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Das kranke Gesundheitssystem

Anregung und Kritik erwünscht

Als steter Streiter gegen ein in meinen Augen ungerechtes Gesundheitssystem, dessen Gewinner die Krankenkassen und dessen bedauerliche Opfer die Patienten sind, freue ich mich über jede Form von Zustimmung, Ratschlag, Anregung oder Kritik. Ich wünsche mir nur, dass bei aller nachvollziehbarer Emotion der gute Ton in schriftlichen Beiträgen die erste Geige spielt.

Dr. Christian Nunhofer

Eine Allianz fürs Leben

Das Allerletzte Posted on 05 Feb, 2016 03:02:54

Rudolf Henke, seineszeichens Mitglied des Bundestages, scheint ein ehrenwerter Mann zu sein, für den Sie sich interessieren sollten. „Kenn ich nicht, brauch ich nicht“, denken Sie? Dann ist nichts zu machen. Sollten Sie allerdings daran interessiert sein, wie heutzutage Politik läuft und welche Strippen dabei gezogen werden, dann empfehle ich Ihnen, jetzt weiterzulesen. Parallelen zu TTIP sind rein zufällig…

Wer also ist Rudolf Henke?
1. Rudolf Henke ist MdB, CDU-Mitglied, stellvertretender Vorsitzender im Gesundheitsausschuss. Durchaus ehrenwerte Funktionen für einen ehrenwerten Mann.
2. Rudolf Henke ist Präsident der Ärztekammer Nordrhein. Eine ebenfalls durchaus ehrenwerte Funktion für einen ehrenwerten Mann.
3. Rudolf Henke ist Vorsitzender des Marburger Bundes, kurz „MB“ – noch eine durchaus ehrenwerte Funktion für einen ehrenwerten Mann. Der Marburger Bund ist die Gewerkschaft der angestellten Ärzte Deutschlands, also vor allem der Krankenhausärzte. Logisch, dass die meisten dieser Personen nicht in leitender Funktion sind und selbst keine Privatrechnungen schreiben. Das Recht, eigene Rechnungen zu schreiben, bleibt in aller Regel Chefärzten vorbehalten. Der MB vertritt also in großer Mehrheit Krankenhausärzte, die selbst keine Privatrechnungen schreiben dürfen.

Für oder gegen die Mitglieder?

Übrigens nennt sich der Marburger Bund auf seiner Homepage „Servicepartner“ der Allianz-Versicherung, der „Deutschen Ärzteversicherung“, kurz DÄV (eine hundertprozentige Tochter der AXA-Versicherung) und der APO-Bank. (Siehe: Anhang 1). Merkwürdig, dass eine Gewerkschaft „Servicepartner“ aus den Reihen von deutschen (Allianz) und französischen (AXA) Großkonzernen hat. In der Regel pflegen Gewerkschaften nämlich keine solchen Kooperationen. Jedenfalls habe ich weder auf der Homepage des DGB noch auf der von der IG Metall Entsprechendes entdecken können. Das verwundert auch nicht: Ist es doch Aufgabe von Gewerkschaften, die Interessen ihrer Mitglieder gegen (!) die von Konzernen zu verteidigen und nicht, mit ihnen Servicepartnerschaften zu pflegen.

Angelegenheit des MB ist es demnach auch, die Interessen der dort angestellten Ärzte gegen den Arbeitgeber Sana-Kliniken AG zu verteidigen. Die Sana-Kliniken-AG ist Deutschlands drittgrößter privater Klinikbetreiber und gehört zu hundert Prozent den deutschen privaten Krankenversicherern. Mit einem Anteil von 14,3 Prozent ist die Allianz dabei. (Anhang 2).

4. Rudolf Henke ist stellvertretender Vorsitzender des Ärztebeirats der Sparte Private Krankenversicherung im Allianz-Konzern (Anhang 3). Nicht nur das: er ist auch Aufsichtsrat und Beirat bei der AXA-Tochter DÄV (Anhang 4). Klar, die Jobs als MdB, Ärztekammer-Präsident und Vorsitzender des MB sind so schlecht dotiert, dass das eine oder andere kleine Zubrot schon erlaubt sein muss. Das sollte einem ehrenwerten Mann zugestanden werden. Die Höhe von Henkes Nebeneinnahmen? Mindestens 147.000 Euro pro Jahr, schreibt „Lobby Control“ (Anhang 5).

Verhandlungen im Hinterzimmer

Am 23. Januar fand ein außerordentlicher Deutscher Ärztetag in Berlin statt. Thema: eine neue Gebührenordnung für Ärzte, die Privatpatienten betreffen. Die derzeitige GOÄ gilt seit 20 Jahren unverändert – auch in der Höhe der Abrechnungsbeträge. Änderung und Anpassung sind also überfällig. Betroffen von dieser Gebührenordnungsnovelle sind vor allem die niedergelassenen Ärzte, von denen es wesentlich mehr gibt als Chefärzte. Und in dieser Gebührenordnungs-Novelle plant die Bundesärztekammer unter Vorsitz des ehemaligen MB-Chefs Montgomery (der – welch eine zufällige Parallele zum aktuellen MB-Chef Henke – zugleich Mitglied im Aufsichtsrat der DÄV und im Beirat der Allianz und der DÄV ist) den privaten Krankenversicherern wesentliche Mitsprache- und Blockaderechte einzuräumen, die ihnen bisher nicht zustanden.

Was Wunder, dass die Aufregung unter der niedergelassenen Ärzteschaft groß ist. Beim oben erwähnten Ärztetag bestand Gefahr, dass die bisher ohnehin nur spärlich bekannten Verhandlungsergebnisse der Bundesärztekammer in Bausch und Bogen abgelehnt würden. Wieso nur „spärlich bekannt“, wollen Sie wissen? Weil die Verhandlungen – ganz sicher rein zufällig wie bei TTIP – streng geheim im Hinterzimmer stattfinden. Angeblich hat das Henkes Parteifreund, Fraktionskollege und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe so verlangt. Zwar ohne Rechtsgrundlage, aber durchaus im Sinne der Versicherungen. Das betroffene Ärztevolk soll schließlich dumm gehalten und letztlich vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
Der besagte Ärztetag wurde durch entsprechende Beschlüsse von drei Landesärztekammern gegen den Willen der Herren Henke und Montgomery erzwungen. Bei der Versammlung drohte der Unmut der Niedergelassenen zu einem Fanal gegen die bisherige Verhandlungsführung zu werden. Abhilfe? Die alten MB-Kämpen und ehrenwerten Herren Henke und Montgomery – die wohlgemerkt selbst keine GOÄ-Rechnungen schreiben – wussten Rat: Sie sorgten dafür, dass reichlich MB-Mitglieder, also angestellte Ärzte ohne eigenes Abrechnungsrecht, als Delegierte entsandt wurden. Motto: Wen’s selber nicht betrifft, der wird schon so abstimmen, wie wir es ihm vorgeben. Und so kam es dann auch – 109 zu 98 Stimmen im Sinne der Herren Henke und Montgomery. Nur weiter so mit den GOÄ-Verhandlungen! Als Protest aus den Reihen der niedergelassenen Ärzte nicht nachlassen wollte, konstatierte der ehrenwerte Henke tags darauf: „Es ist ausgesprochen ärgerlich, wenn unmittelbar nach Beschlussfassung des Ärztetages einzelne Verbände öffentlich den Eindruck erwecken, die Entscheidung wäre ohne Zutun niedergelassener Ärztinnen und Ärzte getroffen worden.“ Kommentar? Überflüssig!

Nach der Karriere in den Vorstand

Eine Partnerschaft beruht auf Gegenseitigkeit, wie jeder wissen sollte. Sogar Rudolf Henke. Jetzt aber funktioniert die Partnerschaft von ihm zusammen mit den Versicherungskonzernen gegen die Interessen der niedergelassenen Ärzte. Sicher wird sie auch funktionieren, wenn der Marburger Bund bei den Sana-Kliniken für die dort angestellten Kollegen in eine neue Gehaltsrunde geht …

Übrigens, auch auf die Allianz als Partner ist Verlass (sofern es sich nicht um die Leistungspflicht als Versicherung handelt, versteht sich – sh. Anhang 6). Nicht nur, dass aus ihrer Schatulle den Herren Henke und Montgomery für deren Beiratstätigkeit Geld zufließt. Als die FDP aus dem Bundestag flog und damit der letzte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr plötzlich bar jedweden Jobs war, da kümmerte sich die Allianz um ihn und holte ihn in ihren Vorstand.

Immerhin hatte Bahr ja schließlich als zuständiger Minister die Gebührenordnungsreform und damit eine nach langen Jahren unweigerliche Kostensteigerung für die Versicherer durch geschickte Untätigkeit verschleppt. Für Henke und Montgomery gilt übrigens nicht der Slogan „Hoffenlich“, sondern „Mit Sicherheit Allianz-versichert“. Wie geht es weiter? Ach ja: „Denn wer sich Allianz-versichert, der ist voll und ganz gesichert, der schließt vom ersten Augenblick ein festes Bündnis mit dem Glück – eine Allianz fürs Leben“. Gell, Herr Henke!

Anhang 1: (https://www.marburger-bund.de/mb-treuhand/serviceleistungen)

Anhang 2: (http://www.sana.de/unternehmen/aktionaere.html)

Anhang 3: (S. 49: https://www.allianzdeutschland.de/allianz-private-krankenversicherungs-ag-geschaeftsbericht-2013/id_74977604/tid_da/index)

Anhang 4: (S. 4 und 6: https://www.aerzteversicherung.de/site/daev/get/documents/daev/DAEV_Dokumente_und_Bilder/Unternehmen/Ueber-uns/Deutsche%20%C3%84rzteversicherung%20GB%202014.pdf)

Anhang 5: (https://www.lobbycontrol.de/2014/03/lobbyisten-im-bundestag-fragwuerdige-doppelrollen/)

Anhang 6: http://www.jameda.de/muenchen/krankenkassen/allianz-private-krankenversicherung/uebersicht/3159_2/



Die Termine sind sicher, aber…

Das Allerletzte Posted on 20 Jan, 2016 03:38:33

Terminservicestellen für Facharzttermine – zurzeit als Thema ein „heißes Eisen“, an dem man sich durchaus die Finger verbrennen kann. Auch Cornelia Schmergal vom SPIEGEL zeigte sich überfordert. Dabei ist sie eine renommierte Journalistin, die ab und an sogar im ARD-„Presseclub“ Sonntags um zwölf ihre Meinung kundtun darf. Nun schimpft sie im SPIEGEL vom 16.01. auf Seite 76 unter der Überschrift „Warten aufs Warten“ auf die Ärztelobby: Die nämlich würde verhindern, dass die ab 23. Januar verpflichtenden Terminservicestellen zur Vermittlung von Facharztterminen innerhalb von vier Wochen funktionieren.

Zum einen, liebe Frau Schmergal: Wenn ein Patient wirklich dringend einen Termin brauchte, so hat er diesen auch bisher schon via „kleinem Dienstweg“ rasch bekommen: Anruf des Hausarztes beim Facharzt, Schilderung des Falles, und der Drops war gelutscht. Das hat deswegen immer gut funktioniert, weil der Hausarzt – durchaus im Unterschied zum Patienten – die wirkliche (!) Dringlichkeit in aller Regel gut einschätzen kann.

Eisernes Budget zwingt zum Sparen

Selbst Sie, sehr geehrte Frau Schmergal, haben das eigentliche Problem nicht verstanden: Die Medizin für Kassenpatienten ist rationiert, und das ändert sich auch durch die Einführung von Terminservicestellen nicht. Das Mittel zur Rationierung heißt „Honorarbudget“. Durch dieses Budget ist der niedergelassene Arzt in seinen Leistungen pro Quartal eingeschränkt, und zwar so arg, dass trotz aufgezwungener Sparmedizin zirka 15 Prozent aller ärztlichen Leistungen wegen Budgetüberschreitung nicht entlohnt werden.

Gratis arbeiten für hundert Prozent Verantwortung und Haftung? Da sagen die meisten Ärzte „Nein danke!“ und reduzieren ihre Arbeit „auf Kasse“ auf das Allernötigste. Was nicht unbedingt gleich erledigt werden muss und das Budget zu sprengen droht, wird aufs nächste Quartal verschoben. Und weil es bei Privatpatienten keine vom Staat aufoktroyierte Rationierung gibt, bekommen diese im Unterschied zu Kassenpatienten immer Termine.

Stadt oder Land – kein Unterschied

Auch die Mär, dass die Arztsitze „fehlverteilt“ seien, greifen Sie unreflektiert auf: Viele Fachärzte in der Stadt, wenige auf dem Land – ergo lange Wartezeiten besonders auf dem Land. Machen Sie den Test und rufen in einer Großstadt in einer neurologischen Praxis an. Berichten sie über die typische Symptomatik eines Carpaltunnelsyndroms. Eine Erkrankung, die immerhin fünf Prozent der Bevölkerung betrifft.

Sie geben vor, Kassenpatientin zu sein. Seit einem halben Jahr würden ihnen nachts die Finger einschlafen, allmählich kämen Schmerzen dazu, Ihr Hausarzt meint, Sie sollen zum Neurologen. Und: wie viele Wochen oder gar Monate müssen Sie warten? Sie können anschließend gern die Gegenprobe „auf dem Land“ machen. Das Ergebnis für Kassenpatienten wird sich wenig unterscheiden. Das wahre Problem heißt eben Quartalsrationierung der Arztleistung und nicht Fehlverteilung der Praxen.

50 Euro „Miese“ pro Termin

Was kostet eigentlich die von Ihnen gepriesene Terminvermittlung via Terminvergabestellen die Kassenpatienten, die mit ihren Beiträgen letztlich diesen „Service“ finanzieren? Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen weiß es, denn dort wird das System seit einem Jahr getestet. In einem Interview vom 20.12.2015 äußert sich der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsens zu den Terminservicestellen (Quelle: http://www.facharzt.de/content/red.otx/187,163797,0.html)

Insgesamt
haben Sie in diesem Jahr rund 2.000 Termine vermittelt. Wie viel hat
das pro Termin gekostet?

Wenn man die Kosten für die vier Mitarbeiter, die zusammen 2,2 Stellen inne haben, und die vorgehaltene Technik gegenrechnet, werden da knapp 50 Euro zusammenkommen. Das ist natürlich Geld, das man lieber den Ärzten geben könnte. Andererseits muss man sehen, dass ohne diese Steuerung langfristig vermutlich noch höhere Kosten entstehen würden.“

50 Euro Kosten also pro vermitteltem Termin. Eine bemerkenswerte Zahl, wenn man sich vor Augen hält, dass die Facharztgruppe GOUDA (Gynäkologen, Orthopäden, Urologen, Dermatologen, Augenärzte) von der Kassenärztlichen Vereinigung für das Vierteljahr pro Patient, der auch wirklich beim Arzt ist, ein Budget zwischen 20 und 30 Euro Umsatz (!) zugeteilt bekommt, mit dem die Fachärzte finanziell auskommen müssen.

Wartezeit wird länger

Liebe Frau Schmergal, auf manch anderen Unsinn in Ihrem Artikel will ich gar nicht eingehen (z.B. die KV – als Körperschaft des öffentlichen Rechts!! – sei die Lobbyvertretung der Ärzte). Unsereiner als Ex-Kassenarzt hat sich bei der Lektüre dieser Zeilen halb buckelig gelacht. Eine konkrete Folge der Terminvergabestellen kann ich Ihnen jetzt schon prophezeien: Die Wartezeiten auf die eigentliche Untersuchung und Behandlung werden sich – außer in dringlichen Fällen – verlängern! Der Patient wird zwar binnen vier Wochen seinen Termin bekommen. Der Facharzt wird dann allerdings des Öfteren feststellen, dass die Erkrankung für den Patienten zwar lästig, aber nicht bedrohlich ist, und den Hilfesuchenden des Honorarbudgets wegen in das nächste Quartal verschieben.

Unter uns: Qualitätsjournalismus sieht anders aus: Er verlangt nach gründlicher Recherche. Aber Sie sind sicher lernfähig. Und falls Sie wirklich wissen wollen, was im System der gesetzlichen Krankenversicherung abgeht, dann empfehle ich Ihnen das Buch „Der goldene Skalp“ der Publizistin Renate Hartwig. Allerdings ist zu viel Durchblick auch wieder schlecht: Darunter leiden die altbewährten Vorurteile …



Politschönsprech

Das Allerletzte Posted on 21 Sep, 2015 07:26:19

„Wie können wir unsere sehr gute medizinische Versorgung angesichts des demografischen Wandels und des medizinischen Fortschritts auch zukünftig sichern?“ fragte der Herr Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe am 17. September auf seiner Facebook-Seite (https://www.facebook.com/groehe?fref=ts). „Darüber habe ich heute auf dem sehr gut besuchten gesundheitspolitischen Abend der Gesundheitsregion Saar in Saarbrücken gesprochen und mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus allen Bereichen des Gesundheitswesen intensiv diskutiert. …“

Unsereiner hat sich folgende Antwort erlaubt:

„Sehr geehrter Herr Minister,

darf ich Ihnen das für die Gesundheitsversorgung der Kassenpatienten relevante Gesetz, nämlich das SGB V, nahebringen. Sie sind zwar Jurist, aber offenkundig haben Sie es noch nicht durchgelesen:

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477)


⤠12 Wirtschaftlichkeitsgebot:

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. ‚

Sicher erinnern Sie sich an die Schule, in der in Noten ausgedrückt wird, was Wörter bedeuten. Also ‚ausreichend‘ (sh. Gesetz oben) ist Note „4“, ’sehr gut‘ (wie in ’sehr gute medizinische Versorgung‘) hingegen Note ‚1‘. Warum suggerieren Sie der Bevölkerung, dass eine medizinische Versorgung der Note 1 gewährleistet sei? Als ehemaliger Kassenarzt kann ich Ihnen erzählen, was passiert, wenn die Patienten sehr gut behandelt werden: Die Krankenkassen berufen sich auf obigen § 12 (1) SGB V und verlangen vom Arzt Geld zurück, z.B. für verordnete Medikamente. Das nennt sich Arzneimittelregress und betrifft in der Summe häufig Beträge jenseits der 10.000 €. Bitte modifizieren Sie Ihren obigen Text: ‚Wie können wir unsere ausreichende medizinische Versorgung angesichts des demografischen Wandels und des medizinischen Fortschritts auch zukünftig sichern? …'“



Geht´s noch dümmer???

Das Allerletzte Posted on 20 Jun, 2015 09:36:54

„Deutscher
Ärztedelegiertenmichel: Geht’s noch dümmer?“ – Ein provokanter
Einstieg, ich weiß. Aber interessant,
was sich in der Berichterstattung des Deutschen Ärzteblatts über
den jüngst „passierten“ Deutschen Ärztetag in Frankfurt/Main
zur bevorstehenden Reform der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte
(GOÄ) so alles findet…


So
titelt ein Aufsatz: „Es sieht gut aus!“ Einer
Meinung waren Ärzteschaft und Politik auch bei der Novellierung der
GOÄ.
„In einem zugegebenermaßen mühsamen Prozess haben wir mit dem
PKV-Verband eine neue GOÄ verhandelt“,
erklärte der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Frank
Walter Montgomery. Das sei ein gewaltiger Fortschritt, wenn man
bedenke, dass vor den segensreichen Verhandlungen 20 Jahre
vollständiger Stillstand geherrscht habe. „Es sieht gut aus“,
betonte Montgomery. Bundesminister Hermann Gröhe signalisierte seine
Kooperationsbereitschaft: „Wir haben jetzt noch Gespräche mit der
Beihilfe und der Koalition zu führen. Aber meine Position ist klar:
Das, was in der letzten Legislaturperiode mit der Gebührenordnung
der Zahnärzte gelungen ist, muss jetzt endlich auch mit
der GOÄ gelingen.“

Das wünscht sich der Minister!

Tja
nun: Was war denn mit der Zahnarzt-Gebührenordnung „gelungen“,
die 2012 die alte Version von 1988 abgelöst hat? Das gesamte
Honorarvolumen war laut Bundesgesundheitsministerium um 5,8 Prozent
angehoben worden. Bei einer aufsummierten Inflationsrate von 61
Prozent in den Jahren 1988 bis 2012. Da kristallisierte sie sich
heraus, die GOÄ-Perspektive für Ärzte! Klar, dass sich ein
Gesundheitsminister solch eine Gebührenordnungsreform wünscht.

Na,
werden Sie jetzt vielleicht denken, dem werden die Delegierten des
Deutschen Ärztetags in Frankfurt bestimmt die Meinung gegeigt haben,
oder? Dazu heißt es in einem anderen Artikel des Ärzteblatts: „Eine
neue GOÄ mit
kompletter Leistungsdarstellung und gewissen Möglichkeiten zur
Fortentwicklung ist schon ein Fortschritt“. Am Ende bestätigten
die Delegierten den Kurs der BÄK. So fand ein Antrag keine Mehrheit,
noch mehr Transparenz vom Verhandlungsführer der Ärzteschaft,
Theodor Windhorst, zu verlangen.“
(http://www.aerzteblatt.de/archiv/170749/Gebuehrenordnung-fuer-Aerzte-Die-Richtung-stimmt?src=search)

Transparenz
– nein danke?!! Geht’s noch dümmer? Wohl kaum! Konkret liest sich
ein Delegiertenantrag zur GOÄ-Reform folgendermaßen: „TOP VI:
Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer Titel: Inflationsausgleich
in der geltenden GOÄ aktuell notwendig Vorstandsüberweisung. Der
Beschlussantrag von Dr. Axel Brunngraber, Dr. Silke Lüder, Wieland
Dietrich, Christa Bartels, Dr. Susanne Blessing und Dr. Hans Ramm
(Drucksache VI – 71) wird zur weiteren Beratung an den Vorstand der
Bundesärztekammer überwiesen: Eine Novellierung der Amtlichen
Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) mit Anpassung an den
medizinischen Fortschritt und Herstellung eines Inflationsausgleichs
ist seit vielen Jahren überfällig. …“ (aus
http://www.bundesaerztekammer.de/aerztetag/aerztetage-ab-2006/118-deutscher-aerztetag-2015/beschlussprotokoll/)

Höchstens zehn Milliarden

Also,
wenn ich richtig lesen kann, wurde die Sache an den Vorstand der
Bundes-Ärztekammer überwiesen. Das suggeriert doch immerhin, es
werde sich des Problems dort angenommen, die Angelegenheit sei noch
nicht entschieden. Allerdings steht das im Deutschen Ärzteblatt
ganz anders: „Auch
Forderungen nach einem nahezu vollständigen Inflationsausgleich für
die vergangenen 32 Jahre wurden abgewiesen. Windhorst hatte
erläutert, was das die PKV kosten würde: „Glauben Sie mir, zehn
Milliarden Euro – mehr sind nicht drin.“ Wie schön, dass sich der
Verhandlungsführer der Ärzteschaft zumindest so gut in die
Interessen der PKV hineinversetzen kann, wenn er schon nicht erfasst,
dass die Forderung der Ärzteschaft zumindest nach einem
Inflationsausgleich nur recht und billig ist.

Zum
Schluss nur noch ein paar Fakten – so zum Nachdenken, Zeitraum 1996
bis Anfang 2015:


Prämienerhöhungen der PKV: Plus 54,7 Prozent (2013 und 2014
geschätzt: adaptiert nach der Inflationsrate bis 2014 und den Zahlen
zur durchschnittlichen Prämienentwicklung bis 2012; die
PKV-Prämienerhöhungen lagen im Durchschnitt 1996 bis 2012 jährlich
um 0,31 Prozent über der Teuerungsrate)


Bezüge der Abgeordneten des Deutschen Bundestages: Plus 49,0 Prozent


aufsummierte Inflationsrate: Plus 33,2 Prozent


GOÄ-Anpassung: Keine Veränderung


Rabatt der Ärzteschaft auf jede GOÄ-Rechnung im Durchschnitt seit
1996 bis dato (mangels Inflationsausgleich): Minus 16,7 Prozent.



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