaftigkeit mit Springkraut, wenn ich mich nicht irre).

Wer verdünnt, der potenziert

Damit aber sein „nil nocere“ auf jeden Fall weiter galt, hat er alles „Similibus“ – bis zur Nicht-Nachweisbarkeit – verdünnt. Und gleich noch eins draufgelegt. Das Schütteln bei der Verdünnung musste durch zehn Stöße gegen ein Lederkissen Richtung Erdmittelpunkt vollzogen werden. Und zwar nur bei Vollmond! Interessant. Ich habe mal einen Bericht über die Produktion von Homöopathika im Fernsehen gesehen.

Da hat tatsächlich eine Riesen-Maschine ein Riesen-Gefäß gegen ein Riesen-Lederkissen gestoßen. Ob in jener Fabrik allerdings nur bei Vollmond produziert wird, blieb ein Rätsel. Umso mehr verdünnt wird, desto stärker wirkt das homöopathische Medikament angeblich, weswegen das Verdünnen ja in der Sprache der Homöopathen logischerweise „potenzieren“ heißt. Das Wort „potent“ kennen Sie aus anderen Zusammenhängen als Synonym für „besonders leistungsfähig“.

Halt ganz das Gegenteil von impotent. Wenn ein homöopathisches Medikament zum Beispiel die Potenz D 30 hat, bedeutet das, dass vom eigentlichen Wirkstoff ein Milliliter genommen, mit neun Millilitern Wasser aufgefüllt, durch Schütteln „potenziert“ (D1, „D“ steht für „decem“, lateinisch 10, weil jetzt eins zu zehn verdünnt ist), davon wieder ein Milliliter genommen, mit neun Millilitern Wasser aufgefüllt wird (D2, zweiter Verdünnungsschritt à 1:10)… Und so weiter. Bei D30 ist diese Prozedur 30 mal durchgeführt worden und die Verdünnung sehr, sehr, sehr extrem.

Kluge Köpfe haben es für D30 ausgerechnet und in verständliche Worte gefasst: „Wie wenn man einen Zuckerwürfel in den Atlantik werfen und umrühren würde“. Anders ausgedrückt ist die Wahrscheinlichkeit, dass in der Endverdünnung auch nur noch ein einziges Molekül der Ausgangssubstanz vorhanden ist, weniger als 1:1 Milliarde, womit das „Medikament“ nach Begrifflichkeit der Homöopathen als extrem leistungsstark gilt. „Tja“, erwidern an diesem neuralgischem Punkt mit schöner Regelmäßigkeit die Homöopathie-Fans, „chemisch ist nichts mehr drin – aber physikalisch!“. Falls Sie meinen, sich diesem Einwand anschließen zu müssen, dann lesen Sie jetzt bitte nochmal den allerersten Absatz oben.

Nur „doppelblind“ sieht man wirklich gut

Nun gut. Dass die Hahnemann-Syphilitiker weniger Nebenwirkungen und damit mehr Lebensqualität hatten und nebenbei später an Syphilis als früher an Quecksilbervergiftung starben, blieb auch Hahnemanns Zeitgenossen nicht verborgen. Hokuspokus, Simsalabim – hat sich die Homöopathie etabliert! Sie wird sich auch weiter halten, solange die Menschheit es oftmals lieber mit dem Aberglauben als mit aufgeklärter Medizin hält, die ja verlangt, dass der Nachweis der Wirksamkeit eines Medikaments mit sogenannten Doppelblindstudien erbracht wird.

Ein Teil der Patienten erhält das echte Medikament, der andere ein Placebo. Damit nicht einmal der Behandler durch sein Verhalten bei der Verordnung den Patienten psychisch positiv oder negativ beeinflussen kann, weiß selbst er nicht, ob er das echte Medikament oder Placebos verabreicht hat. Er protokolliert nur den Heilverlauf. Arzt und Patient wissen beide nicht, ob mit dem echten oder dem Scheinmedikament behandelt wird. Sie sind „doppelblind“.

Welch Wunder! Bis wurde kein einziges homöopathisches Arzneimittel in einer Doppelblindstudie untersucht und getestet. Chemische Medikamente hingegen werden ohne mehrere solche Studien mit positivem Wirkungsnachweis nicht zugelassen.

Übrigens: Auf die Lebenserwartung hat sich die Homöopathie nicht ausgewirkt (Anhang). Allerdings fing anno 1898 mit dem Patent auf „Aspirin“ der Siegeszug der Chemie in der Medizin an. Seitdem vergiften wir Ärzte unsere Patienten mit immer mehr Chemie, und pardauz: die Lebenserwartung der Bevölkerung steigt und steigt und steigt. Seltsam, nicht wahr? Schlussfolgerung: Wenn Menschen durch Ärzte chemisch vergiftet werden, leben sie länger, weswegen der Einsatz chemischer Medikamente pures Gift ist – aber nur für die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungen! Vielleicht sollte mancher Zeitgenosse sein Weltbild über Natur und Chemie in der Medizin angesichts der hier geschilderten, knallharten Fakten überdenken.

Lukrativer Zauber der Esoterik

Ist ja o.k., könnte man meinen, die Menschen geben für so viel Unfug Geld aus! Was soll´s? Der Placebo-Effekt ist nachgewiesen wirksam. Der kann sich sogar bei bei intelligenten Tieren (Pferden, Hunden, Katzen) vom gläubigen Frauchen (Herrchen sind in der Regel weniger brauchbar) auf das sensible Vieh mit seinen durchaus vorhandenen sensiblen Antennen übertragen. Sollen sich Menschen, die unerschütterlicher Überzeugung sind, doch Homöopathie leisten. Der Glaube versetzt bekanntlich Berge.

Allerdings. Aber soll Aberglauben von gesetzlichen Krankenkassen unterstützt und finanziert werden? Etliche dieser Unternehmen bezahlen ihren Versicherten nämlich homöopathische Produkte. Nicht etwa, dass die Damen und Herren in den Management-Etagen von Homöopathie überzeugt wären. Die Rechnung geht anders auf. Homöopathie-Befürworter verdienen meist überdurchschnittlich gut. War schon immer so. Wahrsager und sonstige Esoterik konnten sich seit jeher nur die Reichen leisten.

Wer überdurchschnittlich gut verdient, bezahlt auch überdurchschnittlich hohe Beiträge. Für mich hat das alles trotzdem ein „G’schmäckle“. Gegen Etliches, was Patienten wirklich bräuchten, wehren sich die Kassen mit Händen und Füßen – selbst wenn es sich unter dem Strich rechnen würde.

Unsereiner hat zum Beispiel im Namen mehrerer MS-Patienten bei diversen Kassen vor einigen Jahren angefragt, ob sie Dimethylfumarat aus der Herstellung der Apotheke bezahlen würden? Tagestherapiekosten um die 3,70 Euro – statt 45 (!) Euro für Beta-Interferon. Einstimmige Antwort: Nein, nein, nein! Unsereiner – damals noch Kassenarzt – hätte alleine mit dieser Medikamentenumstellung bei MS den Versicherern mehr Geld einsparen können, als ihm die Kassen für alle seine Patienten zusammen (alle – nicht nur die MS-Patienten!) an Honorar bezahlt haben.

Aber es hat nicht sein sollen. Als Dimethylfumarat dann für 77 (!!) Euro Tagestherapiekosten in den Handel kam, war es plötzlich ganz in Ordnung für die Kassen. Verstehen Sie anhand dieses krassen Beispiels jetzt, nach welchen Kriterien pfiffige Kassen-Manager Homöopathie bezahlen, aber keine dichten Windeln? Ich nicht – Gott sei Dank bin ich kein Kassenarzt mehr! Ganz nach Shakespeare: Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode!

Anhang:

http://www.bib-demografie.de/DE/ZahlenundFakten/08/sterblichkeit_node.html;jsessionid=D66C63FC48C1E228F892E82AA5CCE682.2_cid331



Es geht immer noch dümmer

Das Allerletzte Posted on 26 Mrz, 2016 05:47:34

Stellen Sie sich vor, Sie sind Herr Armer und haben Rechtsstreitigkeiten mit Ihrem Nachbarn, Herrn Vermöglich – sagen wir, wegen eines gemeinsam geplanten Bauvorhabens. Sie wenden sich vertrauensvoll an die renommierte Anwaltskanzlei Blöd, spezialisiert auf Baurecht. Ihr Nachbar wird Mandant der nicht minder geachteten und geschätzten Kanzlei Pfiffig. Was Sie nicht wissen: Ihr Advokat Blöd erledigt regelmäßig Jobs für die Kanzlei Pfiffig und wird aus diesem Grund von Ihrem juristischen Widersacher nicht eben kleinlich entlohnt.

Rechtsanwalt Blöd spricht zu Pfiffig: „Lieber Kollege, die Sache mit der Klage Armer ./. Vermöglich ist doch recht umfangreich. Wir müssen uns doch nicht beide durch den Sachverhalt wühlen, oder? Wie wäre es denn, wenn Sie, lieber Pfiffig, die kompletten Akten lesen, ich zahle einen Betrag dazu, und Sie verfassen nicht nur die Schriftsätze für Ihre Partei Vermöglich, sondern – bei Ihrer Sachkenntnis – für meine Partei Armer gleich mit?“ Was Wunder: Pfiffig jubelt über die prima Idee – und so läuft’s dann auch.

Ein abgekartetes Spiel

Kurz vor dem Gerichtstermin Vorbesprechung mit Ihnen. Rechtsanwalt Blöd beichtet: „Entschuldigung, Herr Armer, mir fehlt der Durchblick. Die ganze Sache hat Pfiffig erledigt, er hat mir erst vorgestern sämtliche Schriftsätze zukommen lassen. Das sind ja über 700 Seiten – da bin ich noch nicht durch …“ – Nun bleibt Ihnen die Spucke weg, oder?!
Auflösung des Trauerspiels: Herr“Armer“ symbolisiert die Ärzteschaft, vertreten durch die Bundesärztekammer „Blöd“ bei der Aushandlung der neuen Gebührenordnung (GOÄ). Kontrahent sind die privaten Krankenversicherungen (in dieser Geschichte Herr Vermöglich), vertreten durch den PKV-Verband „Pfiffig“. Hat sich nicht die Verhandlungsführung der Bundesärztekammer tatsächlich entblödet, den PKV-Verband um die Erstellung der neuen GOÄ zu bitten und den Ärzten bisher suggeriert, es komme etwas ganz Wunderbares heraus? Nun liegt der Text erstmals komplett der Gebührenordnungskommission der Bundesärztekammer vor! Die betreffenden Damen und Herren müssen nach schlappen zwei bis drei Jahren „Verhandlungen“ (!!) fast vom Stuhl gefallen sein und das Opus als schlicht unbrauchbar abgelehnt haben.

…halt mal machen lassen

Der Hauptverhandlungsführer der Ärzte, Windhorst, verteidigte sich mit dem Argument, man habe die privaten Versicherer halt mal machen lassen, er kenne das ganze Werk ja auch erst seit drei Tagen. Dann trat er zurück. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass Ärztekammerfunktionäre en gros in verschiedenen Aufsichtsräten und Beiräten sitzen, die von den privaten Krankenversicherern finanziert werden…
Noch Fragen? Ich jedenfalls bin restlos bedient!



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