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Das kranke Gesundheitssystem

Anregung und Kritik erwünscht

Als steter Streiter gegen ein in meinen Augen ungerechtes Gesundheitssystem, dessen Gewinner die Krankenkassen und dessen bedauerliche Opfer die Patienten sind, freue ich mich über jede Form von Zustimmung, Ratschlag, Anregung oder Kritik. Ich wünsche mir nur, dass bei aller nachvollziehbarer Emotion der gute Ton in schriftlichen Beiträgen die erste Geige spielt.

Dr. Christian Nunhofer

Gröhe hofft auf Dummheit der Ärzte

Von Kranken und Kassen Posted on 29 Mai, 2016 05:17:13

Gehen wir Gesundheits-Minister Gröhe auf den Leim? Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute schlage ich einen kämpferischen Ton an. Zwingend notwendig, wie ich meine. Wo bleibt die politische Auseinandersetzung in der unsäglichen GOÄ-Debatte? Exakter formuliert jene kontroverse Diskussion, die an sich unsere ärztlichen Standespolitiker führen müssten?

Die Gretchenfrage jenseits des Tellerrandes, des Paragraphenteils und den Prozenten der Erhöhung lautet doch: Worum geht es tatsächlich? Wer wahrt wessen Interessen? Zuallererst ist es meiner Meinung nach Aufgabe der Politiker, die Belange aller Beteiligter zu wahren, denn es ist das Kerngeschäft der Politik, den Ausgleich widerstreitender Interessen in der Gesellschaft herzustellen, die es auf allen möglichen Ebenen der Nation fortwährend überall gibt. Im Grundgesetz, welches das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern, aber auch das Verhältnis der Bürger untereinander regelt, soweit sie den Staat per Gesetzgebung oder Justiz um Regelung bitten, ist es im Artikel 3, Absatz 1, fest verankert: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“. Konkret: Ärzte dürfen nicht anders behandelt werden als Notare, Rechtsanwälte, Architekten, Steuerberater oder andere Freiberufler.

Verstoß gegen das Grundgesetz

Die Gebührenordnungen sämtlicher letztgenannter Berufsgruppen sind in den vergangenen 20 Jahren angepasst worden – nur die der Ärzte nicht. Das grundrechtliche Gebot der Gleichbehandlung beschränkt sich jedoch nicht automatisch auf Selbstständige, sondern auch auf Beamte, Abgeordnete oder Angestellte. Jeder, wirklich jeder Berufsstand hat in den letzten zwei Jahrzehnten eine Anpassung, sprich: Erhöhung seines Einkommens erfahren. Keine Frage also – die Nicht-Anpassung der GOÄ verstößt gegen den Art. 3 des Grundgesetzes.

Minister Gröhes Mantra lautet: „Die neue GOÄ muss im Konsens zwischen den Ärzten und dem Verband der privaten Krankenversicherer (PKV-Verband) entwickelt werden“. Dass harmonische Übereinstimmung mit einem fairen Ergebnis nicht zustande kommen kann, ist ebenso absehbar, wie wenn die Diätenerhöhung der Bundestagsabgeordneten im Konsens zwischen einem Gremium von Abgeordneten und einem Arbeitskreis aus dem Bevölkerungsdurchschnitt (incl. Hartz-IV-Empfängern) verhandelt werden müsste.

Politische Schläue, Herr Gröhe? Hoffnung auf Dummheit der Ärztevertreter, sich auf solche Bedingungen einzulassen? Die bisherigen Verhandlungsergebnisse lassen andere Konstellationen vermuten: Eine Interessenvertretung im Sinne der Krankenversicherer! Denn sämtliche rekrutierten Verhandlungsführer aus der Ärzteschaft werden zusätzlich für Nebenjobs von privaten Krankenversicherern bezahlt (worin die Herrschaften freilich kein Problem sehen).

Gröhes billiger Trick

Aus dieser Perspektive lassen sich avisierte Volumenerhöhungen von 5,8 Prozent bei 32,8 Prozent Inflationsrate seit dem Inkrafttreten der „aktuellen“ GOÄ 1996 erklären und Änderungen im Paragraphenteil, mit denen die Versicherer letztlich dem Arzt vorschreiben, welche Leistungen er in welchem Umfang abrechnen darf und welche nicht. Die ärztlichen Verhandlungsführer hatten die Ausgestaltung der neuen Gebührenordnung praktischerweise ja gleich den Versicherern überlassen und ihnen dafür auch noch einen siebenstelligen Eurobetrag überwiesen (nein, es sitzt noch keiner von den Herren Ärzten im Gefängnis!).

Die Moral von der Geschicht: Der Bundesgesundheitsminister trickst, indem er vordergründig vernünftige, de facto aber unerfüllbare Bedingungen stellt. Ihm ist klar, dass er mit dem Interessensausgleich, dem ihm der Artikel 3 des Grundgesetzes für die ärztliche Gebührenordnung abverlangt, große Löcher in die Kassen der öffentlichen Hand reißen würde, denn die öffentliche Hand ist bekanntermaßen über die Beamten-Beihilfen an der Krankenfinanzierung mit Milliarden beteiligt. Andererseits haben die Ärzte die Beihilfen nicht etabliert. Ein „Sonderopfer Ärzte“ für das politische Konstrukt „Beihilfe“ verstößt gerade gegen jenen Gleichbehandlungsgrundsatz im Grundgesetz.

Und die privaten Krankenversicherer? Die würden eventuell auch in finanzielle Schwierigkeiten gelangen, wenn die Gebührenordnung kräftig ansteigen würde. Obwohl sie von den Medizinern in den letzten 20 Jahren finanziell unfreiwillige, kräftige Unterstützung erfuhren, da durch die Nicht-Anpassung der GOÄ jede Rechnung im Zeitraum von 1996 bis 2015 im Durchschnitt durch die Inflation um 16,1 Prozent entwertet wurde. Das stellt seitens der Ärzte ein reelles Sonderopfer in Milliardenhöhe gegenüber Versicherern und Staat dar. Außerdem: Das PKV-Management bedient sich aus den selben Prämieneinnahmen der Versicherten, aus denen auch die Arztrechnungen bezahlt werden. Hartnäckigen Gerüchten zufolge sollen die Einkünfte des Managements seit 1996 um über 600 Prozent gestiegen sein…

Auf der Gehaltsliste des „Feindes“

Nun könnte man auf böse Gedanken kommen und mutmaßen, dem Bundes-Gesundheitsminister sei durchaus klar, dass die Ärzte-Verhandlungsführer allesamt auf der Gehaltsliste des „Feindes“ PKV stehen, der sozusagen der natürliche Verbündete der Beihilfen und damit der Politik ist. Brauen da Politik, PKV und vom Feind bezahlte Ärztefunktionäre ein gar übles Süppchen zusammen, das die Ärzteschaft dann auszulöffeln hat? Gut getarnt als pseudodemokratische Verhandlung zwischen Bundesärztekammer und Versicherern auf Bitten des Ministers? Honi soit, qui mal y ponse, sagt der Franzose augenzwinkernd – auf gut deutsch: Ein Schwein, wer so schlecht denkt! Und wer will denn schon beim Anblick des redlichen Herrn Gröhe an ein Schwein denken!

Herr Minister, Sie sind am Zug: Denken Sie an Ihren politischen Auftrag, nehmen Sie die Sache endlich ernst. Den Interessen von PKV und Beihilfen zu Lasten der Ärzte wurde bereits über zwei Dekaden milliardenschwer Rechnung getragen. Verfassen Sie jetzt eine Gebührenordnung für Ärzte – wenn es sein muss, auch ohne deren Mitwirkung. Auf jeden Fall aber ohne solche Kandidaten, die auf der Gehaltsliste teils sogar mehrerer privater Krankenversicherer stehen!

Allen voran der Präsident der Bundesärztekammer, Montgomery. Schreiben Sie diese Gebührenordnung ganz im Geiste des Art. 3 GG. Falls wir Mediziner dann der Meinung sind, dass es der Geist der Verfassung nicht bis in Ihr Haus geschafft hat, bleibt uns noch der Weg nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht. Aber die Blöße, sich von den obersten Richtern bestätigen zu lassen, eine untaugliche Verordnung verfasst zu haben, werden Sie sich bestimmt nicht geben wollen, oder?

Alternative „Einfach liegen lassen“? Das hat Ihrem Vorgänger im Amte, Daniel Bahr, als Belohnung zwar prompt einen Managerposten bei der Allianz PKV eingebracht, der sicher um ein Vielfaches höher dotiert ist als Ihr Ministergehalt. Der Mann war allerdings bei der FDP, bei der das „F“ ja immer für die Freiheit des Stärkeren, hier der Versicherer steht. Das kann doch nicht auch Ihre Haltung sein! Noch eine Alternative: Schaffen Sie die GOÄ ab. In Italien klappt die medizinische Versorgung auch mit freier Preisvereinbarung zwischen Arzt und Patient.



Die Not der Notaufnahmen

Von Kranken und Kassen Posted on 18 Apr, 2016 05:35:09

Stundenlange Wartezeiten in Notaufnahmen von Krankenhäusern selbst für Patienten, bei denen es wirklich eilt? Neulich kam die Kieler Uniklinik in die Schlagzeilen, weil Hirninfarktpatienten drei bzw. fünf Stunden warten mussten, bis sich ein Arzt ihrer annahm. Politiker jedweder Couleur reagierten pflichtschuldig entsetzt, versteht sich.

Auf eine Veröffentlichung im Ärzteforum „Hippokranet“ hin berichtete ein Kollege von seinem Vater, der 24 Stunden nach der Aufnahme in einem Großkrankenhaus an seinem schwachen Herzen verstarb, ohne bis dahin gründlich untersucht, geschweige denn behandelt worden zu sein. Netto-Aufenthalt in der Notaufnahme: siebeneinhalb Stunden. Ein anderer Kollege ergänzte: Nach Einweisung unter dem Verdacht auf eine Hirnblutung habe es in einer süddeutschen Klinik fünf Stunden gedauert, bis ein Patient untersucht worden sei.
Was sind die Ursachen solcher Missstände?

Die Mängel-Hitparade

1. Rationierung der ambulanten Medizin, also der Praxen. Will heißen: Pro Quartal gibt’s nur einen bestimmten Geldbetrag für die Behandlung aller Kassenpatienten, und der ist so knapp bemessen, dass er nie und nimmer ausreicht. Folge: Circa ein Drittel der Patienten, die in Kliniken eingewiesen werden, könnten rein medizinisch in den Praxen gut versorgt werden. Weil Arbeit ohne Lohn allerdings in den Ruin treibt, werden aufwendige Patienten in Krankenhäuser delegiert und tragen so zu deren Überlastung bei.

2. Ärztemangel, zwar auch schon in den Praxen, aber vor allem in den Kliniken, die ja einen Teil der ambulanten Arbeit stationär aufs Auge gedrückt bekommen (siehe 1). Und Ärztemangel geht allein auf das Konto der Politik! 1989 – im letzten Jahr vor dem Mauerfall – gab es in der BRD West 85.901 Medizinstudenten.

Es folgte die Wiedervereinigung, mit ihr kamen acht ostdeutsche medizinische Fakultäten dazu und die Zahl der Einwohner stieg von etwa 60 Millionen in Deutschland West auf ungefähr 80 Millionen in Gesamtdeutschland.

Steigender Bedarf, sinkende Studentenzahlen

Die Zahl der Medizinstudenten hingegen sank (!) in Gesamtdeutschland (!) bis zum Wintersemester 2007/08 auf 78.545. Zum Wintersemester 2013/14 war sie allmählich auf 86.376 angestiegen und befand sich damit in etwa auf dem westdeutschen (!) Niveau vor dem Mauerfall. Warum konnte es zu so einer drastischen Reduzierung kommen? Die Antwort ist simpel. Ein Medizinstudent kostet den Staat bis zum Examen fast zehn Mal so viel wie ein Jurastudent und immer noch fast viermal so viel wie ein Ingenieurstudent.

Medizin ist das mit Abstand teuerste Studium. In Zeiten leerer Staatskassen wurde halt gespart. Dumm nur, dass die Bevölkerung dank der vermaledeiten Ärzte immer älter und mit zunehmendem Alter immer kränker wird, was wiederum mehr Mediziner erfordert. Das medizinische Paradoxon sozusagen. Ärzte in den Kliniken fehlen, nicht nur auf Station, sondern auch in der Aufnahme.

3. Die Anspruchshaltung mancher Patienten. Klar, wenn es im Brustkorb plötzlich heftig zieht, ist die Idee nicht schlecht, sich von einem Familienmitglied schnellstmöglich ins nächste Krankenhaus fahren zu lassen. Könnte ja wirklich ein Herzinfarkt sein. Allerdings: „Ich hab seit vier Wochen Rückenschmerzen und grade mal etwas Zeit – könnte der Arzt mal nachsehen?“ passt beim besten Willen nicht zu einer Not(!!!)Aufnahme. Dennoch tummeln sich gerade solche Zeitgenossen dort zuhauf und stehlen Doktoren Zeit für Patienten, die ernsthaft krank sind.

Profit geht vor Sorgfalt

4. Fehlanreize im Kliniksystem: Geld wird an der Klinik nicht mit der sorgfältigen Diagnose und gründlichen Behandlung von Patienten verdient, sondern mit dem Stellen möglichst vieler Diagnosen, die alle einzeln vergütet werden. Außerdem natürlich mit möglichst vielen Operationen. Alles andere ist aus kaufmännischer Sicht nichts wert – schon gar nicht die Gesundheit des Patienten. Die kommen oft genug kränker als vorher nach Hause.

Behandeln, Heilen gar, bringt ja kein Geld. Die Politik hat auf die Gesundheitsökonomen gehört, die Krankenhäuser arbeiten nach wirtschaftlichen Geboten wie eine Fabrik, da ist Ausschuss eben eine ökonomische Größe. Jener Patient jedoch, der als „Ausschuss“ die Klinik wieder verlässt, belastet das ambulante System. Meistens nicht lang, denn er wird bestimmt wieder eingewiesen. Natürlich über die Aufnahme, in der er stundenlang verweilt. „Drehtürpatient“ nennt man ihn in Fachkreisen.

Ökonomen dirigieren Politiker

Die Gesundheitsökonomen geben vor zu wissen, was gut ist fürs Gesundheitssystem. Die Politik setzt um, was sie vorgeben. Unterm Strich zählt nur noch die Gesundheit der Bilanz, nicht mehr die des Menschen.

Lösungen liegen auf der Hand: Abschaffung der ambulanten Budgets, Steigerung der Medizinstudenten, Zuzahlungen für die Patienten bei missbräuchlicher Inanspruchnahme der Notaufnahmen, Änderung des Abrechnungssystems der Krankenhäuser. Warum aber wird sich nichts ändern? Weil es die Gesundheitsökonomen von der Bertelsmann-Stiftung und andernorts halt besser wissen und weil die Politiker weiterhin brav auf niemand sonst hören. Der Karren wird konsequent weiter und tiefer in den Dreck geschoben.

Oder hat irgendjemand den Eindruck, dass die gesundheitliche Versorgung in Deutschland in den letzten 20 oder 30 Jahren wirklich besser geworden ist? Der medizinische Fortschritt bei Technik und Medikamenten? Oh ja. Aber das Arzt-Patienten-Verhältnis? Das Zwischenmenschliche? Das einander vertrauen können? Wo ist das geblieben? Das ist keine wirtschaftlich kalkulierbare Größe, das haben die Damen und Herren Gesundheitsökonomen eben wegrationalisiert.



Sinnlose „Studie“ verunglimpft Ärzte

Von Kranken und Kassen Posted on 12 Jan, 2016 06:58:04

Selbst die alt-ehrwürdige Verbraucherzentrale Hamburg leistet sich grobe Schnitzer: Am 6. Januar wurden die Ergebnisse einer Untersuchung über die Qualität der neurologischen Versorgung in Deutschland veröffentlicht. Überschrift: „‚Sie haben Parkinson, das sehe ich Ihnen an den Augen an – Erlebnisse einer Patientin bei 15 Neurologen“. Eine Kassenpatientin im Anfangsstadium einer Parkinson-Erkrankung suchte zusammen mit einer Begleiterin neurologische Praxen auf, um sich untersuchen, beraten und behandeln zu lassen. Genauer nachlesen kann man das Ganze unter: http://www.vzhh.de/gesundheit/432910/parkinson-diagnose-in-fuenf-minuten.aspx

Sinn und Zweck solcher Tests ist es, herauszufinden, was Mediziner bei Patienten versäumt haben oder besser machen könnten. Deshalb wird eine Checkliste erstellt, anhand deren „Abarbeitung“ die Qualität der ärztlichen Leistung beurteilt wird. Leider fehlt mir in bezug auf die genannte „Studie“ eine Gesamtnote, wie sie die Verbraucherzentrale für Testuntersuchungen bei anderen Arztgruppen bereits vergeben hat: „Neben den Neurologen haben wir in den zurückliegenden Monaten auch Dermatologen (Durchschnittsnote: 3,0), Augenärzte (3,5), Allgemeinmediziner (3,6), Orthopäden (3,9), Zahnärzte (3,8) und plastische Chirurgen (4,2) überprüft – teils mit enttäuschenden Resultaten und hohen Durchfallquoten.“

Mehr als ausreichend darf es nicht sein

Jetzt kommt’s: Die für Kassenpatienten gültige Rechtsvorschrift ist das 5. Kapitel des Sozialgesetzbuchs, kurz SGB V. Das SGB V regelt in § 12: Wirtschaftlichkeitsgebot:
(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

„Ausreichend“ müssen die Leistungen also sein, in Schulnoten ausgedrückt: „4“. Mehr darf die Kasse nicht vergüten – und mehr vergütet sie auch nicht. Damit die Ärzte wirklich nicht besser als „4“ arbeiten, ist die ärztliche Leistung budgetiert, will heißen: Jeder Arzt hat pro Patient und Quartal nur einen sehr geringen Betrag zur Verfügung, mehr wird nicht bezahlt. Kassenmedizin ist rationiert – und zwar so stark, dass der deutsche „Durchschnittsarzt“ pro Quartal 15 Prozent über seinem Budget arbeitet, also 15 Prozent seiner abgerechneten Arztleistungen schlicht und einfach nicht erstattet bekommt. Dabei haben Kassenärzte das Budget mit dem dadurch für die Patientenversorgung aufgezwungenen Minimalprogramm andauernd vor ihrem inneren geistigen Auge.

Absurde Maßstäbe angelegt

Was also sagen uns die oben zitierten Noten für die verschiedenen Berufsgruppen? Die Dermatologen arbeiten besser als wirtschaftlich erlaubt, die Kollegen anderer Fachgruppen halten sich mehr oder minder an die gesetzlichen Gegebenheiten. Ein Neurologe, der die Checkliste der Verbraucherzentrale Hamburg weitgehend abgearbeitet hätte, hätte mit der Note „1“ schlicht gegen das gesetzlich vorgegebene Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen.
Wie würden Sie es finden, wenn die Hamburger Verbraucherzentrale Imbissbuden testen und dabei die Maßstäbe eines Sterne-Restaurants anlegen würde? Richtig: absurd! Genauso absurd sind der Parkinson-Check und sämtliche ähnlich gestrickten Ärztetests.



Kapitalismus oder „DDR-light“?

Von Kranken und Kassen Posted on 03 Jan, 2016 06:51:38

Die Zukunft des Gesundheitswesens: Turbo-Kapitalismus – oder „DDR light“?
Beide Annahmen stimmen, wenn man das gute alte volkstümliche (und gastroenterologische) Sprichwort zugrunde legt, das da lautet: „Wichtig ist, was hinten rauskommt!“
Ärzte und Patienten erleben und erleiden eine fatale Entwicklung im Gesundheitssystem – und zwar hier und jetzt! In einer Turbo-Kapitalismus-Variante, der die Politik durch Quasi-Sozialismus den Boden bereitet. Das Rezept mit einseitig erwünschten Nebenwirkungen: Einheits-Billig-Versorgung für alle, damit für die Bonzen möglichst viel übrig bleibt.

Gegen solche Tendenzen half noch immer ein solider Mittelstand. Das haben Turbo-Kapitalisten vom Schlage eines Eugen Münch erkannt. Eugen Münch? Das ist jener gelernte Müller und studierte Betriebswirt, der die „Rhön-Klinikums-GmbH“ gründete, später in eine Aktiengesellschaft umwandelte und so zum Multimillionär wurde. Erfolgsmenschen dieses Kalibers sind natürlich als Einflüsterer bei Politikern begehrt und suggerieren unserer Polit-Mediokritas dann, dass es den Quasi-Sozialismus braucht im medizinischen Versorgungssystem.

Fertige Lösungen im Angebot

Wegen zwei Effekten: Erstens macht es all die großen und kleinen Münchs im System für die Politiker unverdächtig. Wer eine gute medizinische Versorgung für den kleinen Mann zu wollen heuchelt, wird zuerst einmal als Wohltäter der Menschheit angesehen, auf den zu hören für gewählte Volksvertreter ratsam ist. Und das umso mehr, weil diese Typen ihre eigene Pseudowissenschaft „Gesundheitsökonomie“ erfunden haben und als Gesundheits-Ökonomen von eigenen Gnaden dann gestressten Politikern das Nachdenken über das ach so komplexe System abnehmen. Geliefert werden fertige Lösungen!

Wenn dann, zweitens, die Hörigkeit der Politik gegenüber den Turbo-Kapitalisten und den von ihnen bezahlten Gesundheitsökonomen groß genug ist, lässt es sich beinahe mühelos auf die Politik einwirken. Die lästigen Ertragsbremser für Medizinkonzerne, diese selbstständigen Ärzte, werden langfristig „hinweg-eliminiert“. „Den Hausarzt vor Ort wird es in Zukunft nicht mehr geben“, konstatierte Münch im März 2015 auf einem Gesundheitskongress in Köln. Tja, denkt sich unsereiner: Ist es aus Sicht der Gesundheitsökonomen tatsächlich besser, statt Praxen mit selbständigen Ärzten Medizinische Versorgungszentren mit einem Dutzend angestellter Ärzte einzurichten?

Risiko-Patienten? Nein Danke!

Diese MVZ’s wären praktischerweise in der selben Trägerschaft wie das benachbarte Krankenhaus und würden dort zuverlässig die Klinikbetten durch Einweisung nach Bedarf füllen. Was wie und in welchem Umfang behandelt wird, bestimmt selbstverständlich die Verwaltungsleitung – im MVZ wie in der Klinik. Bloß nichts annehmen, was sich unter dem Strich als Draufzahlgeschäft erweisen könnte! Risikopatienten – nein danke! Dafür gibt es schließlich noch die Krankenhäuser in öffentlicher oder kirchlicher Trägerschaft. Die müssen schließlich Aktionären keine Gewinne präsentieren!

So resultiert für die Turbo-Kapitalisten eine maximale Gewinnspanne: Bei Billig-Versorgung für den deutschen Durchschnittsmichel bleibt für die großen Haie am Ende der Nahrungskette umso mehr über: Eugen Münch hat’s vorgemacht. Und darin sind sich tatsächlich Kommunismus und Kapitalismus gleich: Eine abgehobene Führungskaste ganz weit weg vom Rest der Menschheit lässt es sich gut gehen auf Kosten von Otto Normalverbraucher. Turbo-Kapitalismus für „die da oben“ und „DDR light“ für den deutschen Durchschnittsmichel.



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