Blog Image

Das kranke Gesundheitssystem

Anregung und Kritik erwünscht

Als steter Streiter gegen ein in meinen Augen ungerechtes Gesundheitssystem, dessen Gewinner die Krankenkassen und dessen bedauerliche Opfer die Patienten sind, freue ich mich über jede Form von Zustimmung, Ratschlag, Anregung oder Kritik. Ich wünsche mir nur, dass bei aller nachvollziehbarer Emotion der gute Ton in schriftlichen Beiträgen die erste Geige spielt.

Dr. Christian Nunhofer

„Glückszahlen“ für Krankenkassen

Von Kranken und Kassen Posted on 21 Okt, 2016 02:40:01

„Ein Volk von Schwerkranken“
titelt die Journalistin Cornelia Schmergal im SPIEGEL vom 15.10.2016
auf Seite 78 und beschreibt, wie Mitarbeiter von Krankenkassen
unvermittelt in Arztpraxen auftauchen und beim Doktor aufgrund von
bestimmten Diagnosen oder verordneten Medikamenten nachfragen, ob der
betreffende Patient nicht doch „ein bisschen kränker“ gewesen
sein könnte, als der Mediziner in seinem Diagnoseschlüssel
angegeben hat?

Zehn Euro Prämie sind der Judas-Lohn.
Was soll das? „Ein bisschen kränker“, einhergehend mit
einer anderen Diagnosenummer, kann für die Krankenkasse bedeuten,
dass ihr für diesen Patienten mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds
zugeteilt wird. Schlimmste Konsequenz für den ahnungslosen
Erkrankten zu einem späteren Zeitpunkt wäre, dass ihn eine private
Krankenversicherung oder eine Lebensversicherung nicht mehr
versichern will.

Unschuldig als Betrüger abgestempelt

Weil er, so der Vorwurf, „eine schwere
gesundheitliche Einschränkung nicht angegeben hat“, wie sich bei
der routinemäßigen Abfrage des Versicherers bei der Krankenkasse
herausstellte. Dass der arme Kerl fatalerweise gar nicht
mitbekam, wie „schlimm“ es um seine Gesundheit bestellt war,
spielt eine Nebenrolle. Dass ihm der Ruch des vorsätzlichen Betrugs
wegen der Angabe falscher Daten anhaftet, ebenso.

Wiederholte Besuche eines
AOK-Mitarbeiters habe ich zu meinen Kassenarztzeiten selbst noch
erleben dürfen. Der Delegierte erschien mit einer Liste, der er
entnahm, dass ich Herrn Müller (Name natürlich geändert)
„Sormodren“ verordnet habe. Das sei aber doch ein Mittel
gegen Parkinson, ich aber hätte keinen Parkinson verschlüsselt!

Frust beim gewieften Ermittler machte sich auf meine Erklärung hin
breit, dass „Sormodren“ zwar theoretisch auch gegen
Parkinson verordnet werden könne, was aber praktisch nicht mehr
geschehe. „Sormodren“ werde quasi ausschließlich gegen
übermäßiges Schwitzen verschrieben. Pech für die AOK, denn die
Diagnose Parkinson bringt ordentlich Zusatzknete aus dem
Gesundheitsfonds, „Hyperhidrosis“, wie die
Turbo-Transpiration auf gut medizinisch heißt, leider nicht.

Negativzinsen und Glückszahlen

Zum besseren Verständnis: wohin
fließen Ihre Beitragszahlungen an die Krankenkasse? Wer glaubt, das
Geld bliebe dort liegen oder würde zumindest sicher aufbewahrt, irrt
gewaltig. Alle gesetzlichen Krankenversicherungen leiten ihre
gesamten Einnahmen erst einmal an den sogenannten Gesundheitsfonds
nach Berlin weiter. Der parkt die Beitragsmilliarden bei der
Europäischen Zentralbank in Frankfurt und opfert dort ein paar
Millionen für die derzeit fälligen Negativzinsen.

Spezialisten des
Gesundheitsfonds in Berlin rechnen um, wie schwer krank der
durchschnittliche Versicherte von derzeit 117 gesetzlichen Kassen
ungefähr ist und überweisen nach diesem Kunststück Geld zurück.
Als Richtwerte für schwere Erkrankungen der Versicherten dienen jene
Diagnosenummern, die Ärzte für Patienten an Kassen weitergeben. 60
Nummern sind „Glückszahlen“, weil sie außerordentlich hohe
Rücküberweisungen aus dem Gesundheitsfonds generieren. Prämien an
die Mediziner für braves „upcoding“ würden immerhin 0,3
Prozent des Beitragssatzes ausmachen, gibt die die TK laut SPIEGEL
an.

117 Kassen und kein Unterschied

Das kommt Ihnen absurd vor? Mir nicht.
Der einzige Arbeitsbereich – pardon: Scheinarbeitsbereich, der in
Deutschland wirklich prosperiert, ist der der überflüssigen,
aufgeblähten Verwaltung. Für Außendienstmitarbeiterbesuche in
Arztpraxen zwecks „upcoding“ haben Versicherer Geld übrig,
für das sinnfreie „upcoding“ sowieso, für mehr als „6
x Physiotherapie auf neurophysiologischer Basis bei Schultersteife
li.“ pro Quartal (!) leider nicht.

Abhilfe? Wozu braucht man in
Deutschland eigentlich 117 Kassen, die sich untereinander kaum
Konkurrenz machen – und falls doch, dann mit Überflüssigem? So
ungefähr nach dem Motto „Wir zahlen Homöopathie – die
anderen bloß ein Wellness-Wochenende!“ Einigkeit herrscht
darüber, dass man keinesfalls mehr als sechs Mal Krankengymnastik im
Vierteljahr genehmigt! 117 Krankenkassenvorstände und Aufsichtsräte
wollen für mäßige Motivation üppig entlohnt werden, ein
überdimensioniertes Filialnetz verschlingt enorme Summen.

Auch ein
GKV-Spitzenverband mit bester Immobilienlage in Berlin wird,
Verzeihung, „durchgefüttert“. Seine Hauptaufgabe besteht darin,
zu verhindern, dass sich die unterschiedlichen Parteien in
wesentlichen Dingen gegenseitig auf den Schlips treten, weil der
GKV-Spitzenverband einheitliche Verweigerungs-, äh, Entschuldigung:
Leistungs-Vorgaben für Versicherte erarbeitet.

Die sinnfreie
Institution „Gesundheitsfonds“, Minuszinsen an die EZB –
enorme Kostenfaktoren, welche die Einnahmen schmälern und allein der
Pseudo-Vielfalt der 117 Kassen geschuldet sind! Teure Werbe-Kampagnen
für Print-Medien, Funk und Fernsehen werden aus Beiträgen
finanziert, Individualität und Flexibilität geheuchelt, wo
höchstens Nuancen im Service erkennbar sind, und auch die
Beitragssätze liegen weit näher beieinander als beispielsweise bei
den privaten Krankenversicherern. Der Gesundheitsfonds macht’s
möglich.

Eine einzige Institution würde reichen

Beste Lösung: Abschaffen! Alle 117
gesetzlichen Krankenkassen zu einer einzigen zusammenlegen! In
Frankreich klappt es mit einer Einheits-GKV. Warum nicht bei uns?
Gesundheitsfonds, GKV-Spitzenverband, 117 Vorstände und
wer-weiß-wie-viele Aufsichtsräte – alles überflüssig! Werbung für
die Einheitskasse? Könnte entfallen, die frei werdenden Gelder in
Oma Müllers Krankengymnastik investiert werden! Und obendrein würden
die Medien ihre Beißhemmung gegenüber mancher Kasse verlieren: Die
Angst, bei zu kritischer Berichterstattung auf Werbeeinnahmen von der
Arbeits- und Obdachlosen-Kasse (AOK) verzichten zu müssen,
hätte sich schlechthin erübrigt.

Vielleicht könnte sich der eine oder
andere Krankenkassenmitarbeiter, der im Zuge der Zusammenlegung
seinen Arbeitsplatz verliert, dafür erwärmen, wirklich für Kranke
und Alte da zu sein und auf einen Mangelberuf umzuschulen: Kranken-
oder Altenpflege. Statt professioneller Leistungsverhinderung
wirklich mal „Leistung am Menschen“! Na, wie wärs?

Allerdings ginge dann für eine stattliche Anzahl abgehalfterter Politiker ein lukrativer Ersatzjob
verloren. So macht es sich beispielsweise der ehemalige saarländische
Gesundheitsminister Andreas Storm heute im Vorstand der DAK bequem;
natürlich nicht für Gottes Lohn. Demnach würde die Regierung im
Fall der Fälle wohl doch in seltener Eintracht gegen eine
Einheits-GKV stimmen, denke ich. Man kann in diesen stürmischen
Zeiten ja nicht mehr alle überflüssigen Volksvertreter nach Brüssel
schicken, oder?



Die KVB ist existent, aber sinnlos!

Von Kranken und Kassen Posted on 12 Okt, 2016 03:39:56

Die Hoffnung ist tot – lasst uns eisern
an ihr festhalten! Das ominöse Neubauer-Gutachten, das bewiesen hat,
dass es für die allermeisten Kassenärzte mit Kassenmedizin kein
wirtschaftliches Überleben gibt, ist nun seit einer Woche publik.

In Auftrag gegeben hat es die
Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB). Just jene Institution
hielt das Dokument dann allerdings über ein Jahr lang unter
Verschluss, bis am 1. Oktober die dritte Vorsitzende der KVB, Dr.
Ilka Enger, im Alleingang den Text veröffentlichte.

Die KVB-Vorsitzenden – die Herren
Doktores Wolfgang Krombholz und Pedro Schmelz – verurteilten das
eigenmächtige Verhalten der Dritten im Bunde schärfstens.
Nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass Krombholz und Schmelz sich ab diesem Zeitpunkt seitens der Kassenärzteschaft die Frage gefallen lassen müssen,
warum sie so lange schwiegen und die finanzielle Misere der
Ärzteschaft weder objektiv dokumentierten, noch etwas gegen die
Missstände unternahmen?

Entlarvung mitten im Wahlkampf

Aktuell ein besonders heißes Eisen,
denn in Bayern läuft der KV-Wahlkampf und jeder der drei
Vorstandsposten ist, ganz nebenbei bemerkt, höher dotiert als der Job der Bundeskanzlerin.
Diese Kampagne dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass
erster und zweiter Vorsitzender nicht – wie angekündigt – zum 30.
September die brisante Expertise publizierten.

Gewiss fürchteten die Herren die Entlarvung,
die Offenbarung der Hilflosigkeit der KV-Funktionäre, wenn es darum
geht, effektive wirtschaftliche Verbesserungen für die ärztliche
Basis zu realisieren. Oder muss man die beiden Honoratioren für so
bösartig halten, dass sie aus misanthropischer Grundhaltung ihrem
Wahlvolk gegenüber nicht handelten?

Also unsereiner unterstellt eine
solche Haltung weder dem einem noch dem anderen. Allerdings hängt die KV als Körperschaft des öffentlichen Rechts an der
straffen Leine des jeweiligen Landesgesundheitsministeriums. Macht im
Sinne von „etwas verändern können an der ärztlichen Basis“
heucheln die Funktionäre dem Volk lediglich vor, um es zu beruhigen.
Reeller Einfluss ist nicht vorhanden, sonst hätten die KV-Granden
nach dem Vorliegen des skandalösen Gutachtens ganz sicher davon
Gebrauch gemacht.

Flucht nach vorn ein plumper Trick

Was aber bewog Dr. Enger dazu, das
Licht der Öffentlichkeit zu suchen? Meiner Meinung nach das selbe
Kalkül, das ihre beiden Vorstandskollegen förmlich zur längst
möglichen Verschleierung unangenehmer Tatsachen „nötigte“!
Während Wolfgang Krombholz und Pedro Schmelz im KV-Wahlkampf
unbequeme Fragen fürchteten, hoffte die Kollegin für ihre heroische
Entschleierung auf Sympathiewählerstimmen.

Meine im letzten Blog-Beitrag kund
getane Hoffnung, die Publikation des Neubauer-Gutachtens rühre wohl
daher, dass der BFAV (der Berufsverband, dem Frau Enger angehört)
nach über einem Jahr der Kenntnis der „desaströsen“
Experten-Bilanz eine Lösung für die ärztliche Basis entwickelt
hätte und deswegen eine zeitliche Verzögerung entstand, hat sich
zerschlagen. Kein konstruktiver Vorschlag – nur ein „Wählt uns
in die KV – dann wird alles besser!“. Ilka Engers vermeintlich
kämpferischer, mutiger Schritt nach vorn entpuppt sich als plumpes
Wahlkampfmanöver.

Von „totem Pferd“ profitiert nur der Funktionär

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie
können in die KV wählen, wen Sie wollen: Ein totes Pferd wird nicht
schneller, wenn man einen besonders guten Jockey draufsetzt. Und dass
„das Pferd“ tot ist beweisen die ellenlangen Analysen des
Abdeckers Neubauer. Ja gibt es denn dann gar keine Möglichkeit mehr,
vom KV-System zu profitieren, wird sich jetzt der eine oder andere
Leser fragen? Doch, doch, als Funktionär! Je weiter oben, desto
besser – und die Basis zahlt die Zeche.

Übrigens, früher war alles besser,
gell! Falls Sie sich an die Euphorie nach der Berufung Ilka Engers in
den KV-Vorstand erinnern wollen, über genug Frustrationstoleranz
verfügen und Sie einen Zugang ins „Hippokranet“ haben,
hier der Link aus meiner Hippokranet-Linksammlung:

http://www.hippokranet.com/de/forums/thread/28/51962/535068

Euphorismen allenthalben in diesem
Thread! Und was davon ist geblieben? Neubauers Gutachten! Das
Desaster schwarz auf weiß! Nur diesmal wird alles anders? Warum
sollte es? Kdör-Status abgeschafft??



Fakt ist: Ärzten geht es schlecht

Von Kranken und Kassen Posted on 04 Okt, 2016 11:56:36

Dr. Ilka Enger, die dritte Vorsitzende
der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), hat am 1. Oktober im
Alleingang das sogenannte Neubauer-Gutachten veröffentlicht, das
zuvor eben jene KVB über ein Jahr unter Verschluss gehalten hatte.
Verdächtig, nicht wahr? Was ist so geheimnisvoll an diesem Dokument? Dazu zwei Erläuterungen:

Fakten warfen Probleme auf

Erstens: Professor Dr. Günter Neubauer
war von 1987 bis 1990 Mitglied
der Enquête-Kommission „Strukturreform
der gesetzlichen Krankenversicherung“ des Deutschen
Bundestages, bevor er von 1991 bis 1998 dem Sachverständigenrat
zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen
angehörte.
Bis er im Jahr 2006 seinen Ruhestand antrat, lehrte
er Volkswirtschaft mit
den Schwerpunkten Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement an
der Universität
der Bundeswehr in München
.

Aktuell ist der
Pensionär Direktor des „Instituts für Gesundheitsökonomik
München (IfG)“. Just jene Einrichtung wurde von der KVB
beauftragt, zu untersuchen, wie sich mit den Einnahmen aus den Beiträgen der Kassenpatienten eine Praxis wirtschaftlich betreiben
lässt.

Kein Zweifel: Ärzten geht es schlecht

Zweitens: Was steht drin in diesem
Gutachten? Es umfasst mehrere hundert Seiten Text und hat die Frage
nach der Wirtschaftlichkeit der Praxen aus der Versorgung durch
„Kasse“ für die Jahre 2010 und 2013 untersucht, ist also
nicht mehr ganz aktuell. Das Hauptresultat: Den nicht-operativ
tätigen Ärzten auf dem Land geht es besonders schlecht. Allen voran
in den Disziplinen Frauenheilkunde, Orthopädie, Urologie,
Hautkrankheiten, Augenheilkunde und HNO. Je nach Fachgruppe
erstatteten die gesetzlichen Krankenkassen 2013 um 58 bis 191 Prozent
zu wenig pro Patient – die Zahlen für 2010 waren noch verheerender.

Erstmals wurde von einem neutralen Gutachter schwarz auf weiß
bestätigt, was eigentlich jeder betroffene Mediziner weiß: die
Kassenarztpraxis ist ein Draufzahlgeschäft – auch wenn es die
meisten Patienten nicht glauben wollen und die Politiker sowie
natürlich erst recht die Kassen vehement abstreiten, dass Ärzte zu wenig verdienen. Die jungen Mediziner haben es hingegen längst kapiert. Warum sonst finden
sich für so viele Praxen keine Nachfolger? (Achtung, liebe
Jungkollegen, die ihr euch doch zur Niederlassung überreden haben
lasst: Das böse Erwachen kommt erst nach sieben Jahren! Dann sind
die Abschreibungen gelaufen und der Fiskus schlägt mit ungeahnter
Härte zu).

Wieso die Geheimniskrämerei?

Nachdem das geklärt ist, verrate ich
Ihnen, worüber ich mir wegen diesem Gutachten Monat um Monat das
Hirn zermartert habe: Was dabei ungefähr rauskommt, war an und für
sich jedem niedergelassenem Arzt klar. Dass diese Ergebnisse – von einem renommierten Mann wie Dr. Günter Neubauer erarbeitet – in ständigen Debatten mit Krankenkassen und Politikern argumentativ einem scharfen Schwert gleichen,
erscheint ebenfalls logisch. Die Gretchenfrage: Warum um alles in der
Welt hat der Vorstand der KVB diese brisanten Daten über ein Jahr
lang unter Verschluss gehalten? Wer profitierte davon?

Ich glaube, heute hatte ich ein
Aha-Erlebnis. In meinem Kopf hörte ich förmlich den Groschen
fallen. Der Vorstand der KVB besteht aus drei Personen:

– Dr. Wolfgang Krombholz, 1.
Vorsitzender, im Vorstand über den Bayerischen Hausärzteverband.

– Dr. Pedro Schmelz, 2. Vorsitzender,
im Vorstand über den Berufsverband der Augenärzte.

– Dr. Ilka Enger, 3. Vorsitzende, im
Vorstand über den Bayerischen Facharztverband.

Erstmal über Lösungen nachdenken

Natürlich mussten die genannten
Vorstände den brisanten Gutachten-Text eine gewisse Zeit lang
zurückhalten, um ihren Berufsverbänden ausreichend Zeit zu geben
und um für die Ärzte, die Mitglieder eben dieser Berufsverbände
sind, fertige Lösungen zu erarbeiten, die Wege aus der Misere
aufzeigen. Mit schlichten „Das lassen wir uns nicht länger
gefallen“-Parolen oder symbolischen Praxisschließungen für
einen Tag (selbstverständlich mit bestens organisierter
Praxisvertretung) hätte die werte Vorstandschaft ihren Mitgliedern
ob der knallharten Fakten nicht mehr zu kommen brauchen.

Jetzt, nach
über einem Jahr Vorbereitungszeit, können die Mitglieder der
Verbände sicher Substanzielles erwarten, das den Niedergelassenen
eine Existenz außerhalb des KV-Systems ermöglicht, denn dass ein
Bestehen im KV-System unmöglich ist, hat das Neubauer-Gutachten ja
nun bewiesen.



Viel Schweigegeld für dicke Lügen

Von Kranken und Kassen Posted on 15 Aug, 2016 04:59:25

Momentan wird gewählt – und zwar sind
nach sechs Jahren Periode wieder einmal die Vertreter der
Kassenärztlichen Vereinigungen in Bayern dran, die dann ihre drei
Vorsitzenden küren. Gähn – interessiert eh keinen. Sollte es aber,
falls Sie Kassenpatient oder auch Kassenarzt sind. Warum?

Grobe Orientierung für nicht in die
Thematik involvierte Personen: Was treibt so eine Kassenärztliche
Vereinigung, kurz „KV“, gleich nochmal? Sie empfängt von
den gesetzlichen Krankenkassen jene 85 Prozent Honorar, die die
Kassen nach eigener Willkür für die zu hundert Prozent erbrachten
ärztlichen Leistungen zu bezahlen bereit sind – ich hab mir
diesbezüglich bereits des öfteren die Seele aus dem Leib
geschrieben…

15 Prozent weniger Honorar für Ärzte

Egal. Nochmal: die
Kassenleistungserbringersklavenärzte schuften im
Quartalsdurchschnitt bei 100 Prozent Leistung und 100 Prozent
Verantwortung für 85 Prozent Honorar. Die fehlenden 15 Prozent
werden „Budgetüberschreitungen“ genannt. Kassenärztliche
Vereinigungen reißen sich das zu knappe Geld von den Kassen unter
den Nagel und verteilen es in reduziertem Maße unter den Ärzten.
Ansonsten tun sich KVen so ähnlich wie die EU in Brüssel hervor:
Man widmet sich – ganz wie im Endlager für politische
Totalversager – der Erfindung fantasievoller Regeln …

Der Job als Vorsitzender so einer
Behörde bringt sicher viel Verantwortung mit sich – oder? Nun, wie
man es nimmt. KVen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Man
tanzt nach der der Pfeife des Landesgesundheitsministeriums. Eigener
Gestaltungsspielraum? Klar, wenn zum Beispiel neue Büromöbel
angeschafft werden müssen. Ansonsten bemüht man sich, die Vorgaben
der Politik praktisch umzusetzen und hält die Klappe. So wie eben in
allen Ämtern.

Was verdient so ein bayerischer
KV-Spitzenfunktionär? Ich kann es Ihnen nicht sagen, ohne bösartig
zu werden oder von mittelalterlichen Folter-Instrumenten zu träumen.
Ach so: Sie meinten, wie viel Geld er pro Jahr einnimmt?
Entschuldigung.

Reicher als die Bundeskanzlerin

Laut Deutschem Ärzteblatt am 4. März
2016: (https://www.aerzteblatt.de/callback/image.asp?id=73264)
bekommen der 1. Vorsitzende Krombholz und der 2. Vorsitzende Schmelz
der KV Bayern je 279.528 €. Die 3. Vorsitzende Enger erhält
255.333 € – für drei Tage pro Woche in München. Zwei Tage führt
sie ihre internistische Praxis in Neutraubling weiter.

Nur so zum Vergleich verbindliche Infos
vom Bund der Steuerzahler:
(http://www.steuerzahler.de/wcsite.php?wc_c=8697):
Bundeskanzlerin Merkel kommt auf 228.655 € im Jahr,
Bundesgesundheitsminister Gröhe auf schlappe 179.337 € p.a.

„Na, Frechheit, da werden die drei
Spitzenfunktionäre der Kassenärzte in Bayern letztlich mit
Beitragsgeldern der Kassenpatienten höher bezahlt als die
Spitzenpolitiker der Republik“, werden Sie sich jetzt denken – „und
wenn ich mal eine Massage will, dann mauert mein Arzt aus Angst vor
der AOK!“

Hm, um das zu verstehen, muss ich Ihnen
die beiden wesentlichen Funktionen eines KV-Funktionärs verraten,
die ihn für Politik und Ärzteschaft so wichtig und daher so
„wertvoll“ machen.

Üppiges Schmerzensgeld für den „Watschnmann“

Erstens: Politikern dient der
KV-Spitzenfunktion als oft strapazierter „Watschnmann“ für alle
Fälle. Ist Ihnen in den letzten Jahrzehnten schon einmal ein
Gesundheitspolitiker aufgefallen, der im Klartext politische Fehler
im ambulanten System anprangerte? Gewiss nicht. Es heißt doch immer,
dass die ärztliche Selbstverwaltung – das ist die KV – versagt
hat. Kann sie aber gar nicht, denn sie muss schlicht jede Idiotie
umsetzen, die die Politik befiehlt. Man denke an
Terminvergabestellen, bei denen kaum jemand anruft, deren Personal
aber aus Beitragsgeldern finanziert wird.

Weil der deutsche Michel
solchen Humbug jedoch nicht durchschaut, kann sich die Politik
reumütige „Verantwortungsnehmer“ für den Fall unangenehmer
Fragen leisten. Das sind die KV-Funktionäre, praktischerweise aus
den Beitragsgeldern der Versicherten und nicht aus dem Staatshaushalt
finanziert. Einem Menschen, der sich hinstellt und sämtlichen Unsinn
auf seine Kappe nimmt, gebührt eben ein ordentliches Schmerzensgeld.

Zweitens: Ärzte geben die Hoffnung
nicht auf, dass sich ihre Situation verbessert. Dass sie also zum
Beispiel eines Tages für hundert Prozent Leistung nicht nur 85,
sondern hundert Prozent Honorar bekommen.

Hinterfotzige Taktik

Dafür braucht es
Vertraute, die der breiten Kassenärzteschaft vorgaukeln, sie würden
sich in ihrer Eigenschaft als KV-Funktionär für dieses Ziel
einsetzen. Wohl wissend, dass gerade sie gar nicht die Möglichkeit
haben, etwas zu bewegen! Sie sind und bleiben Vorsitzende einer
Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit der Politik
gegenüber weisungsgebunden. Geballtes Pseudoengagement beweist
jahraus-jahrein vor allem Dr. Ilka Enger – die dritte Vorsitzende der
KV Bayern – und hält damit ganz im Sinne der Politik die grummelnde
ärztliche Basis ruhig.

Die hinterfotzige Taktik einer
vermeintlichen Fürsprecherin der Ärzteschaft wird mit reichlich
Silberlingen fürstlich belohnt. Die teuer bezahlte Verdummung der
ärztlichen Basis funktioniert offenkundig, wenngleich sich jeder
Kassenarzt nur die schlichte Frage stellen müsste, was denn die
verbale Dauerpräsenz jener Dame ihm persönlich in den letzten sechs
Jahren konkret gebracht hat?

Nun zu Ihnen, lieber mündiger Bürger!
Ja ja, machen kann man eh nix, gell… Wenn die Kassenversicherten
auf ihre Kassen einwirken und darauf bestehen würden, ihre
Rechnungen beim Arzt direkt bezahlen, so wie sie das in der
Autowerkstatt (in der Regel viel teurer als der Arzt!), beim Friseur,
im Restaurant – ja in praktisch allen Lebensbereichen auch tun, dann
bräuchte es keine Kassenärztlichen Vereinigungen mehr.

Eine erschreckend simple Lösung. In
Deutschland müsste man sich nur so verhalten wie die Menschen im
größten Teil der restlichen Welt. Wir hätten sogar eine
„Volkstribunin“, und zwar eine echte: Schauen Sie doch mal auf
die Facebookseite der Autorin und Publizistin Renate Hartwig:
https://www.facebook.com/renate.hartwig.5?fref=ts.



« VorherigeWeiter »