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Das kranke Gesundheitssystem

Anregung und Kritik erwünscht

Als steter Streiter gegen ein in meinen Augen ungerechtes Gesundheitssystem, dessen Gewinner die Krankenkassen und dessen bedauerliche Opfer die Patienten sind, freue ich mich über jede Form von Zustimmung, Ratschlag, Anregung oder Kritik. Ich wünsche mir nur, dass bei aller nachvollziehbarer Emotion der gute Ton in schriftlichen Beiträgen die erste Geige spielt.

Dr. Christian Nunhofer

Doktor Reinhardts wirre Gedanken

Von Kranken und Kassen Posted on 27 Mrz, 2017 06:06:21

In der aktuellen Münchner Medizinischen Wochenschrift „MMW“ vom 23. März 2017 hat der Vorsitzende des Hartmannbundes, Mitglied im Führungszirkel der Bundesärztekammer und auch deren Verhandlungsführer für eine neue Ärztliche Gebührenordnung (GOÄ) einen Aufsatz verfasst. Der Titel lautet „Bürgerversicherung: Ein freier Beruf braucht kein staatliches Korsett“.

Konkret führt Doktor Reinhardt aus: „Für uns Ärzte ist eine Einheitsversicherung mit einer Einheitsgebührenordnung, wie sie die Bürgerversicherung wäre, nicht zu akzeptieren. Wir sind in erster Linie Freiberufler – und dazu gehört zuallererst Therapiefreiheit.“

Markige Worte

Nun ist zitierter Herr Reinhardt nicht nur meiner Meinung nach schon des Öfteren durch wirre Gedanken aufgefallen. Zu Beginn sollte es für uns Ärzte von untergeordnetem Interesse sein, wie die Politik die Krankenversicherung der Bürger gestaltet. Wichtig wäre vielmehr, dass wieder Leistungstransparenz ins Arzt-Patienten-Verhältnis komme – und das funktioniere nur mit einer direkten Abrechnung zwischen Arzt und Patienten.

Ob Letzterer diese Rechnung dann an eine Kasse weitergibt, die im Rahmen einer Bürgerversicherung organisiert ist oder sich die Auslagen sonstwie erstatten lässt, sollte uns Ärzten eher gleichgültig sein.

Überhaupt Freiberuflichkeit! Markige Worte, die der Genius Reinhardt zu diesem Thema bemüht. Freiberufler sind …? Per Definition Selbstständige, die kein Gewerbe betreiben und damit keine Gewerbesteuer zahlen müssen. „Freiberuflichkeit“ ist also ein Begriff, der steuerrechtlich relevant ist – und sonst nichts, aber auch gar nichts. Mit „Therapiefreiheit“ hat „Freiberuflichkeit“ so viel zu tun wie eine Filzlaus mit einem Herzinfarkt.

Desaströse Gedanken

Kein Wunder, dass die bisherigen Verhandlungen zur „GOÄ neu“ so desaströs verliefen, wenn sie in den Händen solcher Leuchten wie eines Herrn Reinhardt liegen.

Nun verschickt dieser Tage die Bayerische Landesärztekammer, kurz „BLÄK“, wie alle Jahre wieder ihre Beitragsbescheide. Mit den Beiträgen der BLÄK – wie auch aller anderer Landesärztekammern – wird die Bundesärztekammer mitfinanziert.

Bereits am 28. Januar dieses Jahres hatte ich die BLÄK angeschrieben und um die Übermittlung der wirtschaftlichen Daten der Organisation gebeten. Insbesondere äußerte ich den Wunsch „Eine etwaige hierin vorhandene Position ‚Reinvermögen‘ wollen Sie bitte aufschlüsseln.“ Darauf teilte man mir am 03. Februar mit, dass die „Aufschlüsselung der Position ‚Reinvermögen'“ – immerhin laut Aufstellung der BLÄK mit einem Volumen von gut 19 Millionen Euro! – „nicht möglich ist …“.

Aufforderung zum Elfmeter

Kommentar des Bundesverbands für Freie Kammern („bffk“) am 27. Februar: „Wenn Ihnen die Kammer jetzt nochmal mitteilt, dass eine Aufschlüsselung des Reinvermögens nicht möglich ist, so heißt das doch nichts anderes, als dass es jedenfalls eine ordentlich zweckgebundene Rücklagenbildung nicht sein kann. Denn die ließe sich ja beziffern. Also haben die Ihnen damit den Ball für die laufende und auch eine neue Klage auf den Elfmeterpunkt gelegt“.

Was lernt uns das, wie der Norddeutsche fragt? Es steht zu vermuten, dass die BLÄK nicht rechtskonform mit ihren Beitragseinnahmen wirtschaftet. Wenn ich ohnehin mit der Kammerarbeit – insbesondere mit der Unfähigkeit der Bundesärztekammer in Sachen GOÄ (die hierbei von der BLÄK nicht nur finanziell, sondern auch im Kurs kräftig unterstützt wird) – unzufrieden bin, warum um alles in der Welt soll ich die Unfähigkeit in der ordentlichen Haushaltsführung und der Verhandlungsführung zur GOÄ auch noch mit Kammer-Zwangsbeiträgen alimentieren?

Konsequenz: keine Beitragsüberweisung, sondern Klage. Mir hilft der bffk, sh. https://www.bffk.de/

Parlieren statt agieren

Noch ein abschließendes Wort zu unseren ärztlichen Berufsverbänden: Wo bleibt deren Handeln gegen die Kammern?

Die Vorstände der Freie Ärzteschaft „FÄ“ und den Bayerischen Facharztverband „BFAV“ nebst dessen Bundesableger BVNF habe ich wiederholt zur Unterstützung im praktischen Handeln gegen die Kammern aufgefordert und auf den bffk hingewiesen. Man könnte ja schließlich die eigenen Mitglieder dazu bewegen, darüber nachzudenken, ob sie mit der Art, wie die Kammern mit ihren Beiträgen wirtschaften, zufrieden sind?

Reaktion seitens der Verbände? Keine. Man bleibt sich des Mottos „parlieren statt agieren“ treu und jammert weiter mit dem Rotweinglas in der Hand über den deutschen KdöR-Sumpf, anstatt konkrete Maßnahmen zu dessen Trockenlegung zu unterstützen …



Das Elend der privat Versicherten

Von Kranken und Kassen Posted on 14 Feb, 2017 07:04:02

Mein Freund Ulf erzählt mir kurz vor Jahresende, sein Versicherungsmakler habe ihn informiert, dass die AXA – seine private Krankenversicherung – die Versicherungsprämie um einen Hunderter anhebe. „Na ja“, hab ich gesagt, „den Hunderter pro Jahr kannst du schon noch stemmen“.

„Nein nein“, erwiderte Ulf. „Nicht im Jahr – im Monat!“ Ein anderer AXA-Kunde hat es so formuliert: „Stellen Sie sich das mal vor: Die AXA wird ab Januar um ein Drittel teurerer! Wenn das so weiter geht, wie soll ich die Prämien im Alter noch bezahlen können?“

Nicht allein auf weiter Flur

Die AXA hat wohl zum Jahreswechsel bei ihren Privatpatienten besonders kräftig zugelangt, doch auch etliche andere Versicherer verteuerten sich im zweistelligen prozentualen Bereich. Neueren Meldungen zufolge ziehen im Frühjahr viele weitere private Versicherungskonzerne nach.

Unsereiner hat einmal auszurechnen versucht, um wie viel die privaten Krankenversicherer im Lauf der letzten zwanzig Jahre alljährlich ihre Prämien erhöht haben. Dabei bin ich auf einen Schätzwert von 4,6 Prozent p.a. gekommen. Das ist stattlich, wenn man bedenkt, dass die Inflation seit langen Jahren sehr niedrig ist und die ärztliche Gebührenordnung (GOÄ), nach der gegenüber den Privaten Krankenversicherern (PKV) abgerechnet wird, in den letzten 21 Jahren um null Prozent angehoben wurde.

30 Milliarden in 20 Jahren

Richtig, NULL Prozent. Das heißt: ein EKG zum Beispiel kostet für Privatpatienten noch genauso viel wie anno ’96. Allein durch den Nicht-Ausgleich der Preissteigerung haben die Ärzte der PKV auf jede Rechnung von 1996 bis 2016 einen Durchschnittsrabatt von 16,0 Prozent gewährt, das sind – vorsichtig geschätzt – über die Jahre in der Summe 30 Milliarden Euro.

Seit 1996 liegt die aufsummierte Teuerungsrate bei 33,6 Prozent, so dass jede Arztrechnung nach GOÄ 2016 33,6 Prozent weniger wert war als 1996. Wieder sehr zurückhaltend geschätzt, haben die Ärzte die privaten Versicherer damit im vergangenen Jahr durch den Teuerungsverlust mit 1,6 Milliarden Euro finanziell entlastet.

Provisionen in Rekordhöhe

Freilich brauchen die armen Versicherungsgesellschaften das Geld dringend: Haben sie doch alleine an ihre Makler für Neuabschlüsse 2,4 Milliarden an Prämien ausbezahlen müssen. Damit wenigsten klar ist, wessen Arbeit etwas wert ist…

Klar wie Kloßbrühe ist, dass nach 21 Jahren Nichtanpassung die Gebührenordnung GOÄ reformiert werden muss! Eine solche Reform müsste zweifellos mit einer erheblichen Erhöhung der ärztlichen Honorierung einhergehen.

Zusätzliche Belastung

Eine derartige Erhöhung kann aber nicht im Interesse der öffentlichen Hand und damit des Gesetzgebers sein, da die öffentliche Hand über die Beihilfen an der Finanzierung des Gesundheitswesens unmittelbar mitbeteiligt ist und somit die öffentlichen Haushalte zusätzlich belastet würden. (Anmerkung: die Beihilfen sind die beitragsfreien Krankenzusatzversicherungen des Bundes, der Länder und der Kommunen für die Beamten, die bis zu zwei Drittel der Arztrechnungen der Beamten übernehmen, so dass sich Beamte nur teilweise bei einer PKV versichern müssen).

Es besteht ein unlösbarer Interessenkonflikt des Gesetzgebers, der die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung unter den derzeitigen Bedingungen kaum mit den berechtigten Ansprüchen der Ärzte nach einer erhöhten Vergütung auf einen gemeinsamen Nenner bringen können wird.

Zwang zum Wechsel in Basistarif

Eine Erhöhung kann auch nicht im Sinne der privaten Krankenversicherer sein, da diese erhöhte Ausgaben für Honorare zwangsläufig durch höhere Beiträge kompensieren müssten, was den Teil jener Versicherten, die höhere Beiträge finanziell nicht mehr darstellen können, in den billigen PKV-Basistarif zwingen würde – entgegen dem Interesse der Versicherer und auch dem der Ärzte.

Im PKV-Basistarif wird der Patient in den Leistungsansprüchen mit einem gesetzlich versicherten Patienten gleichgestellt. Der PKV-Basistarif ist ein konkretes Beispiel für soziale Ungerechtigkeit: Solange der Versicherte jung und gesund war, hat er hohe Prämien für eine optimale medizinische Versorgung gezahlt, diese aber kaum in Anspruch nehmen müssen.

Wenn er mit zunehmenden Lebensjahren der Natur entsprechend vermehrt ärztliche Leistungen braucht und sich zugleich die ansteigenden Versicherungsprämien nicht mehr leisten kann, dann muss er als Versicherter im Basistarif erfahren, dass er gerade dann die Vorteile der PKV nicht mehr nutzen kann, wenn er darauf angewiesen ist. Vormals hohe Prämienzahlungen verpuffen ohne Gegenleistung.

Versicherungsmodell ohne Zukunft

Wenn eine Gebührenerhöhung über eine Prämienerhöhung tatsächlich eine vermehrte Zahl der Versicherten in den PKV-Basistarif zwingt, so kann dies auch nicht im Interesse der Ärzte sein. Diese können dann zwar für den überwiegenden Teil der PKV-Versicherten höhere Rechnungen stellen, sehen sich aber andererseits einem zunehmenden Anteil schlecht zahlender Basistarifversicherter gegenüber. Ob aus diesen Umständen eine in der Summe höhere Honorierung der Ärzte resultiert, ist zu bezweifeln.

Die schlichte Wahrheit ist: Das Versicherungsmodell der PKV in der momentanen Form ist nicht zukunftsfähig. Dass die gesetzliche Krankenversicherung ein bürokratisches und uneffektives Monster zum Schaden ihrer Versicherten ist, habe ich im letzten Blogbeitrag erläutert. Die Lösung heraus aus dem Dilemma der GKV und der PKV heißt: eine intelligente Bürgerversicherung mit Zusatzleistungen. Wie eine solche zu gestalten ist, will ich im nächsten Blog-Beitrag erläutern.



Korrekte Fehlverteilung der Beiträge

Von Kranken und Kassen Posted on 14 Jan, 2017 07:39:26

Wer sich mit Gesundheitspolitik beschäftigt, ist sicher schon einmal über den Namen Dr. Ellis Huber gestolpert: Mediziner, ohne den Beruf praktisch je ausgeübt zu haben, aber immer in der Gesundheitspolitik aktiv, sei es als Organisator alternativer Ärztetage, Buchautor, Präsident der Ärztekammer Berlin oder Krankenkassenvorstand – dabei stets chic links, wie es sich ziemt.

In einem Posting am 28.12. im geschlossenen Ärzteforum „Hippokranet“ versuchte der Huber Ellis die Ärzte zu überzeugen, dass es ohnehin kaum einen Unterschied zwischen den Ausgaben der gesetzlichen und der privaten Versicherer pro Patient und Jahr gebe, es uns Niedergelassenen also an sich schnuppe sein könne, wenn die Privatversicherung einer Bürgerversicherung zum Opfer falle:

„Mehr oder weniger“ sollte beziffert werden

„…. In der Realität finanziert die PKV pro Versicherten in der Krankenkassen-Vollversicherung nach eigenen Angaben 2.950 Euro pro Jahr… Die GKV stellt in 2015 205 Milliarden bereit und das sind … etwa 2.905 pro Versicherten. … Der Unterschied ist nur der, dass die PKV etwa 1,5 Milliarden mehr ambulant und dafür 1,5 Milliarden weniger stationär aufwendet.“ (http://www.hippokranet.com/de/forums/thread/16/88322/838674).

Dieses „mehr ambulant und weniger stationär“ sollte sich beziffern lassen. Da hilft ein Blick in „AOK Zahlen und Fakten 2015“. Dort ist auf S. 3 „Basisdaten“ aufgeführt: „Ärzte, GKV-Ausgaben je Versicherten: 487,35 €“. (aok-bv.de/imperia/md/aokbv/aok/zahlen/zuf 2015 web.pdf).

Mit dieser Zahl wird klar: bei „Die Privaten zahlen im Grunde auch nicht mehr als die Gesetzlichen“ handelt es sich um eine scheinheilige Suggestion, die es in dieser Form gegenüber den niedergelassenen Ärzten nicht geben darf, denn von den 2.905 Euro pro Jahr der gesetzlichen Kassen landen abzüglich der 487 Euro 2.418 Euro in den Krankenhäusern.

Verlagerung von ambulant nach stationär wird erzwungen

Was hat der niedergelassene Arzt davon – und was vor allem dem Patient??
Die privaten Versicherer investieren bei ihren Ausgaben laut Herrn Huber weit mehr in die ambulante Medizin, also die niedergelassenen Ärzte. Die gesetzlichen Kassen hingegen können nicht wirtschaften, beharren der Politik gegenüber auf eine budgetierte und damit rationierte ambulante Medizin und erzwingen so eine Verlagerung der Behandlung von ambulant nach stationär. Wenn das nicht die Kosten treibt!

Ein Drittel aller Klinikaufenthalte von Kassenversicherten könnte bekanntermaßen vermieden werden, wenn der Budgetdruck nicht manche Einweisung aus wirtschaftlichen Gründen (die gelten nämlich auch für die Ärzte, nicht nur für die Kassen!) erzwingen würde. Wenn die Untersuchungen und die Behandlungen des Patienten viel mehr Aufwand verursachen als die knappen Mittelzuteilungen der Kassen abdecken, dann wird der Patient eben stationär eingewiesen. Und so gesehen bekommt der GKV-Patient für das Geld, das seine Kasse in ihn investiert, natürlich schon mehr als mancher privat Versicherte, nämlich eine stationäre Behandlung mit Verpflegung und manche Krankenhauskeim-Infektion obendrein.

Rationierung als Kostentreiber

Das alles ist zwar überflüssig, dient nicht dem Wohl des Patienten und auch nicht dem Finanzpolster der Krankenkasse – aber soweit reicht das Hirn der gesetzlichen Krankenkassenfunktionäre nicht – und das der Gesundheitspolitiker schon gar nicht. „Ambulant vor stationär“ predigen die Damen und Herren gesetzlichen Krankenkassenmanager gerne. Gesundheitspolitiker sowieso. Dass die Regelungen im Sozialgesetzbuch Kapitel V, insbesondere die Budgetierung (= Rationierung) der ambulanten Medizin genau zum Gegenteil führen und damit insgesamt die Kosten treiben, lässt sich mit den Zahlen oben belegen. Ellis Huber sei Dank!

Warum es mit den privaten Krankenversicherern trotz allem so nicht weiter gehen kann und wir wohl oder übel um eine Bürgerversicherung nicht herumkommen, werde ich Ihnen demnächst erklären.



Gefährliche Wut auf „die da oben“

Von Kranken und Kassen Posted on 24 Nov, 2016 10:23:26

Nein, die etablierten Politiker,
Journalisten und Politikwissenschaftler haben immer noch nicht
verstanden, was Donald Trump zum Präsidenten der USA gemacht hat. Im
STERN vom 11.11. erklärt der renommierte Politikwissenschaftler
Professor Karl-Rudolf Korte auf die Frage, welche Lehren die
etablierten Parteien in Deutschland im Lichte der US-Wahlen zum
künftigen Umgang mit Populisten ziehen sollten: „Zuversicht
verbreiten, nicht Angst. Und konkrete Zukunftspläne für soziale
Infrastrukturen entwickeln, die allen etwas bringen.“

Mir dünkt, Herr Professor haben etwas Wesentliches
nicht kapiert. Hat etwa Angst die Wähler Trump zugetrieben? Nein! Es
war die pure WUT auf „die da oben“, die sich sozial geben, sich
aber de facto Hand in Hand mit den Konzernen Posten und damit
Millionensummen gegenseitig zuschieben und meinen, „die da unten“
mit nichts als Stillhalteparolen abspeisen zu können.

Die Weglass-Presse als Hiobs-Botschafter

Und die
Medien, die in den USA genauso viel an Glaubwürdigkeit verloren haben
wie hierzulande? Die werden eben als Übermittler der
Hiobs-Botschaften, als „Hofnarren“, längst aber nicht mehr als
Volkstribunen und Fürsprecher der kleinen Leute wahrgenommen.
Missstände schweigt man tot, statt sie zu thematisieren.

Bei uns ist es keinen Deut anders. Als
neulich CETA – leider! – verabschiedet wurde, habe ich in
Publikationen verschiedenster Quellen allenthalben den Hinweis
vermisst, dass mit CETA auch die ordentliche Gerichtsbarkeit bei
Streitigkeiten zwischen der EU, Kanada und Konzernen abgeschafft
wird.

Deren Aufgabe übernehmen statt dessen „Schiedsgerichte“,
also obskure Hinterzimmertribunale ohne Berufungsmöglichkeit, in die
auch die Konzerne „Richter“ schicken, die Staaten zu
Milliardenstrafen aus Steuergeldern im Sinne der Konzerne verurteilen
können.

Eingestampfte Argumente

Spielte dieses Thema eine Rolle vor bei
der Berichterstattung der Weglasspresse, als sich die Wallonen dem
Handelsabkommen entgegenstemmten? Informationen, dass zwischen den
USA und Kanada das Freihandelsabkommen NAFTA besteht und US-Firmen
nur Niederlassungen in Kanada eröffnen müssen, damit – zugegeben
verkürzt – gilt: NAFTA + CETA = TTIP?

Nichts dergleichen –
Argumente wurden eingestampft auf Parolen wie „Wird die EU noch
fähig sein, ein Handelsabkommen zu ratifizieren, oder ist sie
handlungsunfähig?“ Da wurden Emotionen bedient, statt über
Fakten berichtet: Die mediale Berichterstattung war schlicht
postfaktisch. Wer durchblickt, wird in so einer Situation nicht
ängstlich, sondern WÜTEND!!!

Parallelen zur Medizin

Was hat das alles mit Medizin zu tun?
Gibt es schlimmstenfalls Parallelen? Am 2. November titelte die
„ÄrzteZeitung“ zur Reform der Gebührenordnung, die seit
21 Jahren in der Vergütung nicht mehr angepasst ist (bei
Privatpatienten kostet das EKG heute noch genau den selben Betrag wie
1996!): „Arztstunde soll 100 Euro wert sein“.

Kein
Geringerer als der Verhandlungsführers der Ärzte und Vorsitzenden
des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, der die Verhandlungen für
die Ärzte im Auftrag der Bundesärztekammer führt, tat dies kund. Hundert Euro!!! Hat er das ernst gemeint? Als ich vor etlichen Jahren
einen Medizinrechts-Anwalt zu Fragen der Gründung einer
Berufsausübungsgemeinschaft beschäftigt hatte, verlangte der 150
Euro – für die Anfahrt – und 250 Euro für die eigentliche Tätigkeit
vor Ort.

Der Anwalt ist nach acht Semestern gebacken

Zur gefälligen Erinnerung:
Mindestdauer Jurastudium acht Semester, dann ist der Anwalt gebacken,
die Kanzlei kann eröffnet werden. Mindestdauer Medizinstudium: 12
Semester (nebenbei: kein anderes Fach hat einen solchen Lernaufwand –
die spätere 60-Stunden-Berufswoche lernen die Mediziner schon im
Studium kennen, in den „Semesterferien“ stehen Praktika auf
dem Plan).

Im Anschluss dann fünf bis sechs Jahre Facharztausbildung
(auch für Allgemeinärzte!), es folgt die Facharztprüfung, dann
erst geht’s – meist verbunden mit beachtlichen finanziellen
Investitionen – in die eigene Praxis.

Handwerksmeister? Zehn Jahre Schule,
dann drei Lehrjahre bis zur Gesellenprüfung, drei Jahre
Meisterschule. Kosten Meisterstunde incl. Mehrwertsteuer 83,30 Euro
(bitte Preisliste DICKItal Elektrotechnik googeln). Nach – im
optimalen Fall – 16 Jahren Schule und Ausbildung.

Unsereiner war
extrem schnell und hat nach 27 Jahren Schule und Ausbildung seine
Facharztpraxis eröffnet – und das soll gerade 16,7 Prozent mehr wert
sein als eine Meisterstunde?

Vorschläge, die Wut erzeugen

Außerdem wage ich zu behaupten, dass
mein Wissen wesentlich komplexer und meine Verantwortung ungleich
höher ist als zum Beispiel die eines Elektromeisters. Klar, auch der
kann fatale Fehler begehen – aber wie viele Menschen hat er schon
konkret davon abgehalten, von der Autobahnbrücke zu springen oder
sich sonstwie das Leben zu nehmen?

Unsereiner? Dutzende! Von anderen
schwerwiegend und lebensbedrohlich Erkrankten in der Neurologie und
Psychiatrie, denen ich an Leib und Leben helfen konnte und helfen
kann, ganz zu schweigen. Was also bringt mir eine Arztstunde mit hundert Euro Umsatz – nicht brutto, und schon gar nicht netto? Nichts. Aber
solche Vorschläge machen etwas mit mir: sie schüren WUT!!! Ich
fühle mich in meiner Ausbildung und meiner Verantwortung im
Vergleich zu anderen Berufen schlicht missachtet!

Rationalisierungsgewinne? Sinkende Kosten?

Weiter im Text: „Auf der anderen
Seite – in der Technik – stehen Rationalisierungsgewinne und sinkende
Kosten“, schreibt die Ärzte Zeitung. Unser Ärztevertreter
Reinhardt schreckt vor einem Beispiel nicht zurück. Vor neun Jahren
habe sein neues Ultraschallgerät 50 000 Euro gekostet, vor vier
Jahren ein Neues nur noch die Hälfte.

Auch solche Kostenvorteile –
meint er – müssten in der neuen GOÄ berücksichtigt werden. Soll das
heißen, dass Ultraschallleistungen nach über zwanzig Jahren der
Nicht-Anpassung billiger werden? Das wäre ja eventuell ganz o.k.,
wenn die Versicherer ebenso denken würden, sofern es um die
Prämiengestaltung geht.

Keine sinkenden Versicherungs-Prämien

In den Krankenkassen wimmelt es nur so
vor Technik: Jeder Sachbearbeiter sitzt vor einem PC-Terminal. 1996 –
im Jahr des Inkrafttretens der aktuell immer noch gültigen GOÄ –
waren die Rechner um ein Vielfaches teurer und dabei wesentlich
leistungsschwächer als die Geräte heutzutage.

Haben Sie bemerkt,
dass ob dieses Sachverhalts Versicherungsprämien gesunken sind? Ich
nicht. Im Gegenteil: Gerade in der Privaten Krankenversicherung
stiegen die Zuschläge in den letzten zehn Jahren um durchschnittlich
fünf Prozent – per annum!
(https://www.1averbraucherportal.de/versicherung/krankenversicherung/beitragserhoehung#).

Was schlussfolgert Dr. Reinhardt laut
Ärztezeitung nach mehr als zwanzig Jahren Stillstand?: „Der
Kostenrahmen für die Einführung der neuen GOÄ wird bei maximal 6,4
Prozent liegen“. Wobei, das sei an dieser Stelle spaßeshalber
aufgeführt, allein die aufsummierte Teuerungsrate von 1996 bis 2015 33,8
Prozent beträgt.

Bedroht, überfordert oder erpresst?

Warum nur bringt der Vertreter der
Ärzteschaft solch enormes Verständnis für die Positionen der
Privaten Krankenversicherungen auf? Ist er von der Komplexität der
Materie überfordert? Wird er bedroht, gar erpresst? Ist er
vielleicht zu gutmütig, um irgend jemandem auf die Füße zu treten?

Ich fürchte, die Antwort fällt simpler aus und formuliere es auf
gut bayerisch: Ja mei! Er sitzt halt wohldotiert im
Beirat der Deutschen Ärzteversicherung und der Vorsitzende der
Bundesärztekammer, Montgomery, befindet sich ebenfalls nicht nur im
Beirat, sondern auch noch im Aufsichtsrat selbiger Versicherung. „Do
hoasst´s zammhalten und nie nix zuagehm“, hätte Ludwig Thomas
Landtagsabgeordneter Josef Filser gesagt.

Money, Money, Money

Passenderweise ist die
Deutsche Ärzteversicherung eine hundertprozentige Tochter des
AXA-Konzerns, der auch ein großer privater Krankenversicherer ist.
Es geht nur ums „Diridari“, sprich: Geld. Dämmert’s jetzt? Und
was verursacht das bei dem, der durchblickt? Etwa Angst? Nein: WUT!!!

Weiter im Sermon der Ärztezeitung, und
zwar zur Rolle der Politik, denn die gewählten Volksvertreter müssen
die neue GOÄ ja letztlich beschließen. „Als Problem erweist
sich, dass der Staat nicht nur Verordnungsgeber ist, sondern über
die Beihilfe zugleich einer der Kostenträger. Die Haushaltssituation
in den Ländern bremst hier die Möglichkeit der Honorarentwicklung.“

Zur Info für alle, die mit dem Begriff „Beihilfe“ nichts
anfangen können: Das ist die private Zusatzversicherung für die
Beamten. Allein die aufsummierte Teuerungsrate 1996 bis 2015 beträgt
33,8 Prozent – und die Erhöhung der Bezüge der
Bundestagsabgeordneten liegt im selben Zeitraum bei 49,0 Prozent. Die
erneute Anhebung um 830 Euro seit 1. Juli ist noch nicht mit
eingerechnet. Arzthonorare erhöhen funktioniert aber keinesfalls –
das würde ja die öffentlichen Kassen belasten.

So tot, wie man nur sein kann

Passenderweise in diesem Sinne äußerte
sich jüngst der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium,
Laumann: Auf die Frage einer Journalistin zur sprechenden Medizin und
dazu, woher das Geld für deren Vergütung innerhalb der
Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) künftig kommen soll, antwortete er: „Die GOÄ ist nicht mein Thema“. Und: „Sie wissen,
dass die (GOÄ) zurzeit so tot ist, wie sie nur tot sein kann“.

Zudem sei dies nicht das Problem der
Gesetzlichen Krankenversicherung. Insgesamt glaube er, Laumann, dass
sich die ‚Ärzte in unserem Land alles in allem über ihre
Honorierung nicht beklagen können“.
(http://www.facharzt.de/content/red.otx/187,173179,0.html). Aha,
offenkundig ist zudem für die gesetzlich Krankenversicherten
zuständigen Staatsminister im Gesundheitsministerium noch nicht
vorgedrungen, dass für etliche basisversorgende Fachärzte die
Kassenmedizin ein Draufzahl-Geschäft ist. Das hat das kürzlich
veröffentlichte Neubauer Gutachten ergeben (sh. Blogbeitrag: „Die KVB ist existent, aber sinnlos!“).

Inkompetent dümmliches Gefasel

Diese armen
Kassenleistungserbringerarztsklaven sind auf die Einnahmen der
Privatversicherten angewiesen, um mit ihnen das defizitäre
Kassengeschäft querzusubventionieren. Bittere Realität in
Deutschland! Und was erzeugt das inkompetent-dümmliche Gefasel des
Spitzen-Gesundheitspolitikers Laumann? Bei mir jedenfalls nicht
Angst, sondern WUT!!!

Denn „die Politik“ hatte sich
natürlich über die Jahre hinweg nicht gescheut, die
Gebührenordnungen anderer Selbständiger nach oben hin ordentlich
anzugleichen, zum Beispiel die der Architekten, Notare, Steuerberater
und Rechtsanwälte.

Da heißt es doch tatsächlich im Art.
3 Grundgesetz: (1) „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“.
Ob das nicht beinhaltet, dass auch alle Menschen vom Gesetzgeber
gleich fair behandelt werden müssen, unabhängig von der
öffentlichen Haushaltslage?

Sie sägen am Ast, auf dem sie sitzen

Meine Damen und Herren von der Politik,
vom Funktionärsestablishment und von den Weglassmedien: Glauben Sie
mir, Sie können sich ruhig weiter gegenseitig anlügen über die
wahre Befindlichkeit der Bevölkerung und untauglichen demoskopischen
Ergebnissen vertrauen. Die Manipulation von „denen da unten“
zu Ihrem eigenen Wohl und dem der Konzerne in gegenseitiger Symbiose
funktioniert nicht mehr.

Die Resultate sehen Sie am Ausgang der
Brexit-Abstimmung, der US-Präsidentenwahl und vermutlich demnächst
an der Präsidentenwahl in Österreich. Der Lobbyismus, einhergehend
mit der Eigennutzoptimierungsdenke, die Sie auf Kosten „derer da
unten“ betreiben, führt dazu, dass Sie sich den Ast absägen,
auf dem Sie sitzen, weil Ihnen das eigene Wählervolk abhanden
kommt.

Es gibt nur drei Möglichkeiten

Die SPD hat es schon leidvoll erfahren
– aber immer noch nicht kapiert. Eine Wahlkampflüge wie „Es
ging uns noch nie so gut wie heute“ nimmt das Volk zu Zeiten, in
der die Mittelschicht wieder nach unten driftet und der Armutsbericht
eine ganz andere Sprache spricht, selbst einer Bundeskanzlerin nicht
ab. Es gibt nur drei Möglichkeiten:

1. Sie, die „Volksvertreter“,
wählen sich ein anderes Volk.

2. Das Volk wählt sich andere
Vertreter.

3. Sie fangen an, wieder das Volk zu
vertreten anstatt zuerst Ihre Interessen und die der Konzerne gegen
das Volk. Auch wenn diese Denke für Politiker vom Schlage eines José
Manuel Barroso, Gerhard Schröder, Daniel Bahr, Ronald Pofalla,
Eckart von Klaeden etc. etc. unvorstellbar ist.



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