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Das kranke Gesundheitssystem

Anregung und Kritik erwünscht

Als steter Streiter gegen ein in meinen Augen ungerechtes Gesundheitssystem, dessen Gewinner die Krankenkassen und dessen bedauerliche Opfer die Patienten sind, freue ich mich über jede Form von Zustimmung, Ratschlag, Anregung oder Kritik. Ich wünsche mir nur, dass bei aller nachvollziehbarer Emotion der gute Ton in schriftlichen Beiträgen die erste Geige spielt.

Dr. Christian Nunhofer

Des Ministers Lügen und die Folgen

Das Allerletzte Posted on 19 Mai, 2017 08:00:42

Ja, da haben wir ihn nun, den von kriminellen Erpressern verursachten IT-Supergau mit dem Supervirus, der in Great Britain das halbe Gesundheitssystem lahm gelegt hat – und weltweit etliche Rechner dazu. Vom FBI bis zum russischen Innenministerium. Zweck: Lösegeld-Erpressung für die Freigabe eines Entschlüsselungs-Codes.

Minister faselt von bestmöglichem Schutz

Und was sagt der Herr Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, CDU, zur Digitalisierung im Gesundheitswesen: „Digitale Vernetzung kann Leben retten und stärkt die Patienten. Dafür schaffen wir mit dem E-Health-Gesetz die entscheidende Grundlage.

Gemeinsam mit der Bundesdatenschutzbeauftragten und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik konnte ein System entwickelt werden, das bestmöglichen Schutz der hochsensiblen Patientendaten bietet. Jetzt sind Selbstverwaltung und Industrie am Zug.

Ich erwarte von allen Beteiligten entschlossenen Einsatz, damit der Nutzen der Telematik schnell den Patienten zugutekommt. Verzögerungen durch interessenpolitisches Klein-Klein darf es nicht mehr geben.“

Schweigen über die Toten

Was die paar aktuellen IT-Toten in England angeht, die es in der Folge des EDV-Kollapses jetzt gibt – dazu wird Herr Gröhe sicher schweigen. Er und die seinen behaupten ja gerne, die Ärzte seien IT-feindlich. Warum wohl? Eine solche Anhäufung von High-Tech-Geräten wie in Arztpraxen wird man in den meisten Privatunternehmen nicht finden. Technikfeindlichkeit kann man Ärzten deshalb wohl kaum unterstellen.

Lassen Sie mich das obige Gröhe-Zitat ein wenig umformulieren, um der offensichtlichen Wahrheit etwas näher zu kommen: „Digitale Vernetzung kann zwar nicht Leben retten, aber stärkt die IT-Industrie. Dafür schaffen wir mit dem E-Health-Gesetz die entscheidende Grundlage.

Gemeinsam mit der Bundesdatenschutzbeauftragten und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik konnte ein System entwickelt werden, das einen gewissen, aber keinen ausreichenden Schutz der hochsensiblen Patientendaten bietet. Jetzt sind Selbstverwaltung und Industrie am Zug.

Ich erwarte von allen Beteiligten entschlossenen Einsatz, damit der Nutzen der Telematik schnell den Politikern in Form von Aufsichtsrats- und Managerposten in der IT-Industrie zugute kommt. Verzögerungen durch interessenpolitisches Klein-Klein darf es nicht mehr geben.“

Lieber offline als angreifbar

Meine Praxis ist seit geraumer Zeit offline, will heißen: Die Computer der Praxisverwaltung mit all den sensiblen Patientendaten sind zwar miteinander verbunden, haben aber keinen Internetanschluss. Meine Daten kann schlicht mangels technischer Verbindung zum Internet niemand hacken. Für den Internetzugang gibt es zwei separate Rechner, die aber mit meinem Intranet nicht verschaltet sind.

Die aktuellen Erfahrungen lassen nur eine Forderung zu: Ein Gesetz muss her, das alle Krankenhäuser und Praxen verpflichtet, sämtliche Rechnersysteme mit Patientendaten vom Internet zu trennen. Schluss mit dem Unfug, hochsensible Patientendaten zwischen Krankenhäusern, Praxen, Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen per Internet hin- und herzuschicken! Wer sich in der IT-Welt verletzlich macht, der wird verletzt!

Der Wettlauf zwischen Verschlüsselungsgenies und Hackern wird immer offen bleiben, ein sicheres Internet wird es nie geben. Es wird Zeit, dass die Politik der Intimität des Arzt-Patienten-Verhältnisses wieder den Vorrang einräumt vor der Geldgeilheit der IT-Industrie und der Politiker-Gier nach eigenen Aufsichtsrats- oder künftigen Managerposten in der Wirtschaft!



Transparenz hilft gegen Abkassierer

Das Allerletzte Posted on 07 Mai, 2017 07:08:38

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sicher sind wir uns darin einig, dass in den letzten Jahrzehnten berufspolitisch nichts, aber auch gar nichts im Sinne der niedergelassenen Ärzte gelaufen ist.

Bei gesetzlich Krankenversicherten tragen die Kassenärzte absurderweise einen Teil der Krankheitskosten mit. Obwohl jedem Kassenarzt klar ist, dass die Honorierung für die Kassenmedizin pro Quartal durch das „Honorarbudget“ begrenzt ist und deswegen jeder Kassenarzt so sparsam wie möglich untersucht und behandelt, werden dennoch durchschnittlich zirka 15 Prozent der erbrachten Arztleistungen wegen Budgetüberschreitung nicht ausbezahlt.

Wie würde der Friseur reagieren?

Befremdlich mutet es an, dass das Morbiditätsrisiko – also das Risiko für die Krankheitskosten – damit teilweise bei den Ärzten liegt. Wie wohl die Autowerkstatt, der Friseur oder der Steuerberater reagieren würden, wenn Sie deren Rechnungen jedes Mal wegen „zu gründlicher Arbeit“ routinemäßig um 15 Prozent kürzen würden?

Status Quo seit 21 Jahren

Bei den Privatpatienten rechnen die Ärzte inzwischen nach einer Gebührenordnung ab, die seit 21 Jahren nicht mehr angepasst wurde. Das EKG heute kostet auf den Pfennig resp. Cent genau so viel wie 1996. Und wie haben sich die Löhne und Gehälter seit 1996 entwickelt? Die Honorare der Steuerberater, Rechtsanwälte, Notare und Architekten?

Die Bezüge der Bundestagsabgeordneten sind in diesem Zeitraum jedenfalls um 51,7 Prozent gestiegen, die Teuerungsrate um 33,6 Prozent. Für die Privatrechnungen der Ärzte bedeutet dies, dass das EKG für den Privatpatienten heute um 33,6 Prozent weniger wert ist als 1996.
Die Auswirkungen der fehlenden Angleichung für die Jahre seit 1996 lassen sich errechnen: Im Durchschnitt war jede Privatrechnung von 1997 bis 2016 um 16,0 Prozent weniger wert als eine solche im Jahr 1996.

Wer setzt sich für Mediziner ein?

Wer vertritt denn eigentlich die Interessen der Mediziner? Zum einen behaupten das von sich jene ärztlichen Standesorganisationen, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert sind:

– die Landesärztekammern und deren Arbeitsgemeinschaft: die Bundesärztekammer
– speziell für die Kassenärzte die Kassenärztlichen Vereinigungen und deren Bundeszusammenschluss: die Kassenärztliche Bundesvereinigung

Zum anderen gibt es zahlreiche ärztliche Berufsverbände, die zu den erwähnten Körperschaften des öffentlichen Rechts eine ähnliche Funktion haben wie politische Parteien für die Parlamente: sie entsenden durch Wahlen Vertreter in diese Organisationen und versuchen sich auch sonst politisch Gehör zu verschaffen.

„Totalversagen“ ist keine Übertreibung

Am bekanntesten sind wohl der Marburger Bund (der die Interessen der Klinikärzte vertritt) und der Hartmannbund (das Pendant für die Niedergelassenen). Im niedergelassenen Bereich existieren allerdings noch etliche andere Berufsverbände, zum Beispiel für einzelne Fachrichtungen etc. etc.

Aufgrund der eingangs geschilderten, höchst unbefriedigenden, aber seit mehreren Jahrzehnten andauernden Zustände für die niedergelassenen Ärzte kann man allerdings ohne Übertreibung ein Totalversagen jedweder Interessenvertretung konstatieren. Die Folgen sind inzwischen deutlich spürbar: Die Niederlassung ist inzwischen so unattraktiv, dass den Schritt in die Selbständigkeit nur noch jene jungen Kollegen tun, die sich vorher nicht genau darüber informiert haben, worauf sie sich da einlassen. Der Mangel an Hausärzten ist in inzwischen in aller Munde.

Ein bürokratisches Schelmenstück

Für die Fachärzte sah sich das Bundesgesundheitsministerium genötigt, Terminservicestellen einzurichten. Gerade so, als ob dadurch die Zahl der Termine zunehmen würde: ein echtes bürokratisches Schelmenstück!

Allem Gerede vom „Jammern auf hohem Niveau“ bei der Ärzteschaft und sonstigen Ablenkungserklärungen zum Trotz verdeutlicht meine Analyse für den Kassen- und Privatpatientenbereich: Ein wesentlicher Teil des Ärztemangelproblems ist schlicht tatsächlich die unangemessene Bezahlung der niedergelassenen Ärzte.

Können oder wollen sie nicht?

Jetzt die Gretchenfrage: Warum schaffen es die oben erwähnten Körperschaften und auch die zahlreichen Berufsverbände nicht, politischen Druck aufzubauen? Und zwar seit langen Jahren nicht? Selbst jetzt nicht, wo die Bevölkerung den Mangel bereits deutlich spürt? Die Berufsverbände reden, posten, analysieren – und erreichen NICHTS! Schon seltsam, oder??

Meine Meinung ist, dass Körperschaften und Berufsverbände – die miteinander verbandelt sind wie Parteien und Parlament – überhaupt nichts verändern WOLLEN. Der veränderungsfreie Verlauf all der Jahre spricht für diese schlichte These. Man beabsichtigt offensichtlich, nur etwas Wind zu machen, der das ärztliche Basisvolk in den Glauben versetzt, seine Interessen würden wahrgenommen.

Eine Hand wäscht die andere

De facto aber nehmen die Damen und Herren Standesvertreter in den Körperschaften vor allem ihre eigenen Interessen und die Interessen derer wahr, die die Gegenspieler der Ärzteschaft sind – und lassen sich von diesen auch bezahlen. Sie agieren als U-Boote für die Gegenspieler der Niedergelassenen. Und wie funktioniert dafür die Bezahlung? Durch Beraterverträge, Gutachtensaufträge etc. pp.

Wenn Sie jetzt denken, ich würde mafiöse Strukturen vermuten, liegen Sie richtig. Zum üblen Spiel gehört natürlich auch, dass eine Hand die andere wäscht. Wer weiß, wen die Körperschaften mit Beraterverträgen, Gutachten und sonstigen geldwerten Vorteilen beglücken, um an dem Dummhaltespielchen der Ärzteschaft teilzunehmen?

Vorschläge zur Abhilfe

Abhilfe? Transparenz! Die Vollversammlung des nächsten Deutschen Ärztetages sollte Beschlüsse fassen:

1. Die in den Kammern und Kassenärztlichen Vereinigungen aktiv tätigen Ärzte sollen sämtliche Einkünfte aus Beratung, Gutachten etc. der letzten zehn Jahre inklusive der laufenden offenlegen, die nicht unmittelbar einen ärztlichen Sachverhalt zum Gegenstand hatten und außerdem Auftraggeber und Höhe der Vergütung nennen.

2. Die Kammern und Kassenärztlichen Vereinigungen sollen kund tun, an wen und wofür sie in den letzten zehn Jahren in welcher Höhe Beratungshonorare, Gutachtenshonorare oder sonstige Gelder bezahlt haben oder immer noch bezahlen. Wer dem nicht nachzukommen bereit ist, soll von seinen Ämtern zurücktreten.

Vielleicht verschafft ja schon dieser Aufsatz etwas Erhellung? Meine Bitte an Sie ist, ihn zu verbreiten. Die Reaktion von manch ärztlichem Standesfunktionär dürfte aufschlussreich sein: Totstellreflex oder sich einsetzen für meinen Vorschlag? An der Stelle dürfen Sie selber weiterdenken …



Wirtschaft brummt mit dem Bürger

Das Allerletzte Posted on 14 Apr, 2017 08:52:41

Was hat die Begrenzung von Manager-Bezügen mit den Einkommen niedergelassener Ärzte zu tun?

Vorweg ist eines klar: Je mehr dem bundesdeutschen Michel brutto in der Tasche bleibt, desto mehr hat er für sinnvolle medizinische Leistungen zur Verfügung. Ob er diese direkt aus eigener Tasche finanziert, sich Zusatzversicherungen leistet, über die Beitragsbemessungsgrenze kommt und so von der gesetzlichen in die private Versicherung wechselt – das ist sekundär. Er tut aktiv etwas gegen die Mangelversorgung, die ihm als GKV-Standard angeboten wird.

Wirtschaft brummt nach wie vor

Nun ist uns Deutschen früher, zu Zeiten der DM bei brummender Wirtschaft – also in Phasen wie der momentanen – tatsächlich mehr Geld geblieben: Unsere Mark wertete auf, und zwar ganz von selbst. Das hat der Devisenhandel sozusagen automatisch erledigt. Damit wurden die Importe billiger. Der „edle Bordeaux“ kostete weniger, ebenso der modische Schuh aus Italien – und der Urlaub in Spanien wurde zum Schnäppchen. Aber dieser Regulations-Mechanismus ist zu Zeiten des Einheits-Euro in all diesen Ländern dahin.

Hm – gibt es denn gar keine andere Möglichkeit, diesen Effekt irgendwie national wiederherzustellen, selbst bei einer Einheitswährung? Doch doch, den gibt es. Es bräuchte die Disziplin seitens der Arbeitgeber, die Gewinne der brummenden Wirtschaft zu einem angemessenen Anteil auch an die Arbeitnehmer weiterzugeben, sprich: die Löhne in den Tarifverhandlungen ordentlich zu erhöhen.

Dann hätten die Arbeitnehmer mehr Geld in der Tasche, könnten sich nicht nur den edlen Bordeaux, die modischen italienischen Schuhe und den Urlaub in Spanien, sondern auch etliche Produkte der heimischen Wirtschaft sowie …sinnvolle Arztleistungen gönnen.

Erfolgs-Beteiligung hat nicht funktioniert

In der Vergangenheit hat diese finanzielle Mitbeteiligung des Bürgers am Erfolg der Wirtschaft allerdings nicht funktioniert. Es gibt eine Maßzahl für die Ungleichheit der Vermögensverteilung in der Bevölkerung: den Gini-Index. Je höher dieser ist, desto ungleichmäßiger wird das Vermögen in der Bevölkerung verteilt.

Und wissen Sie noch, was der Median ist? Im Unterschied zum arithmetischen Mittelwert? Der Median ist der Mittelwert aus der niedrigsten und höchsten einzelnen Abweichung. Beispiel: Eine Schulklasse mit 20 Schülern schreibt eine Arbeit mit folgendem kuriosen Ergebnis: 19 Mal „1“, ein Mal „6“. Median: (1+6)/2 = 3,5. Mittelwert = Notendurchschnitt = (19×1 + 1×6)/20 = 1,25.

In diesem Zusammenhang sehen Sie sich bitte folgende Tabelle an:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_Verm%C3%B6gensverteilung

Der Gini-Index ist umso größer, je weiter Mittelwert und Median des Vermögens in einer Bevölkerung auseinanderliegen. Ein hoher Gini-Index bedeutet also, dass das Vermögen in der Bevölkerung sehr ungleichmäßig verteilt ist. Mir fallen in dieser Tabelle ein paar interessante Fakten auf.

Man fühlt sich vera…

Von Frankreich, Italien und Deutschland (den drei großen „Überbleibern“ in der EU nach dem Brexit) haben die Deutschen mit Abstand das geringste Durchschnittsvermögen pro Kopf der Bevölkerung. Dennoch sind wir die Nettozahler in die EU. Merkwürdig, oder?

Italien hat vor kurzem wortreich und gegen die EU-Regeln erklärt, dass es dem armen italienischen Anteilseigner nicht zuzumuten sei, die insolvente Bank „Monte dei Paschi“ mit Mitteln aus seiner Privatschatulle zu retten. Da müsse schon der italienische Staat einspringen.

Da dieser aber bekanntlich pleite ist, wird das Problem sicher an die EU delegiert, ein Rettungsschirm aufgespannt, den dann vor allem der größte EU-Nettozahler – also der deutsche Michel – zu finanzieren hat. Bitte vergleichen Sie nochmal, was der Francesco und der Fritz so durchschnittlich auf der hohen Kante liegen haben. Fühlen Sie sich jetzt auch vera…?

Tendenzen in der Umverteilung

Besonders interessant ist der Gini-Index. Er zeigt, wie gleichmäßig das Geld verteilt ist, und im Vergleich von 2000 zu 2015, ob die Umverteilung von unten nach oben zu- oder abgenommen hat.

In Deutschland hat selbiger Index von 66,7 auf 77,5 schwer zugelegt, womit belegt ist, dass die deutschen Regierungen in diesem Zeitraum eifrig dabei waren, Vermögen von unten nach oben umzuverteilen. Das Merkelsche „Es ging uns noch nie so gut wie heute“ stimmt – für die Kreise, in denen Madame eben verkehrt.

Die Franzosen hingegen haben es tatsächlich geschafft, selbigen Index von 73,0 auf 70,3 etwas zu drücken. Wege dazu: höhere Löhne, 35-Stunden-Woche. Aber der Preis! Frankreich ist nicht mehr konkurrenzfähig im Vergleich zu den von unten nach oben umverteilenden Deutschen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Soziale Unruhen und das nahe politische Ende des sozialistischen Präsidenten Hollande sind die Folge.

Kein Geld trotz Vollbeschäftigung

Übrigens: auch andere Länder murren über das deutsche Lohndumping. Mir hat es eine Tschechin letztes Jahr in Prag direkt gesagt: „Wir Tschechen haben fast Vollbeschäftigung, aber weil wir mit den Preisen noch unter euch Deutschen bleiben müssen, können wir uns von unseren Löhnen fast nichts leisten.“

Abhilfe? Tja, wenn die Löhne der leitenden Angestellten der Großkonzerne, also der Manager, an die Mindestlöhne gekoppelt wären, dann würden sicher manche Tarifverhandlungen anders laufen. Und Bonuszahlungen? Ja, o.k., aber dann bitte prozentual an alle, vom Pförtner bis zum Chef. Und wenn mehr Lohn unterhalb der Vorstandetagen ankommen würde, dann stünde auch wieder mehr Geld für eine vernünftige medizinische Versorgung zur Verfügung.



Des Ministers bedenkliche Idee

Das Allerletzte Posted on 05 Jul, 2016 06:02:26

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe fordert von den Kassenärztlichen Vereinigungen in forschem Ton „größere Anstrengungen zur Behebung des Hausärztemangels“. Man solle die gesetzlichen Möglichkeiten nutzen und gezielt Anreize für die Niederlassung von Ärzten schaffen. Etwa durch Zuschüsse für die Praxis-Neueröffnung, Stipendien für angehende Landärzte oder die Förderung flexibler Arbeitszeitmodelle. Das meldete der Ärztliche Nachrichtendienst (änd) aus Hamburg in seinem Internetforum „Hippokranet“ am 3. Juli 2016.
Wessen Geld ist
es eigentlich, das Gröhe da so großzügig nach Gutsherrenart verteilt wissen will? Die finanziellen Mittel der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) stammen von den gesetzlichen Krankenkassen. Diese haben es an die KVen zur Behandlung ihrer Versicherten überwiesen. „Mit befreiender Wirkung“. Im Klartext: mehr gibt’s nicht. Egal, ob eine Grippewelle tobt oder nicht.

Woher sollen die Mittel kommen?

Dass die überwiesenen Summen die ärztlichen Leistungen Quartal um Quartal nur zu etwa 85 Prozent decken, also 15 Prozent aller ambulanten Arztleistungen nicht honoriert werden („Budgetüberschreitung“), habe ich in diesem Blog schon des Öfteren beklagt und angeprangert. Aber dass von diesem eigentlich gar nicht vorhandenen „Vermögen“ Ärzte jetzt zusätzlich etwas zur Nachwuchsförderung abzweigen sollen, ist mit den Kassen schon gar nicht ausgemacht. Dieses Geld würde nämlich für die Behandlung der gesetzlich versicherten Patienten fehlen.

Warum gibt es eigentlich einen Ärztemangel? Zur Erinnerung vorweg ein paar Fakten, entnommen aus meinem Blogbeitrag vom 21.04.2015, übertitelt „Ärztebashing ist erst der Anfang“:

„Notizen aus der Provinz: ‚Gehen uns die Ärzte aus?‘ lautete neulich die Frage irgendwo auf dem flachen fränkischen Land beim Diskussionsabend zu eben diesem Thema. Gleich zu Beginn wollte jemand aus dem Publikum vom Herrn aus dem Bayerischen Gesundheitsministerium wissen, wie sich denn die Zahl der Medizin-Studienplätze entwickelt habe? „Das habe ich nicht parat, aber …“ sprach der Beamte und leitete einen etwa zehnminütigen, diffusen Monolog ein, in dem er viel sprach aber nichts sagte. Nach dem verwirrenden Sermon konnte unsereiner die gewünschte Antwort liefern: 1989 – im letzten Jahr vor der Wiedervereinigung – gab es in der BRD West 85.901 Medizinstudenten. Es folgte die Wiedervereinigung, mit ihr kamen acht ostdeutsche medizinische Fakultäten dazu und die Zahl der Einwohner stieg von etwa 60 Millionen in Deutschland West auf ungefähr 80 Millionen in Gesamtdeutschland. Die Zahl der Medizinstudenten hingegen sank (!) in Gesamtdeutschland bis zum Wintersemester 2007/08 auf 78.545. Zum Wintersemester 2013/14 war sie allmählich auf 86.376 angestiegen und befand sich damit in etwa auf dem westdeutschen Niveau vor dem Mauerfall. …
Auf die Frage, weswegen denn die Zahl der Medizinstudenten so stark reduziert worden sei, wusste niemand eine Antwort. Meine Erläuterung: Ein einziger angehender Mediziner kostet den Staat bis zum Ende seines Studiums 180.000 bis 200.000 Euro. Ein Jurist hingegen nur 20.000 bis 25.000 Euro. Die Priorität, die der ’schwarzen Null‘ in den Haushalten eingeräumt wird, kann Menschenleben kosten, was billigend in Kauf genommen wird.“

Den Nachwuchs in die Falle locken

Fassen wir zusammen: Die Politik hat wegen der hohen Kosten an Medizinstudienplätzen gespart, der Ärztemangel macht sich immer drastischer bemerkbar. Was fällt dem Herrn Minister ein, wenn ihm nur einfällt, niedergelassene Ärzte, die sowieso im Durchschnitt 15 Prozent der Behandlung der Kassenpatienten pro Quartal nicht erstattet bekommen, anzuweisen, rasch zusätzliches Geld aus einem leeren Honorartopf zu zaubern und damit ihr eigenes, markant beschnittenes Salär weiter zu mindern? Beachtliche Summen sollen sie investieren, um Nachwuchskollegen in die Niederlassungsfalle zu locken, damit diese in naher Zukunft gemeinsam mit jenen „Rattenfängern“ die Situation der Mangelbezahlung verfluchen.

Auf den Punkt gebracht: Vom Staat eh schon geprellte Mediziner müssen für die Folgekosten einer verfehlten Medizinstudienplatz-Sparpolitik büßen.
Sagen Sie mal, Herr Minister: Geht’s noch? Wenn Sie wirklich zu Ihren Worten stehen, würde ich Ihnen dringend empfehlen, sich in Berlin vertrauensvoll an einen meiner Fachkollegen zu wenden. Wir alle sind mit dem Schicksal bedauernswerter, an eklatanter Realitätsverkennung leidender Menschen bestens vertraut und wissen, wie man helfen kann. In Ihrem speziellen Fall tippe ich allerdings darauf, dass nicht von Realitätsverkennung, sondern von Infamie auszugehen ist.

Ein Appell an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Gröhes Äußerungen machen einmal mehr deutlich, was die KV ist und was sie nicht ist: ein Instrument zum Ge- respektive Missbrauch durch die Politik, ein Gängelungsapparat für Ärzte, irrsinnigerweise von diesen selbst finanziert und von überwiegend skrupellosen Medizinern geleitet, die sich ihr Gewissen für unverschämt überzogene Funktionärsbezüge abkaufen lassen. Aber eine Interessenvertretung der Ärzte – das ist die KV nicht! Lassen Sie uns alles daran setzen, um diese Institution endlich abzuschaffen! Und wünschen wir Herrn Gröhe kollektiv entweder „Gute Besserung“ oder Reue und Einsicht!



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