Terminservicestellen für Facharzttermine – zurzeit als Thema ein „heißes Eisen“, an dem man sich durchaus die Finger verbrennen kann. Auch Cornelia Schmergal vom SPIEGEL zeigte sich überfordert. Dabei ist sie eine renommierte Journalistin, die ab und an sogar im ARD-„Presseclub“ Sonntags um zwölf ihre Meinung kundtun darf. Nun schimpft sie im SPIEGEL vom 16.01. auf Seite 76 unter der Überschrift „Warten aufs Warten“ auf die Ärztelobby: Die nämlich würde verhindern, dass die ab 23. Januar verpflichtenden Terminservicestellen zur Vermittlung von Facharztterminen innerhalb von vier Wochen funktionieren.

Zum einen, liebe Frau Schmergal: Wenn ein Patient wirklich dringend einen Termin brauchte, so hat er diesen auch bisher schon via „kleinem Dienstweg“ rasch bekommen: Anruf des Hausarztes beim Facharzt, Schilderung des Falles, und der Drops war gelutscht. Das hat deswegen immer gut funktioniert, weil der Hausarzt – durchaus im Unterschied zum Patienten – die wirkliche (!) Dringlichkeit in aller Regel gut einschätzen kann.

Eisernes Budget zwingt zum Sparen

Selbst Sie, sehr geehrte Frau Schmergal, haben das eigentliche Problem nicht verstanden: Die Medizin für Kassenpatienten ist rationiert, und das ändert sich auch durch die Einführung von Terminservicestellen nicht. Das Mittel zur Rationierung heißt „Honorarbudget“. Durch dieses Budget ist der niedergelassene Arzt in seinen Leistungen pro Quartal eingeschränkt, und zwar so arg, dass trotz aufgezwungener Sparmedizin zirka 15 Prozent aller ärztlichen Leistungen wegen Budgetüberschreitung nicht entlohnt werden.

Gratis arbeiten für hundert Prozent Verantwortung und Haftung? Da sagen die meisten Ärzte „Nein danke!“ und reduzieren ihre Arbeit „auf Kasse“ auf das Allernötigste. Was nicht unbedingt gleich erledigt werden muss und das Budget zu sprengen droht, wird aufs nächste Quartal verschoben. Und weil es bei Privatpatienten keine vom Staat aufoktroyierte Rationierung gibt, bekommen diese im Unterschied zu Kassenpatienten immer Termine.

Stadt oder Land – kein Unterschied

Auch die Mär, dass die Arztsitze „fehlverteilt“ seien, greifen Sie unreflektiert auf: Viele Fachärzte in der Stadt, wenige auf dem Land – ergo lange Wartezeiten besonders auf dem Land. Machen Sie den Test und rufen in einer Großstadt in einer neurologischen Praxis an. Berichten sie über die typische Symptomatik eines Carpaltunnelsyndroms. Eine Erkrankung, die immerhin fünf Prozent der Bevölkerung betrifft.

Sie geben vor, Kassenpatientin zu sein. Seit einem halben Jahr würden ihnen nachts die Finger einschlafen, allmählich kämen Schmerzen dazu, Ihr Hausarzt meint, Sie sollen zum Neurologen. Und: wie viele Wochen oder gar Monate müssen Sie warten? Sie können anschließend gern die Gegenprobe „auf dem Land“ machen. Das Ergebnis für Kassenpatienten wird sich wenig unterscheiden. Das wahre Problem heißt eben Quartalsrationierung der Arztleistung und nicht Fehlverteilung der Praxen.

50 Euro „Miese“ pro Termin

Was kostet eigentlich die von Ihnen gepriesene Terminvermittlung via Terminvergabestellen die Kassenpatienten, die mit ihren Beiträgen letztlich diesen „Service“ finanzieren? Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen weiß es, denn dort wird das System seit einem Jahr getestet. In einem Interview vom 20.12.2015 äußert sich der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsens zu den Terminservicestellen (Quelle: http://www.facharzt.de/content/red.otx/187,163797,0.html)

Insgesamt
haben Sie in diesem Jahr rund 2.000 Termine vermittelt. Wie viel hat
das pro Termin gekostet?

Wenn man die Kosten für die vier Mitarbeiter, die zusammen 2,2 Stellen inne haben, und die vorgehaltene Technik gegenrechnet, werden da knapp 50 Euro zusammenkommen. Das ist natürlich Geld, das man lieber den Ärzten geben könnte. Andererseits muss man sehen, dass ohne diese Steuerung langfristig vermutlich noch höhere Kosten entstehen würden.“

50 Euro Kosten also pro vermitteltem Termin. Eine bemerkenswerte Zahl, wenn man sich vor Augen hält, dass die Facharztgruppe GOUDA (Gynäkologen, Orthopäden, Urologen, Dermatologen, Augenärzte) von der Kassenärztlichen Vereinigung für das Vierteljahr pro Patient, der auch wirklich beim Arzt ist, ein Budget zwischen 20 und 30 Euro Umsatz (!) zugeteilt bekommt, mit dem die Fachärzte finanziell auskommen müssen.

Wartezeit wird länger

Liebe Frau Schmergal, auf manch anderen Unsinn in Ihrem Artikel will ich gar nicht eingehen (z.B. die KV – als Körperschaft des öffentlichen Rechts!! – sei die Lobbyvertretung der Ärzte). Unsereiner als Ex-Kassenarzt hat sich bei der Lektüre dieser Zeilen halb buckelig gelacht. Eine konkrete Folge der Terminvergabestellen kann ich Ihnen jetzt schon prophezeien: Die Wartezeiten auf die eigentliche Untersuchung und Behandlung werden sich – außer in dringlichen Fällen – verlängern! Der Patient wird zwar binnen vier Wochen seinen Termin bekommen. Der Facharzt wird dann allerdings des Öfteren feststellen, dass die Erkrankung für den Patienten zwar lästig, aber nicht bedrohlich ist, und den Hilfesuchenden des Honorarbudgets wegen in das nächste Quartal verschieben.

Unter uns: Qualitätsjournalismus sieht anders aus: Er verlangt nach gründlicher Recherche. Aber Sie sind sicher lernfähig. Und falls Sie wirklich wissen wollen, was im System der gesetzlichen Krankenversicherung abgeht, dann empfehle ich Ihnen das Buch „Der goldene Skalp“ der Publizistin Renate Hartwig. Allerdings ist zu viel Durchblick auch wieder schlecht: Darunter leiden die altbewährten Vorurteile …