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Das kranke Gesundheitssystem

Anregung und Kritik erwünscht

Als steter Streiter gegen ein in meinen Augen ungerechtes Gesundheitssystem, dessen Gewinner die Krankenkassen und dessen bedauerliche Opfer die Patienten sind, freue ich mich über jede Form von Zustimmung, Ratschlag, Anregung oder Kritik. Ich wünsche mir nur, dass bei aller nachvollziehbarer Emotion der gute Ton in schriftlichen Beiträgen die erste Geige spielt.

Dr. Christian Nunhofer

Nützliches vom 30-jährigen Krieg

Das Allerletzte Posted on 04 Dez, 2017 07:42:03

Momentan lese ich mit Begeisterung Herfried Münklers neuen Wälzer: „Der Dreißigjährige Krieg: Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618-1648“. Gerade bin ich bei der Schlacht am Weißen Berg und habe gelernt, dass eine menschliche Eigenschaft offenkundig zeitlos unrichtig ist: Sparsamkeit am falschen Fleck!

Sie erinnern sich? Die Truppen des pfälzischen Kurfüsten und frisch gekürten böhmischen Königs Friedrich waren zwar numerisch etwas unterlegen, hätten aber wegen der wesentlich besseren Stellung oben auf dem Weißen Berg gegen Tillys Verbände siegen können, wenn sie nicht dermaßen demotiviert gewesen wären!

Erst protzen, dann knausern

Mit Sold gingen die böhmischen Kriegsherren nämlich knauserig um. Die katholische Liga und die Österreicher ließen mehr springen, was sich positiv auf den frontalen Bewegungsdrang ihrer Soldaten auswirkte. So manch armen Teufel von Friedrichs Gnaden mag es sauer aufgestoßen haben, als er beim Blick auf sein karges Salär an den kurz zuvor erfolgten prunkvollen Einzug des neuen böhmischen Königs Friedrichs in Prag dachte. Ein Brimborium, bei dem Geld keine Rolle spielte.

Der Fortgang der Geschichte ist bekannt: Friedrichs Herrschaft in Prag war nach der Schlacht gleich wieder beendet. Wegen seiner kurzen Zeit als Regent wurde er fortan der „Winterkönig“ genannt.

Ab ins Forum

Kommen wir nun zum geschlossenen Ärzteforum „Coliquio“. Dort gibt es derzeit einen Thread über das Für und Wider grüner Rezeptformulare im Vergleich zu Privatrezepten. Alles dreht sich um Verordnungen von Medikamenten für Kassenversicherte, die „auf Kasse“ nicht verordnet werden dürfen.

Ein mitschreibender Allgemeinarzt bringt es auf den Punkt: „Grüne Rezepte erhalten Sie kostenlos, Privatrezepte müssen Sie kaufen“. Grüne Rezepte seien oft Geschenkartikel der Pharmaindustrie, wenn nicht verordnungsfähige Präparate beworben würden.

Der Pfennig ist keinen Cent wert

„Wer den Pfennig nicht ehrt, ist den Taler nicht wert“ heißt ein altes Sprichwort aus meiner frühen Jugend. Der berühmte Börsenspezialist André Kostolany hat den Spruch aber bereits sinnvoll verdreht: „Wer den Pfennig ehrt, ist die Mark nicht wert!“

Der Gehalt der Aussage des mahnenden Mediziners lässt tief blicken in die Krämerseelen der deutschen Ärzteschaft: Da wird wegen der Kosten für (selten verwendete) grüne Rezeptformulare um den Pfennig gefuchst – aber Quartal für Quartal gottergeben hingenommen, dass tausende von Euro mit der Zauberformel „Überschreitung des Honorarbudgets“ schlicht ersatzlos gestrichen werden. Für reell geleistete und abgerechnete Arbeit, wohlgemerkt!

Sklaven, vereinigt euch!

Liebe Kolleginnen und Kollegen Kassenarztsklaven! Vielleicht solltet Ihr euch endlich auf das Wesentliche konzentrieren und einen neuen Verband mit konsequenten, KV-, Kammer- und sonstigen verbandsbefreiten Funktionären gründen:
Einen „Bundesverband für freie Kassenärztliche Vereinigungen“:

– für das Ende der Zwangsmitgliedschaft in der KV

– für eine Direktabrechnung Arzt-Patient.

– und für eine Durchsetzung der Interessen der Verbandsmitglieder mit Hilfe von renommierten Spitzenjuristen vor Gericht, erforderlichenfalls bis hin zu den Europäischen Gerichtshöfen.

Klotzen, nicht kleckern!

Anmerkung: Wenn Ihr meint, an den Juristen sparen zu müssen – dann lasst es lieber gleich ganz. Wer Pfennige – besser gesagt Cents – fuchst, kann heute wie damals auf dem Weißen Berg keinen Krieg gewinnen! Dann verzichte lieber jeder Medicus weiter Quartal um Quartal auf mehrere tausend Euro. Hauptsache: am grünen Rezept wird gespart!



Sesselfurzer und Schwafelköpfe

Von Kranken und Kassen Posted on 25 Nov, 2017 06:24:50

Wie geht Standespolitik? Der bffk macht’s vor! Am 18. November fand die Vollversammlung des Bundesverbands für freie Kammern, kurz „bffk“, in Kassel statt. Na, dachte sich unsereiner, siehste dir mal an, wie Standespolitik funktioniert, wenn in einem Verband zwar schon ein paar Ärzte, hauptsächlich aber Handwerker und Gewerbetreibende organisiert sind.

Wie es bei ärztlichen Berufsverbänden zugeht weiß ich ja noch hinlänglich von früheren Zeiten: Lamentos und Analysen über die politischen Unzulänglichkeiten im Hier und Jetzt, die Ausweglosigkeit des KV-Systems und die fehlende Unterstützung durch die Kammern, die dortigen sesselfurzenden Funktionäre mit den Einstecktüchlein, die in allererster Linie aufs eigene Wohl bedacht sind, insbesondere aber keinerlei Interesse daran haben, die Interessen ihrer Zwangsmitglieder ernsthaft zu vertreten, sondern eher noch den Gegnern der Ärzteschaft zuarbeiten – zur Mehrung des eigenen Funktionärswohls, versteht sich.

Alles sinnlos, reine Zeitverschwendung

Unterstützung von Klagen, Sammeln von Geld für hochwertige Juristen? Alles sinnlos, reine Zeitverschwendung. Die ärztlichen Bedenkenträger erklären einem ganz genau, warum es besser ist, sich als Minderheit in die festbetonierten Institutionen einzubringen, um dort nichts zu erreichen, und ansonsten folgenlos weiter zu lamentieren. Ganz unfaustisch nach dem Motto: „Nie sind der Worte genug gewechselt, laßt keinesfalls uns Taten sehn.“ Viele Wortmeldungen, etliche Anträge, und nach vielen Stunden ärztlicher Palaverrunden gilt wieder einmal mehr Fausts Eröffnungsmonolog: „Habe nun, ach! … Medizin,…durchaus studiert, mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor.“

Und beim bffk? Kurze, unvollständige Übersicht:

1. Kurzes Referat des Präses der IHK Hamburg: Wie ist es uns gelungen, die IHK Hamburg zu übernehmen? Was haben wir schon geändert? (z.B. die Beiträge halbiert). Wenn die IHK die Interessen freier Berufe vertritt, ist es ein Widerspruch, wenn die Mitarbeiter der Kammer meinen, ihre Jobs seien leistungsunabhängig sakrosankt. „Gnadenlose Transparenz!“ Keine Selbstbedienung mehr mit horrenden Zahlungen an Funktionäre!

2. Info, dass auch einige kleine Berufsverbände dem bffk beigetreten sind, z.B. die Fotografen. (Warum nicht auch der BFAV oder die FÄ, hab ich mich zum x-ten Male gefragt.)

3. Der recht kleine bffk führt für die Mitglieder Klagen vor den Verwaltungsgerichten. Derzeit laufen ca. 300 bis 400 Verfahren. Die Prozesse werden überwiegend gewonnen. Ansonsten geht’s in die nächste Instanz („Da wurde unsere Argumentation einfach nicht verstanden! Das ist schon klar, das Verwaltungsgericht X sieht es immer noch als quasi persönlichen Affront, eine Kammer zu verklagen! Der Richter Y ist auch eifrig bei Kammertagen präsent! Vielleicht wird es das Oberverwaltungsgericht anders sehen!)

4. Die Klage gegen die Zwangsmitgliedschaft in Kammern vor dem Bundesverfassungsgericht wurde verloren. Allerdings begründet das Urteil nicht, dass sich aus der Notwendigkeit der Kammermitgliedschaft auch die Notwendigkeit von Kammerbeiträgen ergibt. Folglich geht der bffk in die nächste Instanz, das ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Die juristische Vertretung übernimmt Professor B. Kempen, Lehrstuhl für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht an der Universität zu Köln (und nebenbei noch Präsident des Deutschen Hochschulverbandes).

5. Große Diskussionen? Keine. Eine Nachfrage zu den genannten Kosten des Verfahrens vor dem EGM, die sich im niederen fünfstelligen Bereich bewegen. Es werden seitens des Vorstands keine Finanzierungsschwierigkeiten gesehen, „ansonsten weiß ich, wo ich anklopfen muss“. Keine Frage, dass sich des Vorgangs ein ausgewiesener Spitzenjurist mit Expertise anzunehmen hat. „Da haben wir am Anfang unserer Vereinstätigkeit Lehrgeld bezahlt: Sie erinnern sich noch, Herr Meier. Ein Rechtsanwalt, der mit der Materie nicht hundert prozentig vertraut ist, macht zwar auch nicht alles falsch – aber man hat keine Chance.“

Zu matt um sich zu wehren

Ach ja, Handwerker und Gewerbetreibende: Mit beiden Beinen im Leben und mit dem Kopf im Hier und Jetzt. Und Ärzte: die Gynäkologen, Orthopäden, Urologen, Dermatologen, Augenärzte und HNO’s führen ihre Kassenpraxen weiter und merken wahrscheinlich überwiegend nicht einmal, dass sie im „Kassengeschäft“ laut Neubauer-Gutachten draufzahlen.

Die wundern sich bloß, warum so wenig überbleibt, sind aber zu matt, um die Frage nach dem „Warum“ abzuklären und erst recht, sich dagegen zu wehren. Welcher Ärzteverband bietet vergleichbares Engagement für seine Mitglieder? Mir fällt leider nur der – relativ große, und nur für Klinikärzte aktive – Marburger Bund ein. Für uns Niedergelassene sieht’s zappenduster aus.

Es braucht dringend einen standespolitischen Neuanfang in der niedergelassenen Ärzteschaft – aber bitte nicht mit alten dauerpostenden Schwafelköpfen vom BFAV und Bedenkenträgern von der FÄ! Sonst ist die Fortschreibung des Stillstands allen wortreichen Dementis zum Trotz ungeschriebenes Programm.



Brief an Berlin: Wer ist Wir?

Von Kranken und Kassen Posted on 03 Nov, 2017 06:09:37

Sehr geehrter Herr Generalsekretär Dr. Peter Tauber,

die Bundestags- und auch die Niedersachsenwahl liegen hinter uns. Auch mit etwas Zeitdistanz ist der Niedergang der CDU in den Abstimmungsergebnissen unübersehbar. Am Abend der Bundestagswahl hatte die Bundeskanzlerin mit Blick auf das desaströse Wahlergebnis der Union erklärt, Sie wüsste nicht, was anders zu machen sei.

Politisch gab es für mich jahrzehntelang – gleich bei welcher Wahl – nur eine Partei: die CSU. Mitglied (wenn auch nur passiv) seit den Zeiten von Franz Josef Strauß selig, der mit echtem Konservativismus Bayern in der Leistungsbilanz, aber auch in der Qualität der schulischen Leistungen an die Spitze aller Bundesländer gesetzt hat.

Niemand wird seine Schlitzohrigkeit ernsthaft bestreiten, aber auch niemand sollte ernsthaft in Zweifel ziehen, dass FJS immer das Wohl der Bevölkerung im Auge hatte, sich stets mit ganzem Herzen erfolgreich eingesetzt hat für ein Land, in dem wir gut und gerne gelebt haben.

Aus der CSU bin ich schon vor Jahren ausgetreten. In meinem Austrittschreiben habe ich dem damaligen Generalsekretär Dobrindt erläutert, weswegen diese Partei weder mehr christlich noch sozial ist.

Seit 25 Jahren bin ich niedergelassen, seit vier Jahren habe ich aus Protest gegen die Zwangseinfüh-rung der elektronischen Gesundheitskarte EGK die Kassenzulassung zurückgegeben. Warum: Weil keine elektronische Kommunikation sicher ist, wie das Hacken der Gesundheitsdaten sämtlicher Australier vor einigen Monaten „dank“ des dortigen EGK-Systems bewiesen hat. Für mich steht das Arztgeheimnis immer noch höher als das Gewinninteresse der IT-Industrie.

Bin ich technikfeindlich? Sie werden wenige neurologisch-psychiatrische Praxen finden, die mit Medizintechnik so ausgestattet sind wie die meine. Nebenbei: die Rückgabe der Kassenzulassung hat mir ein solch ordentliches Umsatzplus beschert, so dass ich weiterhin als Alleinverdiener meine Familie mit sechs Kinder, die meine Frau und ich zusammen haben – wir sind, wohlgemerkt, keine „Patchwork“-Familie – „durchfüttern“ kann.

In den geschlossenen Ärzteforen wurde vor der Bundestagswahl eifrig diskutiert, welche Partei denn nun für niedergelassene Ärzte die richtige sei. Dabei gab es nur zwei ernsthafte Alternativen in den Augen der Diskutanten: die FDP oder die AfD. Die Union hat keine Rolle gespielt. Warum, werde ich Ihnen erläutern.

Für mich persönlich ist die FDP seit der vorletzten Legislatur keine wählbare Partei mehr, und die AfD keine Alternative, solange sie sich definitiv nicht vom ekelbraunen rechten Rand lossagt. Der Wahl-o-Mat hat mir persönlich zur Union geraten. Aber wirklich Union wählen? Als niedergelassener Arzt, der sich seinen Patienten verpflichtet fühlt?

Vier Jahre Gröhe als Gesundheitsminister zeigen, wohin die Reise nach Unionsvorstellungen im Gesundheitswesen gehen soll:

1. Wertschöpfung eröffnen für die IT-Industrie. Das Patientengeheimnis ist lästige Marginalie am Rande. Die Vernetzung des Gesundheitswesens predigen und Gesetze schaffen zur Telematik-Infrastruktur, selbst wenn diese Gesetze mangels technischem know how gar nicht umsetzbar sind: das ist patientenverachtende Unions-Linie.

2. Die privaten Versicherungskonzerne schonen und zugleich die Beihilfen mit einer Gebührenordnungs-Reform beglücken, deren Inhalt sein soll: Nach 22 Jahren ohne Inflationsausgleich soll dieses Defizit zu Lasten der Ärzteschaft fixiert, gemäß neuem Text allenfalls drei Jahre lang an die voraussichtliche Teuerungsrate angepasst werden (auf drei Jahre ca. sechs Prozent Verbesserung – aber nur, falls die Versicherer damit nicht überfordert sind).

Klug hat sich Herr Gröhe die Verhandlungspartner auf Ärzteseite dazu ausgewählt: Die Herren von der Bundesärztekammer stehen doch (via der Tochtergesellschaft DÄV) alle auf der Lohnliste des AXA-Konzerns, eines der großen privaten Krankenversicherungsunternehmen. Bis vor einem Jahr hat selbige Herren auch noch die Allianz-Versicherung als „Beiräte“ mit finanziellen Zuwendungen bedacht. Als dieser Fisch vom Kopf her nun doch zu streng roch, hat sich die „Allianz“ entschlossen, auf den Ärztebeirat kurzerhand zu verzichten.

Wie Sie wissen, hat Politik hat die Aufgabe, einen Interessensausgleich zwischen verschiedenen Gruppen der Bevölkerung herzustellen. Wie solch ein Interessensausgleich aussehen müsste bei einer Gebührenordnung, die 22 Jahre alt ist, dazu geführt hat, dass über die Jahre seit 1996 gerechnet jeder Arzt für jede Privatrechnung durch die inflationsbedingte Entwertung der PKV und auch den Beihilfen einen unfreiwilligen Rabatt von 16,0 Prozent (Stand 31.12.2016) und aktuell von 33,6 Prozent gewährt, liegt auf der Hand.

Der Verordnungsgeber für diese Gebührenordnung ist der Bundesgesundheitsminister. Herr Gröhe setzt aber eine neue, faire GOÄ nicht in Kraft. Er gibt statt dessen „Verhandlungspartnern“ aus privater Versicherungswirtschaft und Bundesärztekammer vor, ein ausgearbeitetes Gebührenwerk vorgelegt zu erhalten, das gekaufte Ärztevertreter (sh. oben) im Konsens mit den Versicherern, von denen sie bezahlt werden, ausarbeiten sollen.

Das klingt klug nach Konsensfindung zwischen Vertragsparteien. Allerdings ist kein Vertrag zu finden, sondern schlicht den Interessen der Ärzteschaft Rechnung zu tragen, nachdem 22 Jahre lang einseitig der Ärzteschaft ein finanzielles Sonderopfer zum Nutze der Versicherungskonzerne und der staatlichen Beihilfen abverlangt wurde, also 22 Jahre lang einseitig den Interessen der Versicherer und der Beihilfen Rechnung getragen wurde. Herr Gröhe versucht mit den Tricks eines Winkeladvokaten, den Ärzten den politisch geschuldeten Interessensausgleich schuldig zu bleiben.

Übrigens: Anstieg der Inflation seit Inkrafttreten der GOÄ 1996 um 33,6 Prozent, Anstieg der Bezüge der Bundestagsabgeordneten um 51,7 Prozent. Unbekannt ist, um wie viel Prozent die Managerbezüge der Versicherungsunternehmen in diesem Zeitraum gestiegen sind. Schätzungen sprechen von 600 Prozent. Wenn Sie konkrete Zahlen haben, wäre ich Ihnen um Aufklärung dankbar.

Ein Thema, das inzwischen fast vollkommen untergeht, ist das der Verantwortung. Welche persönliche Verantwortung tragen die Manager der Versicherungskonzerne? Welche persönliche Verantwortung lastet auf den Abgeordneten im Bundestag, die eine derartige Steigerung von deren Bezüge seit 1996 rechtfertigt? Die Last der Verantwortung beim Abstimmungsverhalten via Fraktionszwang?

Ja, es gibt noch eine Institution, die sich für die permanente persönliche Verantwortung der niedergelassenen Ärzteschaft interessiert: die Haftpflichtversicherung. Die Haftpflichtversicherer wissen, dass es sich beim Arzt um keinen Beruf wie jeden anderen handelt und sie setzen dieses Wissen um die besonders hohe ärztliche Verantwortung geldwert um. An den Haftpflichtprämien lasst sich das Maß an persönlicher Verantwortung ablesen: Wie hoch sind die Haftpflichtprämien für Bundestagsabgeordnete und die leitenden Angestellten der Konzerne, gemeinhin „Manager“ genannt? Ich bitte um Auskunft.

Was meinen Sie: Wählen niedergelassene Ärzte die Union? Oder machen sie aus den Sprechzimmern heraus Stimmung gegen die CDU/CSU?

– Der damalige Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer hat mit dem SGB V ein Regelwerk geschaffen, das die Leistungserbringer (der Ausdruck „Ärzte“ ist im gesetzlichen Krankenkassenjargon ja abgeschafft worden) am finanziellen Krankheitsrisiko der Patienten beteiligt. Angeblich werden nach neuesten Verlautbarungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nur noch zehn Prozent der Arztleistungen im GKV-Bereich wegen Budgetüberschreitung nicht bezahlt; mit ist eine Quote von 15 Prozent geläufig.

Dazu kommt: Nach dem Gutachten im Auftrag der KV Bayern des Gesundheitsökonomen Professor Günter Neubauer, München, betreibt der Durchschnitt der Fachärzte in den Disziplinen Gynäkologie, Orthopädie, Urologie, Dermatologie, Augenheilkunde und HNO seine Kassenpraxis defizitär.

Dabei geben die gesetzlichen Krankenkassen im Durchschnitt fast ebenso viel aus pro Versichertem und Jahr wie die Privatversicherer. Die nachfolgenden Zahlen stammen von Ellis Huber, der nun bestimmt nicht verdächtig ist allzu großer Sympathien für niedergelassene Ärzte:

Ausgaben der Krankenversicherer 2015 pro Versichertem (laut Ellis Huber):
– Gesetzliche Krankenkassen: 2.905 €
– Private Versicherer: 2.950 €

Unterschied: niedergelassene Ärzte müssen aus Budgetgründen GKV-Patienten vermehrt stationär einweisen. Wirtschaftliches Handeln gibt es eben nicht nur aus Kassensicht. Dass das Resultat in der Summe für Kassenpatienten unwirtschaftlich und sogar gefährlich (Infektionsrisiko in den Klinken) ist, ist evident.

Was meinen Sie: Wählen niedergelassene Ärzte die Union? Oder machen sie aus den Sprechzimmern heraus Stimmung gegen die CDU/CSU?

– Ärztemangel: Das Thema ist in der Bundespolitik noch gar nicht angekommen – nur die Bürgermeister auf dem Land jammern, weil der Dorfarzt in Rente geht und kein Nachfolger zu finden ist. Monatelanges Warten auf den Facharzttermin: Gibt es etwa mehr Termine, wenn Terminservicestellen geschaffen werden?

Wer hat’s verschuldet? Wer hat vorübergehend so viele Medzinstudienplätze abgebaut, dass es in Gesamtdeutschland tausende weniger Medizinstudenten gegeben hat als zuvor allein in Deutschland West – der „schwarzen Null“ zuliebe? Die Politik, wobei seit der Union – abgesehen von einer relativen kurzen Zeitspanne der Kanzlerschaft Schröders – die Union federführend in der Regierung war.

Und wer soll es jetzt richten? Die Kassenärztlichen Vereinigungen mit Förderprogrammen von zigtausenden Euro für jede einzelne Niederlassung auf dem Land.

a) Warum sollen die Kassenärzte mit Geld aus ihrem KV-Topf heilen, was die Politik beschädigt hat?
b) Was nützen Förderprogramme und Zuschüsse, wenn die Arbeitsbedingungen des niedergelassenen Arztes in einem dirigistischen und ungerechten System (sh. GOÄ, Budgetüberschreitungen, Medikamenten- und sonstige Regresse) schlicht repressiv und unwürdig sind?
c) Was meinen Sie wohl, was resultieren wird aus Stipendiaten, die sich jetzt zu Studienbeginn auf eine Berufsausübung als Landarzt verpflichten? Keiner dieser Ärmsten kennt die vielen Facetten der Medizin.

Unsereiner wollte nachweisbar vom vierten Lebensjahr – ebenso wie mein Sandkastenfreund – bis zum achten Semester Chirurg werden – dann kamen die „Nervenfächer“, die mich fasziniert haben; der Sandkastenfreund ist übrigens Chirurg. Ich prophezeie Ihnen: Es werden mit diesen Stipendien viele frustrierte Landärzte herangezogen, die während des Studiums entdecken, dass sie viel lieber Chirurgen, Dermatologen, Pathologen oder Mikrobiologen werden würden.

Glauben Sie, dass diese ganze gesundheitspolitische Misswirtschaft, dieses Verdrängen der Probleme und der Versuch Ihrer Partei, auch die ambulante Medizin zu einem lukrativen Geschäftsfeld für geldgeile Manager in der IT-Branche und von Gesundheitskonzernen zu machen, den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten verborgen bleibt? Nochmal meine Frage:

Was meinen Sie: Wählen niedergelassene Ärzte die Union? Oder machen sie aus den Sprechzimmern heraus Stimmung gegen die CDU/CSU?

Sollten Sie sich bemüßigt fühlen, zu den Kassenarztthemen dieses Briefes zu antworten, und Ihnen für diese Antwort der gängige Politikerallgemeinplatz in den Sinn kommen: „Es liegt ein Versagen der kassenärztlichen Selbstverwaltung vor“, dann darf ich Ihnen empfehlen, die KVen schnellstmöglich abzuschaffen. Denn die Kassenärztlichen Vereinigungen sind überflüssig und haben nur eine wirkliche Funktion: die der Standardausrede für das langjährige Versagen der Berufspolitiker in der Gesundheitspolitik, jenes Versagen, das die KVen – der Politik weisungsgebunden – schlicht umzusetzen haben.

Soweit zur Ärzteschaft. Ganz allgemein gilt:Wenn Frau Merkel offenkundig meint, den Mittelstand evident sinngemäß definieren zu müssen als „Betriebe, die für Politiker Aufsichtsrats- oder Managerposten bieten“, sich aber für das Gros derjenigen, die in diesem Land aber die Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, nicht interessiert, wird es mit der Union weiter bergab gehen.

Der Frust über die Union ist nicht nur bei den Ärzten groß, sondern genauso bei den kleinen Handwerkern, Gewerbetreibenden und anderen Selbständigen – also Ihrem ehemals typischen Wählerklientel, die unverändert den Soli bezahlen, der kalten Steuerprogression zum Opfer fallen und – im Unterschied zu den Großkonzernen, in deren Managerkreisen Frau Bundeskanzlerin bevorzugt verkehrt und wohin sie wohlfeil ihre Kanzleramtsminister von Klaeden und Pofalla als Spitzenverdiener weitervermittelt – die volle Last des EEG mit dem teuren Strompreis zu spüren bekommen.

Wer ist nun „Wir“ in diesem Land, in dem WIR gut und gerne leben?: Eine abgehobene Elite, die von der Union fortwährend bedient wird, wie die Umverteilung des Vermögens von unten nach oben deutlich macht, abzulesen am Gini-Index. Allerdings: diese Elite bringt Ihrer Partei nicht genug Wählerstimmen. Und eine glänzende Bilanz in der Außenpolitik vermag die innenpolitische Verachtung der Union für diejenigen, die redlich arbeiten, nicht mehr zu überdecken.

Jammert da einer auf hohem Niveau? Bitte bedenken Sie: Auf mich treffen allenfalls die Analysen zur GOÄ-Reform zu, nicht jedoch zur Kassenmedizin.

Eine persönliche Information zum Schluss: Meine älteste Tochter wird im nächsten Jahr ihr Medizinstudium im EU-Ausland beenden. Sie wird als Ärztin arbeiten – aber voraussichtlich nicht in Deutschland. Denn ihr ist klar: Für einen Arzt bietet Deutschland keine Perspektive mehr, in dem man gut und gerne lebt.
Mit freundlichen Grüßen

Dr. Christian Nunhofer



Bayerns AOK hackt niemand nicht!

Das Allerletzte Posted on 01 Sep, 2017 10:52:55

Welch frohe Botschaft springt mir neulich auf der Homepage der AOK Bayern direkt ins Auge? „100 Prozent Schutz Ihrer Daten! Voller Schutz für Ihre persönlichen Daten – dank zertifizierter SSL-Verschlüsselung!“

Die Sensation! Nirgends jenseits des Weißwurst-Äquators ist sonst so viel IT-Sicherheit möglich! Wenn man spaßeshalber mal eine email an Deutschlands berühmte Hackervereinigung, den Hamburger Chaos Computer Club schicken will, ist man perplex, weil die mit allen Wassern gewaschenen Jungs und Mädels dort keine email mit Anhang akzeptieren: Fax bitte! Ein altes, konventionelles Fax! Wer, wenn nicht der CCC, weiß, wie der Hase läuft, frage ich mich da?

Da legst di nieder!

Bundestag, Kanzlerinnenhandy, direkter Draht von Scotland Yard zum FBI, das Pentagon, reihenweise Krankenhäuser, jeder zweite Betrieb in Deutschland etc. p.p.: alles kurz und klein gehackt. Aber unsere gute alte bayerische AOK hat alles im Griff. Da legst di nieder!

Mensch, die glücklichen Auserwählten könnten doch ihre Beiträge für Versicherte glatt abschaffen. Mit dem know how an Datenschutz sollte man leicht Versicherungsleistungen aus Lizenzeinnahmen durch Datenschutz-Knowhow finanzieren können!

Schaun wir mal…

Mal ganz im Ernst, liebe Freunde: Wenn ihr selber nicht ganz kapiert, wo die Schwachstellen einer SSL-Verschlüsselung liegen – und zwar beim Anwender – dann solltet ihr nicht mit vollmundigen Slogans dermaßen auf die Pauke hauen!

Wir reden weiter, wenn die ersten Patientendaten von euren Servern publik werden. Bin gespannt, wie lange sich das noch hinzieht.



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