Blog Image

Das kranke Gesundheitssystem

Anregung und Kritik erwünscht

Als steter Streiter gegen ein in meinen Augen ungerechtes Gesundheitssystem, dessen Gewinner die Krankenkassen und dessen bedauerliche Opfer die Patienten sind, freue ich mich über jede Form von Zustimmung, Ratschlag, Anregung oder Kritik. Ich wünsche mir nur, dass bei aller nachvollziehbarer Emotion der gute Ton in schriftlichen Beiträgen die erste Geige spielt.

Dr. Christian Nunhofer

Die Not der Notaufnahmen

Von Kranken und Kassen Posted on 18 Apr, 2016 05:35:09

Stundenlange Wartezeiten in Notaufnahmen von Krankenhäusern selbst für Patienten, bei denen es wirklich eilt? Neulich kam die Kieler Uniklinik in die Schlagzeilen, weil Hirninfarktpatienten drei bzw. fünf Stunden warten mussten, bis sich ein Arzt ihrer annahm. Politiker jedweder Couleur reagierten pflichtschuldig entsetzt, versteht sich.

Auf eine Veröffentlichung im Ärzteforum „Hippokranet“ hin berichtete ein Kollege von seinem Vater, der 24 Stunden nach der Aufnahme in einem Großkrankenhaus an seinem schwachen Herzen verstarb, ohne bis dahin gründlich untersucht, geschweige denn behandelt worden zu sein. Netto-Aufenthalt in der Notaufnahme: siebeneinhalb Stunden. Ein anderer Kollege ergänzte: Nach Einweisung unter dem Verdacht auf eine Hirnblutung habe es in einer süddeutschen Klinik fünf Stunden gedauert, bis ein Patient untersucht worden sei.
Was sind die Ursachen solcher Missstände?

Die Mängel-Hitparade

1. Rationierung der ambulanten Medizin, also der Praxen. Will heißen: Pro Quartal gibt’s nur einen bestimmten Geldbetrag für die Behandlung aller Kassenpatienten, und der ist so knapp bemessen, dass er nie und nimmer ausreicht. Folge: Circa ein Drittel der Patienten, die in Kliniken eingewiesen werden, könnten rein medizinisch in den Praxen gut versorgt werden. Weil Arbeit ohne Lohn allerdings in den Ruin treibt, werden aufwendige Patienten in Krankenhäuser delegiert und tragen so zu deren Überlastung bei.

2. Ärztemangel, zwar auch schon in den Praxen, aber vor allem in den Kliniken, die ja einen Teil der ambulanten Arbeit stationär aufs Auge gedrückt bekommen (siehe 1). Und Ärztemangel geht allein auf das Konto der Politik! 1989 – im letzten Jahr vor dem Mauerfall – gab es in der BRD West 85.901 Medizinstudenten.

Es folgte die Wiedervereinigung, mit ihr kamen acht ostdeutsche medizinische Fakultäten dazu und die Zahl der Einwohner stieg von etwa 60 Millionen in Deutschland West auf ungefähr 80 Millionen in Gesamtdeutschland.

Steigender Bedarf, sinkende Studentenzahlen

Die Zahl der Medizinstudenten hingegen sank (!) in Gesamtdeutschland (!) bis zum Wintersemester 2007/08 auf 78.545. Zum Wintersemester 2013/14 war sie allmählich auf 86.376 angestiegen und befand sich damit in etwa auf dem westdeutschen (!) Niveau vor dem Mauerfall. Warum konnte es zu so einer drastischen Reduzierung kommen? Die Antwort ist simpel. Ein Medizinstudent kostet den Staat bis zum Examen fast zehn Mal so viel wie ein Jurastudent und immer noch fast viermal so viel wie ein Ingenieurstudent.

Medizin ist das mit Abstand teuerste Studium. In Zeiten leerer Staatskassen wurde halt gespart. Dumm nur, dass die Bevölkerung dank der vermaledeiten Ärzte immer älter und mit zunehmendem Alter immer kränker wird, was wiederum mehr Mediziner erfordert. Das medizinische Paradoxon sozusagen. Ärzte in den Kliniken fehlen, nicht nur auf Station, sondern auch in der Aufnahme.

3. Die Anspruchshaltung mancher Patienten. Klar, wenn es im Brustkorb plötzlich heftig zieht, ist die Idee nicht schlecht, sich von einem Familienmitglied schnellstmöglich ins nächste Krankenhaus fahren zu lassen. Könnte ja wirklich ein Herzinfarkt sein. Allerdings: „Ich hab seit vier Wochen Rückenschmerzen und grade mal etwas Zeit – könnte der Arzt mal nachsehen?“ passt beim besten Willen nicht zu einer Not(!!!)Aufnahme. Dennoch tummeln sich gerade solche Zeitgenossen dort zuhauf und stehlen Doktoren Zeit für Patienten, die ernsthaft krank sind.

Profit geht vor Sorgfalt

4. Fehlanreize im Kliniksystem: Geld wird an der Klinik nicht mit der sorgfältigen Diagnose und gründlichen Behandlung von Patienten verdient, sondern mit dem Stellen möglichst vieler Diagnosen, die alle einzeln vergütet werden. Außerdem natürlich mit möglichst vielen Operationen. Alles andere ist aus kaufmännischer Sicht nichts wert – schon gar nicht die Gesundheit des Patienten. Die kommen oft genug kränker als vorher nach Hause.

Behandeln, Heilen gar, bringt ja kein Geld. Die Politik hat auf die Gesundheitsökonomen gehört, die Krankenhäuser arbeiten nach wirtschaftlichen Geboten wie eine Fabrik, da ist Ausschuss eben eine ökonomische Größe. Jener Patient jedoch, der als „Ausschuss“ die Klinik wieder verlässt, belastet das ambulante System. Meistens nicht lang, denn er wird bestimmt wieder eingewiesen. Natürlich über die Aufnahme, in der er stundenlang verweilt. „Drehtürpatient“ nennt man ihn in Fachkreisen.

Ökonomen dirigieren Politiker

Die Gesundheitsökonomen geben vor zu wissen, was gut ist fürs Gesundheitssystem. Die Politik setzt um, was sie vorgeben. Unterm Strich zählt nur noch die Gesundheit der Bilanz, nicht mehr die des Menschen.

Lösungen liegen auf der Hand: Abschaffung der ambulanten Budgets, Steigerung der Medizinstudenten, Zuzahlungen für die Patienten bei missbräuchlicher Inanspruchnahme der Notaufnahmen, Änderung des Abrechnungssystems der Krankenhäuser. Warum aber wird sich nichts ändern? Weil es die Gesundheitsökonomen von der Bertelsmann-Stiftung und andernorts halt besser wissen und weil die Politiker weiterhin brav auf niemand sonst hören. Der Karren wird konsequent weiter und tiefer in den Dreck geschoben.

Oder hat irgendjemand den Eindruck, dass die gesundheitliche Versorgung in Deutschland in den letzten 20 oder 30 Jahren wirklich besser geworden ist? Der medizinische Fortschritt bei Technik und Medikamenten? Oh ja. Aber das Arzt-Patienten-Verhältnis? Das Zwischenmenschliche? Das einander vertrauen können? Wo ist das geblieben? Das ist keine wirtschaftlich kalkulierbare Größe, das haben die Damen und Herren Gesundheitsökonomen eben wegrationalisiert.



Es geht immer noch dümmer

Das Allerletzte Posted on 26 Mrz, 2016 05:47:34

Stellen Sie sich vor, Sie sind Herr Armer und haben Rechtsstreitigkeiten mit Ihrem Nachbarn, Herrn Vermöglich – sagen wir, wegen eines gemeinsam geplanten Bauvorhabens. Sie wenden sich vertrauensvoll an die renommierte Anwaltskanzlei Blöd, spezialisiert auf Baurecht. Ihr Nachbar wird Mandant der nicht minder geachteten und geschätzten Kanzlei Pfiffig. Was Sie nicht wissen: Ihr Advokat Blöd erledigt regelmäßig Jobs für die Kanzlei Pfiffig und wird aus diesem Grund von Ihrem juristischen Widersacher nicht eben kleinlich entlohnt.

Rechtsanwalt Blöd spricht zu Pfiffig: „Lieber Kollege, die Sache mit der Klage Armer ./. Vermöglich ist doch recht umfangreich. Wir müssen uns doch nicht beide durch den Sachverhalt wühlen, oder? Wie wäre es denn, wenn Sie, lieber Pfiffig, die kompletten Akten lesen, ich zahle einen Betrag dazu, und Sie verfassen nicht nur die Schriftsätze für Ihre Partei Vermöglich, sondern – bei Ihrer Sachkenntnis – für meine Partei Armer gleich mit?“ Was Wunder: Pfiffig jubelt über die prima Idee – und so läuft’s dann auch.

Ein abgekartetes Spiel

Kurz vor dem Gerichtstermin Vorbesprechung mit Ihnen. Rechtsanwalt Blöd beichtet: „Entschuldigung, Herr Armer, mir fehlt der Durchblick. Die ganze Sache hat Pfiffig erledigt, er hat mir erst vorgestern sämtliche Schriftsätze zukommen lassen. Das sind ja über 700 Seiten – da bin ich noch nicht durch …“ – Nun bleibt Ihnen die Spucke weg, oder?!
Auflösung des Trauerspiels: Herr“Armer“ symbolisiert die Ärzteschaft, vertreten durch die Bundesärztekammer „Blöd“ bei der Aushandlung der neuen Gebührenordnung (GOÄ). Kontrahent sind die privaten Krankenversicherungen (in dieser Geschichte Herr Vermöglich), vertreten durch den PKV-Verband „Pfiffig“. Hat sich nicht die Verhandlungsführung der Bundesärztekammer tatsächlich entblödet, den PKV-Verband um die Erstellung der neuen GOÄ zu bitten und den Ärzten bisher suggeriert, es komme etwas ganz Wunderbares heraus? Nun liegt der Text erstmals komplett der Gebührenordnungskommission der Bundesärztekammer vor! Die betreffenden Damen und Herren müssen nach schlappen zwei bis drei Jahren „Verhandlungen“ (!!) fast vom Stuhl gefallen sein und das Opus als schlicht unbrauchbar abgelehnt haben.

…halt mal machen lassen

Der Hauptverhandlungsführer der Ärzte, Windhorst, verteidigte sich mit dem Argument, man habe die privaten Versicherer halt mal machen lassen, er kenne das ganze Werk ja auch erst seit drei Tagen. Dann trat er zurück. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass Ärztekammerfunktionäre en gros in verschiedenen Aufsichtsräten und Beiräten sitzen, die von den privaten Krankenversicherern finanziert werden…
Noch Fragen? Ich jedenfalls bin restlos bedient!



Eine Allianz fürs Leben

Das Allerletzte Posted on 05 Feb, 2016 03:02:54

Rudolf Henke, seineszeichens Mitglied des Bundestages, scheint ein ehrenwerter Mann zu sein, für den Sie sich interessieren sollten. „Kenn ich nicht, brauch ich nicht“, denken Sie? Dann ist nichts zu machen. Sollten Sie allerdings daran interessiert sein, wie heutzutage Politik läuft und welche Strippen dabei gezogen werden, dann empfehle ich Ihnen, jetzt weiterzulesen. Parallelen zu TTIP sind rein zufällig…

Wer also ist Rudolf Henke?
1. Rudolf Henke ist MdB, CDU-Mitglied, stellvertretender Vorsitzender im Gesundheitsausschuss. Durchaus ehrenwerte Funktionen für einen ehrenwerten Mann.
2. Rudolf Henke ist Präsident der Ärztekammer Nordrhein. Eine ebenfalls durchaus ehrenwerte Funktion für einen ehrenwerten Mann.
3. Rudolf Henke ist Vorsitzender des Marburger Bundes, kurz „MB“ – noch eine durchaus ehrenwerte Funktion für einen ehrenwerten Mann. Der Marburger Bund ist die Gewerkschaft der angestellten Ärzte Deutschlands, also vor allem der Krankenhausärzte. Logisch, dass die meisten dieser Personen nicht in leitender Funktion sind und selbst keine Privatrechnungen schreiben. Das Recht, eigene Rechnungen zu schreiben, bleibt in aller Regel Chefärzten vorbehalten. Der MB vertritt also in großer Mehrheit Krankenhausärzte, die selbst keine Privatrechnungen schreiben dürfen.

Für oder gegen die Mitglieder?

Übrigens nennt sich der Marburger Bund auf seiner Homepage „Servicepartner“ der Allianz-Versicherung, der „Deutschen Ärzteversicherung“, kurz DÄV (eine hundertprozentige Tochter der AXA-Versicherung) und der APO-Bank. (Siehe: Anhang 1). Merkwürdig, dass eine Gewerkschaft „Servicepartner“ aus den Reihen von deutschen (Allianz) und französischen (AXA) Großkonzernen hat. In der Regel pflegen Gewerkschaften nämlich keine solchen Kooperationen. Jedenfalls habe ich weder auf der Homepage des DGB noch auf der von der IG Metall Entsprechendes entdecken können. Das verwundert auch nicht: Ist es doch Aufgabe von Gewerkschaften, die Interessen ihrer Mitglieder gegen (!) die von Konzernen zu verteidigen und nicht, mit ihnen Servicepartnerschaften zu pflegen.

Angelegenheit des MB ist es demnach auch, die Interessen der dort angestellten Ärzte gegen den Arbeitgeber Sana-Kliniken AG zu verteidigen. Die Sana-Kliniken-AG ist Deutschlands drittgrößter privater Klinikbetreiber und gehört zu hundert Prozent den deutschen privaten Krankenversicherern. Mit einem Anteil von 14,3 Prozent ist die Allianz dabei. (Anhang 2).

4. Rudolf Henke ist stellvertretender Vorsitzender des Ärztebeirats der Sparte Private Krankenversicherung im Allianz-Konzern (Anhang 3). Nicht nur das: er ist auch Aufsichtsrat und Beirat bei der AXA-Tochter DÄV (Anhang 4). Klar, die Jobs als MdB, Ärztekammer-Präsident und Vorsitzender des MB sind so schlecht dotiert, dass das eine oder andere kleine Zubrot schon erlaubt sein muss. Das sollte einem ehrenwerten Mann zugestanden werden. Die Höhe von Henkes Nebeneinnahmen? Mindestens 147.000 Euro pro Jahr, schreibt „Lobby Control“ (Anhang 5).

Verhandlungen im Hinterzimmer

Am 23. Januar fand ein außerordentlicher Deutscher Ärztetag in Berlin statt. Thema: eine neue Gebührenordnung für Ärzte, die Privatpatienten betreffen. Die derzeitige GOÄ gilt seit 20 Jahren unverändert – auch in der Höhe der Abrechnungsbeträge. Änderung und Anpassung sind also überfällig. Betroffen von dieser Gebührenordnungsnovelle sind vor allem die niedergelassenen Ärzte, von denen es wesentlich mehr gibt als Chefärzte. Und in dieser Gebührenordnungs-Novelle plant die Bundesärztekammer unter Vorsitz des ehemaligen MB-Chefs Montgomery (der – welch eine zufällige Parallele zum aktuellen MB-Chef Henke – zugleich Mitglied im Aufsichtsrat der DÄV und im Beirat der Allianz und der DÄV ist) den privaten Krankenversicherern wesentliche Mitsprache- und Blockaderechte einzuräumen, die ihnen bisher nicht zustanden.

Was Wunder, dass die Aufregung unter der niedergelassenen Ärzteschaft groß ist. Beim oben erwähnten Ärztetag bestand Gefahr, dass die bisher ohnehin nur spärlich bekannten Verhandlungsergebnisse der Bundesärztekammer in Bausch und Bogen abgelehnt würden. Wieso nur „spärlich bekannt“, wollen Sie wissen? Weil die Verhandlungen – ganz sicher rein zufällig wie bei TTIP – streng geheim im Hinterzimmer stattfinden. Angeblich hat das Henkes Parteifreund, Fraktionskollege und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe so verlangt. Zwar ohne Rechtsgrundlage, aber durchaus im Sinne der Versicherungen. Das betroffene Ärztevolk soll schließlich dumm gehalten und letztlich vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
Der besagte Ärztetag wurde durch entsprechende Beschlüsse von drei Landesärztekammern gegen den Willen der Herren Henke und Montgomery erzwungen. Bei der Versammlung drohte der Unmut der Niedergelassenen zu einem Fanal gegen die bisherige Verhandlungsführung zu werden. Abhilfe? Die alten MB-Kämpen und ehrenwerten Herren Henke und Montgomery – die wohlgemerkt selbst keine GOÄ-Rechnungen schreiben – wussten Rat: Sie sorgten dafür, dass reichlich MB-Mitglieder, also angestellte Ärzte ohne eigenes Abrechnungsrecht, als Delegierte entsandt wurden. Motto: Wen’s selber nicht betrifft, der wird schon so abstimmen, wie wir es ihm vorgeben. Und so kam es dann auch – 109 zu 98 Stimmen im Sinne der Herren Henke und Montgomery. Nur weiter so mit den GOÄ-Verhandlungen! Als Protest aus den Reihen der niedergelassenen Ärzte nicht nachlassen wollte, konstatierte der ehrenwerte Henke tags darauf: „Es ist ausgesprochen ärgerlich, wenn unmittelbar nach Beschlussfassung des Ärztetages einzelne Verbände öffentlich den Eindruck erwecken, die Entscheidung wäre ohne Zutun niedergelassener Ärztinnen und Ärzte getroffen worden.“ Kommentar? Überflüssig!

Nach der Karriere in den Vorstand

Eine Partnerschaft beruht auf Gegenseitigkeit, wie jeder wissen sollte. Sogar Rudolf Henke. Jetzt aber funktioniert die Partnerschaft von ihm zusammen mit den Versicherungskonzernen gegen die Interessen der niedergelassenen Ärzte. Sicher wird sie auch funktionieren, wenn der Marburger Bund bei den Sana-Kliniken für die dort angestellten Kollegen in eine neue Gehaltsrunde geht …

Übrigens, auch auf die Allianz als Partner ist Verlass (sofern es sich nicht um die Leistungspflicht als Versicherung handelt, versteht sich – sh. Anhang 6). Nicht nur, dass aus ihrer Schatulle den Herren Henke und Montgomery für deren Beiratstätigkeit Geld zufließt. Als die FDP aus dem Bundestag flog und damit der letzte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr plötzlich bar jedweden Jobs war, da kümmerte sich die Allianz um ihn und holte ihn in ihren Vorstand.

Immerhin hatte Bahr ja schließlich als zuständiger Minister die Gebührenordnungsreform und damit eine nach langen Jahren unweigerliche Kostensteigerung für die Versicherer durch geschickte Untätigkeit verschleppt. Für Henke und Montgomery gilt übrigens nicht der Slogan „Hoffenlich“, sondern „Mit Sicherheit Allianz-versichert“. Wie geht es weiter? Ach ja: „Denn wer sich Allianz-versichert, der ist voll und ganz gesichert, der schließt vom ersten Augenblick ein festes Bündnis mit dem Glück – eine Allianz fürs Leben“. Gell, Herr Henke!

Anhang 1: (https://www.marburger-bund.de/mb-treuhand/serviceleistungen)

Anhang 2: (http://www.sana.de/unternehmen/aktionaere.html)

Anhang 3: (S. 49: https://www.allianzdeutschland.de/allianz-private-krankenversicherungs-ag-geschaeftsbericht-2013/id_74977604/tid_da/index)

Anhang 4: (S. 4 und 6: https://www.aerzteversicherung.de/site/daev/get/documents/daev/DAEV_Dokumente_und_Bilder/Unternehmen/Ueber-uns/Deutsche%20%C3%84rzteversicherung%20GB%202014.pdf)

Anhang 5: (https://www.lobbycontrol.de/2014/03/lobbyisten-im-bundestag-fragwuerdige-doppelrollen/)

Anhang 6: http://www.jameda.de/muenchen/krankenkassen/allianz-private-krankenversicherung/uebersicht/3159_2/



Die Termine sind sicher, aber…

Das Allerletzte Posted on 20 Jan, 2016 03:38:33

Terminservicestellen für Facharzttermine – zurzeit als Thema ein „heißes Eisen“, an dem man sich durchaus die Finger verbrennen kann. Auch Cornelia Schmergal vom SPIEGEL zeigte sich überfordert. Dabei ist sie eine renommierte Journalistin, die ab und an sogar im ARD-„Presseclub“ Sonntags um zwölf ihre Meinung kundtun darf. Nun schimpft sie im SPIEGEL vom 16.01. auf Seite 76 unter der Überschrift „Warten aufs Warten“ auf die Ärztelobby: Die nämlich würde verhindern, dass die ab 23. Januar verpflichtenden Terminservicestellen zur Vermittlung von Facharztterminen innerhalb von vier Wochen funktionieren.

Zum einen, liebe Frau Schmergal: Wenn ein Patient wirklich dringend einen Termin brauchte, so hat er diesen auch bisher schon via „kleinem Dienstweg“ rasch bekommen: Anruf des Hausarztes beim Facharzt, Schilderung des Falles, und der Drops war gelutscht. Das hat deswegen immer gut funktioniert, weil der Hausarzt – durchaus im Unterschied zum Patienten – die wirkliche (!) Dringlichkeit in aller Regel gut einschätzen kann.

Eisernes Budget zwingt zum Sparen

Selbst Sie, sehr geehrte Frau Schmergal, haben das eigentliche Problem nicht verstanden: Die Medizin für Kassenpatienten ist rationiert, und das ändert sich auch durch die Einführung von Terminservicestellen nicht. Das Mittel zur Rationierung heißt „Honorarbudget“. Durch dieses Budget ist der niedergelassene Arzt in seinen Leistungen pro Quartal eingeschränkt, und zwar so arg, dass trotz aufgezwungener Sparmedizin zirka 15 Prozent aller ärztlichen Leistungen wegen Budgetüberschreitung nicht entlohnt werden.

Gratis arbeiten für hundert Prozent Verantwortung und Haftung? Da sagen die meisten Ärzte „Nein danke!“ und reduzieren ihre Arbeit „auf Kasse“ auf das Allernötigste. Was nicht unbedingt gleich erledigt werden muss und das Budget zu sprengen droht, wird aufs nächste Quartal verschoben. Und weil es bei Privatpatienten keine vom Staat aufoktroyierte Rationierung gibt, bekommen diese im Unterschied zu Kassenpatienten immer Termine.

Stadt oder Land – kein Unterschied

Auch die Mär, dass die Arztsitze „fehlverteilt“ seien, greifen Sie unreflektiert auf: Viele Fachärzte in der Stadt, wenige auf dem Land – ergo lange Wartezeiten besonders auf dem Land. Machen Sie den Test und rufen in einer Großstadt in einer neurologischen Praxis an. Berichten sie über die typische Symptomatik eines Carpaltunnelsyndroms. Eine Erkrankung, die immerhin fünf Prozent der Bevölkerung betrifft.

Sie geben vor, Kassenpatientin zu sein. Seit einem halben Jahr würden ihnen nachts die Finger einschlafen, allmählich kämen Schmerzen dazu, Ihr Hausarzt meint, Sie sollen zum Neurologen. Und: wie viele Wochen oder gar Monate müssen Sie warten? Sie können anschließend gern die Gegenprobe „auf dem Land“ machen. Das Ergebnis für Kassenpatienten wird sich wenig unterscheiden. Das wahre Problem heißt eben Quartalsrationierung der Arztleistung und nicht Fehlverteilung der Praxen.

50 Euro „Miese“ pro Termin

Was kostet eigentlich die von Ihnen gepriesene Terminvermittlung via Terminvergabestellen die Kassenpatienten, die mit ihren Beiträgen letztlich diesen „Service“ finanzieren? Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen weiß es, denn dort wird das System seit einem Jahr getestet. In einem Interview vom 20.12.2015 äußert sich der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsens zu den Terminservicestellen (Quelle: http://www.facharzt.de/content/red.otx/187,163797,0.html)

Insgesamt
haben Sie in diesem Jahr rund 2.000 Termine vermittelt. Wie viel hat
das pro Termin gekostet?

Wenn man die Kosten für die vier Mitarbeiter, die zusammen 2,2 Stellen inne haben, und die vorgehaltene Technik gegenrechnet, werden da knapp 50 Euro zusammenkommen. Das ist natürlich Geld, das man lieber den Ärzten geben könnte. Andererseits muss man sehen, dass ohne diese Steuerung langfristig vermutlich noch höhere Kosten entstehen würden.“

50 Euro Kosten also pro vermitteltem Termin. Eine bemerkenswerte Zahl, wenn man sich vor Augen hält, dass die Facharztgruppe GOUDA (Gynäkologen, Orthopäden, Urologen, Dermatologen, Augenärzte) von der Kassenärztlichen Vereinigung für das Vierteljahr pro Patient, der auch wirklich beim Arzt ist, ein Budget zwischen 20 und 30 Euro Umsatz (!) zugeteilt bekommt, mit dem die Fachärzte finanziell auskommen müssen.

Wartezeit wird länger

Liebe Frau Schmergal, auf manch anderen Unsinn in Ihrem Artikel will ich gar nicht eingehen (z.B. die KV – als Körperschaft des öffentlichen Rechts!! – sei die Lobbyvertretung der Ärzte). Unsereiner als Ex-Kassenarzt hat sich bei der Lektüre dieser Zeilen halb buckelig gelacht. Eine konkrete Folge der Terminvergabestellen kann ich Ihnen jetzt schon prophezeien: Die Wartezeiten auf die eigentliche Untersuchung und Behandlung werden sich – außer in dringlichen Fällen – verlängern! Der Patient wird zwar binnen vier Wochen seinen Termin bekommen. Der Facharzt wird dann allerdings des Öfteren feststellen, dass die Erkrankung für den Patienten zwar lästig, aber nicht bedrohlich ist, und den Hilfesuchenden des Honorarbudgets wegen in das nächste Quartal verschieben.

Unter uns: Qualitätsjournalismus sieht anders aus: Er verlangt nach gründlicher Recherche. Aber Sie sind sicher lernfähig. Und falls Sie wirklich wissen wollen, was im System der gesetzlichen Krankenversicherung abgeht, dann empfehle ich Ihnen das Buch „Der goldene Skalp“ der Publizistin Renate Hartwig. Allerdings ist zu viel Durchblick auch wieder schlecht: Darunter leiden die altbewährten Vorurteile …



« VorherigeWeiter »