Rudolf Henke, seineszeichens Mitglied des Bundestages, scheint ein ehrenwerter Mann zu sein, für den Sie sich interessieren sollten. „Kenn ich nicht, brauch ich nicht“, denken Sie? Dann ist nichts zu machen. Sollten Sie allerdings daran interessiert sein, wie heutzutage Politik läuft und welche Strippen dabei gezogen werden, dann empfehle ich Ihnen, jetzt weiterzulesen. Parallelen zu TTIP sind rein zufällig…
Wer also ist Rudolf Henke?
1. Rudolf Henke ist MdB, CDU-Mitglied, stellvertretender Vorsitzender im Gesundheitsausschuss. Durchaus ehrenwerte Funktionen für einen ehrenwerten Mann.
2. Rudolf Henke ist Präsident der Ärztekammer Nordrhein. Eine ebenfalls durchaus ehrenwerte Funktion für einen ehrenwerten Mann.
3. Rudolf Henke ist Vorsitzender des Marburger Bundes, kurz „MB“ – noch eine durchaus ehrenwerte Funktion für einen ehrenwerten Mann. Der Marburger Bund ist die Gewerkschaft der angestellten Ärzte Deutschlands, also vor allem der Krankenhausärzte. Logisch, dass die meisten dieser Personen nicht in leitender Funktion sind und selbst keine Privatrechnungen schreiben. Das Recht, eigene Rechnungen zu schreiben, bleibt in aller Regel Chefärzten vorbehalten. Der MB vertritt also in großer Mehrheit Krankenhausärzte, die selbst keine Privatrechnungen schreiben dürfen.
Für oder gegen die Mitglieder?
Übrigens nennt sich der Marburger Bund auf seiner Homepage „Servicepartner“ der Allianz-Versicherung, der „Deutschen Ärzteversicherung“, kurz DÄV (eine hundertprozentige Tochter der AXA-Versicherung) und der APO-Bank. (Siehe: Anhang 1). Merkwürdig, dass eine Gewerkschaft „Servicepartner“ aus den Reihen von deutschen (Allianz) und französischen (AXA) Großkonzernen hat. In der Regel pflegen Gewerkschaften nämlich keine solchen Kooperationen. Jedenfalls habe ich weder auf der Homepage des DGB noch auf der von der IG Metall Entsprechendes entdecken können. Das verwundert auch nicht: Ist es doch Aufgabe von Gewerkschaften, die Interessen ihrer Mitglieder gegen (!) die von Konzernen zu verteidigen und nicht, mit ihnen Servicepartnerschaften zu pflegen.
Angelegenheit des MB ist es demnach auch, die Interessen der dort angestellten Ärzte gegen den Arbeitgeber Sana-Kliniken AG zu verteidigen. Die Sana-Kliniken-AG ist Deutschlands drittgrößter privater Klinikbetreiber und gehört zu hundert Prozent den deutschen privaten Krankenversicherern. Mit einem Anteil von 14,3 Prozent ist die Allianz dabei. (Anhang 2).
4. Rudolf Henke ist stellvertretender Vorsitzender des Ärztebeirats der Sparte Private Krankenversicherung im Allianz-Konzern (Anhang 3). Nicht nur das: er ist auch Aufsichtsrat und Beirat bei der AXA-Tochter DÄV (Anhang 4). Klar, die Jobs als MdB, Ärztekammer-Präsident und Vorsitzender des MB sind so schlecht dotiert, dass das eine oder andere kleine Zubrot schon erlaubt sein muss. Das sollte einem ehrenwerten Mann zugestanden werden. Die Höhe von Henkes Nebeneinnahmen? Mindestens 147.000 Euro pro Jahr, schreibt „Lobby Control“ (Anhang 5).
Verhandlungen im Hinterzimmer
Am 23. Januar fand ein außerordentlicher Deutscher Ärztetag in Berlin statt. Thema: eine neue Gebührenordnung für Ärzte, die Privatpatienten betreffen. Die derzeitige GOÄ gilt seit 20 Jahren unverändert – auch in der Höhe der Abrechnungsbeträge. Änderung und Anpassung sind also überfällig. Betroffen von dieser Gebührenordnungsnovelle sind vor allem die niedergelassenen Ärzte, von denen es wesentlich mehr gibt als Chefärzte. Und in dieser Gebührenordnungs-Novelle plant die Bundesärztekammer unter Vorsitz des ehemaligen MB-Chefs Montgomery (der – welch eine zufällige Parallele zum aktuellen MB-Chef Henke – zugleich Mitglied im Aufsichtsrat der DÄV und im Beirat der Allianz und der DÄV ist) den privaten Krankenversicherern wesentliche Mitsprache- und Blockaderechte einzuräumen, die ihnen bisher nicht zustanden.
Was Wunder, dass die Aufregung unter der niedergelassenen Ärzteschaft groß ist. Beim oben erwähnten Ärztetag bestand Gefahr, dass die bisher ohnehin nur spärlich bekannten Verhandlungsergebnisse der Bundesärztekammer in Bausch und Bogen abgelehnt würden. Wieso nur „spärlich bekannt“, wollen Sie wissen? Weil die Verhandlungen – ganz sicher rein zufällig wie bei TTIP – streng geheim im Hinterzimmer stattfinden. Angeblich hat das Henkes Parteifreund, Fraktionskollege und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe so verlangt. Zwar ohne Rechtsgrundlage, aber durchaus im Sinne der Versicherungen. Das betroffene Ärztevolk soll schließlich dumm gehalten und letztlich vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
Der besagte Ärztetag wurde durch entsprechende Beschlüsse von drei Landesärztekammern gegen den Willen der Herren Henke und Montgomery erzwungen. Bei der Versammlung drohte der Unmut der Niedergelassenen zu einem Fanal gegen die bisherige Verhandlungsführung zu werden. Abhilfe? Die alten MB-Kämpen und ehrenwerten Herren Henke und Montgomery – die wohlgemerkt selbst keine GOÄ-Rechnungen schreiben – wussten Rat: Sie sorgten dafür, dass reichlich MB-Mitglieder, also angestellte Ärzte ohne eigenes Abrechnungsrecht, als Delegierte entsandt wurden. Motto: Wen’s selber nicht betrifft, der wird schon so abstimmen, wie wir es ihm vorgeben. Und so kam es dann auch – 109 zu 98 Stimmen im Sinne der Herren Henke und Montgomery. Nur weiter so mit den GOÄ-Verhandlungen! Als Protest aus den Reihen der niedergelassenen Ärzte nicht nachlassen wollte, konstatierte der ehrenwerte Henke tags darauf: „Es ist ausgesprochen ärgerlich, wenn unmittelbar nach Beschlussfassung des Ärztetages einzelne Verbände öffentlich den Eindruck erwecken, die Entscheidung wäre ohne Zutun niedergelassener Ärztinnen und Ärzte getroffen worden.“ Kommentar? Überflüssig!
Nach der Karriere in den Vorstand
Eine Partnerschaft beruht auf Gegenseitigkeit, wie jeder wissen sollte. Sogar Rudolf Henke. Jetzt aber funktioniert die Partnerschaft von ihm zusammen mit den Versicherungskonzernen gegen die Interessen der niedergelassenen Ärzte. Sicher wird sie auch funktionieren, wenn der Marburger Bund bei den Sana-Kliniken für die dort angestellten Kollegen in eine neue Gehaltsrunde geht …
Übrigens, auch auf die Allianz als Partner ist Verlass (sofern es sich nicht um die Leistungspflicht als Versicherung handelt, versteht sich – sh. Anhang 6). Nicht nur, dass aus ihrer Schatulle den Herren Henke und Montgomery für deren Beiratstätigkeit Geld zufließt. Als die FDP aus dem Bundestag flog und damit der letzte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr plötzlich bar jedweden Jobs war, da kümmerte sich die Allianz um ihn und holte ihn in ihren Vorstand.
Immerhin hatte Bahr ja schließlich als zuständiger Minister die Gebührenordnungsreform und damit eine nach langen Jahren unweigerliche Kostensteigerung für die Versicherer durch geschickte Untätigkeit verschleppt. Für Henke und Montgomery gilt übrigens nicht der Slogan „Hoffenlich“, sondern „Mit Sicherheit Allianz-versichert“. Wie geht es weiter? Ach ja: „Denn wer sich Allianz-versichert, der ist voll und ganz gesichert, der schließt vom ersten Augenblick ein festes Bündnis mit dem Glück – eine Allianz fürs Leben“. Gell, Herr Henke!
Anhang 1: (https://www.marburger-bund.de/mb-treuhand/serviceleistungen)
Anhang 2: (http://www.sana.de/unternehmen/aktionaere.html)
Anhang 3: (S. 49: https://www.allianzdeutschland.de/allianz-private-krankenversicherungs-ag-geschaeftsbericht-2013/id_74977604/tid_da/index)
Anhang 4: (S. 4 und 6: https://www.aerzteversicherung.de/site/daev/get/documents/daev/DAEV_Dokumente_und_Bilder/Unternehmen/Ueber-uns/Deutsche%20%C3%84rzteversicherung%20GB%202014.pdf)
Anhang 5: (https://www.lobbycontrol.de/2014/03/lobbyisten-im-bundestag-fragwuerdige-doppelrollen/)
Anhang 6: http://www.jameda.de/muenchen/krankenkassen/allianz-private-krankenversicherung/uebersicht/3159_2/