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Das kranke Gesundheitssystem

Anregung und Kritik erwünscht

Als steter Streiter gegen ein in meinen Augen ungerechtes Gesundheitssystem, dessen Gewinner die Krankenkassen und dessen bedauerliche Opfer die Patienten sind, freue ich mich über jede Form von Zustimmung, Ratschlag, Anregung oder Kritik. Ich wünsche mir nur, dass bei aller nachvollziehbarer Emotion der gute Ton in schriftlichen Beiträgen die erste Geige spielt.

Dr. Christian Nunhofer

Sinnlose „Studie“ verunglimpft Ärzte

Von Kranken und Kassen Posted on 12 Jan., 2016 06:58:04

Selbst die alt-ehrwürdige Verbraucherzentrale Hamburg leistet sich grobe Schnitzer: Am 6. Januar wurden die Ergebnisse einer Untersuchung über die Qualität der neurologischen Versorgung in Deutschland veröffentlicht. Überschrift: „‚Sie haben Parkinson, das sehe ich Ihnen an den Augen an – Erlebnisse einer Patientin bei 15 Neurologen“. Eine Kassenpatientin im Anfangsstadium einer Parkinson-Erkrankung suchte zusammen mit einer Begleiterin neurologische Praxen auf, um sich untersuchen, beraten und behandeln zu lassen. Genauer nachlesen kann man das Ganze unter: http://www.vzhh.de/gesundheit/432910/parkinson-diagnose-in-fuenf-minuten.aspx

Sinn und Zweck solcher Tests ist es, herauszufinden, was Mediziner bei Patienten versäumt haben oder besser machen könnten. Deshalb wird eine Checkliste erstellt, anhand deren „Abarbeitung“ die Qualität der ärztlichen Leistung beurteilt wird. Leider fehlt mir in bezug auf die genannte „Studie“ eine Gesamtnote, wie sie die Verbraucherzentrale für Testuntersuchungen bei anderen Arztgruppen bereits vergeben hat: „Neben den Neurologen haben wir in den zurückliegenden Monaten auch Dermatologen (Durchschnittsnote: 3,0), Augenärzte (3,5), Allgemeinmediziner (3,6), Orthopäden (3,9), Zahnärzte (3,8) und plastische Chirurgen (4,2) überprüft – teils mit enttäuschenden Resultaten und hohen Durchfallquoten.“

Mehr als ausreichend darf es nicht sein

Jetzt kommt’s: Die für Kassenpatienten gültige Rechtsvorschrift ist das 5. Kapitel des Sozialgesetzbuchs, kurz SGB V. Das SGB V regelt in § 12: Wirtschaftlichkeitsgebot:
(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

„Ausreichend“ müssen die Leistungen also sein, in Schulnoten ausgedrückt: „4“. Mehr darf die Kasse nicht vergüten – und mehr vergütet sie auch nicht. Damit die Ärzte wirklich nicht besser als „4“ arbeiten, ist die ärztliche Leistung budgetiert, will heißen: Jeder Arzt hat pro Patient und Quartal nur einen sehr geringen Betrag zur Verfügung, mehr wird nicht bezahlt. Kassenmedizin ist rationiert – und zwar so stark, dass der deutsche „Durchschnittsarzt“ pro Quartal 15 Prozent über seinem Budget arbeitet, also 15 Prozent seiner abgerechneten Arztleistungen schlicht und einfach nicht erstattet bekommt. Dabei haben Kassenärzte das Budget mit dem dadurch für die Patientenversorgung aufgezwungenen Minimalprogramm andauernd vor ihrem inneren geistigen Auge.

Absurde Maßstäbe angelegt

Was also sagen uns die oben zitierten Noten für die verschiedenen Berufsgruppen? Die Dermatologen arbeiten besser als wirtschaftlich erlaubt, die Kollegen anderer Fachgruppen halten sich mehr oder minder an die gesetzlichen Gegebenheiten. Ein Neurologe, der die Checkliste der Verbraucherzentrale Hamburg weitgehend abgearbeitet hätte, hätte mit der Note „1“ schlicht gegen das gesetzlich vorgegebene Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen.
Wie würden Sie es finden, wenn die Hamburger Verbraucherzentrale Imbissbuden testen und dabei die Maßstäbe eines Sterne-Restaurants anlegen würde? Richtig: absurd! Genauso absurd sind der Parkinson-Check und sämtliche ähnlich gestrickten Ärztetests.



Kapitalismus oder „DDR-light“?

Von Kranken und Kassen Posted on 03 Jan., 2016 06:51:38

Die Zukunft des Gesundheitswesens: Turbo-Kapitalismus – oder „DDR light“?
Beide Annahmen stimmen, wenn man das gute alte volkstümliche (und gastroenterologische) Sprichwort zugrunde legt, das da lautet: „Wichtig ist, was hinten rauskommt!“
Ärzte und Patienten erleben und erleiden eine fatale Entwicklung im Gesundheitssystem – und zwar hier und jetzt! In einer Turbo-Kapitalismus-Variante, der die Politik durch Quasi-Sozialismus den Boden bereitet. Das Rezept mit einseitig erwünschten Nebenwirkungen: Einheits-Billig-Versorgung für alle, damit für die Bonzen möglichst viel übrig bleibt.

Gegen solche Tendenzen half noch immer ein solider Mittelstand. Das haben Turbo-Kapitalisten vom Schlage eines Eugen Münch erkannt. Eugen Münch? Das ist jener gelernte Müller und studierte Betriebswirt, der die „Rhön-Klinikums-GmbH“ gründete, später in eine Aktiengesellschaft umwandelte und so zum Multimillionär wurde. Erfolgsmenschen dieses Kalibers sind natürlich als Einflüsterer bei Politikern begehrt und suggerieren unserer Polit-Mediokritas dann, dass es den Quasi-Sozialismus braucht im medizinischen Versorgungssystem.

Fertige Lösungen im Angebot

Wegen zwei Effekten: Erstens macht es all die großen und kleinen Münchs im System für die Politiker unverdächtig. Wer eine gute medizinische Versorgung für den kleinen Mann zu wollen heuchelt, wird zuerst einmal als Wohltäter der Menschheit angesehen, auf den zu hören für gewählte Volksvertreter ratsam ist. Und das umso mehr, weil diese Typen ihre eigene Pseudowissenschaft „Gesundheitsökonomie“ erfunden haben und als Gesundheits-Ökonomen von eigenen Gnaden dann gestressten Politikern das Nachdenken über das ach so komplexe System abnehmen. Geliefert werden fertige Lösungen!

Wenn dann, zweitens, die Hörigkeit der Politik gegenüber den Turbo-Kapitalisten und den von ihnen bezahlten Gesundheitsökonomen groß genug ist, lässt es sich beinahe mühelos auf die Politik einwirken. Die lästigen Ertragsbremser für Medizinkonzerne, diese selbstständigen Ärzte, werden langfristig „hinweg-eliminiert“. „Den Hausarzt vor Ort wird es in Zukunft nicht mehr geben“, konstatierte Münch im März 2015 auf einem Gesundheitskongress in Köln. Tja, denkt sich unsereiner: Ist es aus Sicht der Gesundheitsökonomen tatsächlich besser, statt Praxen mit selbständigen Ärzten Medizinische Versorgungszentren mit einem Dutzend angestellter Ärzte einzurichten?

Risiko-Patienten? Nein Danke!

Diese MVZ’s wären praktischerweise in der selben Trägerschaft wie das benachbarte Krankenhaus und würden dort zuverlässig die Klinikbetten durch Einweisung nach Bedarf füllen. Was wie und in welchem Umfang behandelt wird, bestimmt selbstverständlich die Verwaltungsleitung – im MVZ wie in der Klinik. Bloß nichts annehmen, was sich unter dem Strich als Draufzahlgeschäft erweisen könnte! Risikopatienten – nein danke! Dafür gibt es schließlich noch die Krankenhäuser in öffentlicher oder kirchlicher Trägerschaft. Die müssen schließlich Aktionären keine Gewinne präsentieren!

So resultiert für die Turbo-Kapitalisten eine maximale Gewinnspanne: Bei Billig-Versorgung für den deutschen Durchschnittsmichel bleibt für die großen Haie am Ende der Nahrungskette umso mehr über: Eugen Münch hat’s vorgemacht. Und darin sind sich tatsächlich Kommunismus und Kapitalismus gleich: Eine abgehobene Führungskaste ganz weit weg vom Rest der Menschheit lässt es sich gut gehen auf Kosten von Otto Normalverbraucher. Turbo-Kapitalismus für „die da oben“ und „DDR light“ für den deutschen Durchschnittsmichel.



Schluss mit dem Gewinnstreben!

Von Kranken und Kassen Posted on 10 Nov., 2015 04:42:31

Kommerz macht krank, zumindest im Krankenhausbereich. Neulich habe ich mich überwunden, um mir nach langer Abstinenz mal wieder im ZDF Maybritt Illners Polittalk zu Gemüte zu führen. Themen unter anderem: Mangel an Pflegepersonal – stimmt. Ärztemangel in der Klinik? Wurde nicht erwähnt. Der Mit-Talker und Vorsitzende der Bundesärztekammer Montgomery fühlte sich auch nicht bemüßigt, auf dieses Thema hinzuweisen. Multiresistente Keime? Endlich ordentliche Händedesinfektion! Stimmt auch, macht bei Durchführung lege artis pro Vollzeitkraft und Tag zwei Stunden mehr Arbeit, also bräuchte es ca. 25 Prozent mehr Schwestern und Ärzte. Vorausgesetzt, man will den Personalmangel, wie er momentan herrscht, nicht weiter verschärfen. Ungünstig ist allerdings, dass fast niemand mehr Interesse an Pflegeberufen hat. Die durchschnittliche „Verweildauer“ in diesem Segment bis zur Umorientierung dauert acht Jahre, habe ich gelernt.

Eingewiesen, nicht aufgenommen

Ich saß mit einer Kollegin aus einer Uniklinik nach einem Meeting im Zug zwischen Oldenburg und Hannover. Sie bemerkte lapidar, dass mindestens ein Drittel der in ihre Klinik eingewiesenen Patienten gar nicht stationär aufgenommen werden müssen.
Aha. Und warum wurden sie dann eingewiesen?
a): Weil die Wartezeiten auf den Facharzttermin irrsinnig lang sind – vielleicht noch nicht einmal im internationalen Vergleich, aber für unsere bundesdeutschen Gewohnheiten. Und warum sind die Wartezeiten so lang? Weil die ambulante Facharztleistung mittels Honorarbudget rationiert ist, so dass mancher Termin nicht vergeben wird, obwohl er vorhanden ist. Null Kohle für hundert Prozent Verantwortung und Haftung? Nein danke, sagt sich da der Facharzt! Das zwingt die Allgemeinmediziner zu Klinikeinweisungen anstatt zur Überweisung – aus Gründen der Akutversorgung.
b): Weil der Patient zwar beim Facharzt gelandet ist, der Facharzt jedoch feststellt, dass der Patient einen diagnostischen oder therapeutischen Aufwand verursacht, den er zwar medizinisch durchaus handhaben könnte, allerdings nicht aus wirtschaftlichen Gründen: Das Honorarbudget schränkt auch hier die Fachärzte in ihren Handlungsmöglichkeiten ein. Folge: der Patient, der ja nun einmal versorgt werden muss, wird vom Facharzt stationär eingewiesen.
Die Terminvergabestellen, die demnächst die ambulante Versorgung „bereichern“, werden voraussichtlich zu einer Verschiebung der stationären Einweisungen führen. Weniger wegen Grund a), denn der Patient bekommt binnen vier Wochen nun seinen Facharzttermin, aber mehr wegen Grund b), denn die Rationierung der ambulanten Leistung wird durch Terminvergabestellen nicht aufgehoben. Unter dem Strich bleibt es ein Nullsummenspiel. Halt, falsch: eine Negativbilanz, denn die Terminvergabestellen wollen ihre sinnlose Existenz ja finanziert haben.

Geld verdienen geht vor Gesundheit

Nun stellt sich die Frage: Warum wird die Rationierung der ambulanten Medizin nicht aufgehoben? Weil die Politik „ambulant vor stationär“ zwar predigt, aber die Weichen stets in Richtung „stationär vor ambulant“ stellt. Tote durch multiresistente Keime im Klinikbetrieb hin oder her (diese frechen Bakterien fragen nicht danach, ob der Patient gar nicht ins Krankenhaus hätte eingewiesen werden müssen).
Und was motiviert die Politik zur Bevorzugung der stationären Medizin gegenüber der ambulanten? Logisch – nur mit gut ausgelasteten Kliniken ist Geld zu verdienen. Und ausschließlich darum geht es: Es zählt die Gesundheit der Klinikbilanz, nicht die des Patienten. Wenn die Politik heute im Sinne der Bilanzen der Klinikkonzerne agiert, dann revanchieren sich die Klinikkonzerne morgen gerne mit einem Aufsichtsrats- oder Managerpöstchen bei den Damen und Herren Volksvertretern.
Abhilfe? Es braucht die Erkenntnis, dass Krankenhäuser nicht wie die Großindustrie mit automatisierter Produktion zu organisieren sind. Schluss mit dem Gewinnstreben im Klinikbereich! Erst kommt der Mensch, dann die Bilanz! Rückführung aller Kliniken – von kleinen spezialisierten Privathäusern im Eigentum von Ärzten abgesehen – in die Trägerschaft der Öffentlichen Hand oder freier, gemeinnütziger Organisationen wie Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz etc. Und die Einsicht, dass die Wiederherstellung der Gesundheit der Menschen für die Gemeinschaft aus ethischen Gründen ein Draufzahlgeschäft aus Steuermitteln zu bleiben hat und nicht weiter eine Goldgrube für gierige Aktiengesellschaften darstellen darf.



Überschüsse aber nirgends Geld

Von Kranken und Kassen Posted on 23 Okt., 2015 04:40:14

Ei,
wo ist das Geld geblieben? Von 2010 bis 2014 haben die Gesetzlichen
Krankenkassen Jahr für Jahr mehr eingenommen als ausgegeben, wie die
Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen:
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/73331/umfrage/einschaetzung-der-einnahmen-und-ausgaben-der-gkv/

Dennoch
haben sich etliche Krankenkassen bemüßigt gefühlt, zum 01.01.2015
Zusatzbeiträge zu erheben.
http://www.krankenkasseninfo.de/krankenkassen/zusatzbeitraege/

Resultat:
Die Gesetzlichen Krankenkassen haben weiterhin Reserven von 16
Milliarden Euro, wie das Bundesgesundheitsministerium am 4. September
dieses Jahres mitteilte
(http://www.bmg.bund.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-2015-3/gkv-ergebnisse.html):
Zitat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: „Mit Reserven
von mehr als 15 Milliarden Euro ist die Finanzsituation der
gesetzlichen Krankenkassen weiterhin stabil. Eine gute Versorgung der
gesetzlich Versicherten mit hochwertigen Gesundheitsleistungen und
Arzneimitteln und deren nachhaltige Finanzierbarkeit müssen auch in
Zukunft zentrales Anliegen der Krankenkassen sein. Einnahmen in
Höhe von rund 106,09 Milliarden Euro standen nach den vorläufigen
Finanzergebnissen des 1. Halbjahres 2015 Ausgaben von rund 106,58
Milliarden Euro gegenüber.“

Das Mirakel

2013
betrug der Überschuss der GKV gar noch 27 Milliarden Euro: “
Für das abgelaufene Jahr 2013 erwartet die Deutsche
Bundesbank abermals einen Überschuss im Gesamtsystem der
gesetzlichen Krankenversicherung. Wie aus dem Dezember-Monatsbericht
hervorgeht, wird mit einem Überschuss von mehr als 27,5 Milliarden
Euro bei den Kassen und im Gesundheitsfonds gerechnet.“
(aus
http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/krankenkassen/article/852735/gkv-ueberschuss-275-milliarden-euro-errechnet.html).
Dieser Überschuss schmolz angeblich ab durch teilweise
Beitragssenkungen und -rückerstattungen.

Die plötzliche Kehrtwende

Und
nun: „Gesetzlich
Krankenversicherte müssen ab 2016 mit höheren Zusatzbeiträgen für
die Krankenkasse rechnen. Dies gab der Spitzenverband der
Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kürzlich bekannt. Grund ist
ein finanzielles Defizit von fast einer halben Milliarden Euro, das
allein im ersten Halbjahr 2015 verzeichnet wurde.“ (aus:
http://www.krankenversicherung.net/gkv-2016-teurer)

Aha,
das ist doch ganz logisch: Wenn sich bei 16 Milliarden Reserven eine
Mindereinnahme von einer halben Milliarde ergibt, dann bleiben 15,5
Milliarden Reserven. Und bei 15,5 Milliarden Reserven müssen
Zusatzbeiträge erhoben werden…?!! Da wird der deutsche Michel mal
wieder schwer mit der Quaste gepudert, um im Pulvernebel den
Durchblick zu verlieren – oder? Allgemeine Aufregung allenthalben,
Massenproteste ob der Verulkung auf der Straße? Nicht die Bohne! Nur
eines ist klar: Wer sich so veralbern lässt, ohne aufzumucken, der
wird auch in Zukunft nicht für voll genommen und über den
Beitragseinnahmen-Tisch gezogen werden. Selber schuld, deutscher
Versichertenmichel! Wer immer nur brav nickt, der ist das ideale
Opfer üppig bezahlter Krankenkassenfunktionäre! Aber die Medien,
die machen bestimmt – keine Story daraus, denn das könnte ja
Werbeeinnahmen von AOK und Co. kosten. So sieht’s aus in dieser
unserer Republik – traurig, aber wahr!



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