Wie geht Standespolitik? Der bffk macht’s vor! Am 18. November fand die Vollversammlung des Bundesverbands für freie Kammern, kurz „bffk“, in Kassel statt. Na, dachte sich unsereiner, siehste dir mal an, wie Standespolitik funktioniert, wenn in einem Verband zwar schon ein paar Ärzte, hauptsächlich aber Handwerker und Gewerbetreibende organisiert sind.

Wie es bei ärztlichen Berufsverbänden zugeht weiß ich ja noch hinlänglich von früheren Zeiten: Lamentos und Analysen über die politischen Unzulänglichkeiten im Hier und Jetzt, die Ausweglosigkeit des KV-Systems und die fehlende Unterstützung durch die Kammern, die dortigen sesselfurzenden Funktionäre mit den Einstecktüchlein, die in allererster Linie aufs eigene Wohl bedacht sind, insbesondere aber keinerlei Interesse daran haben, die Interessen ihrer Zwangsmitglieder ernsthaft zu vertreten, sondern eher noch den Gegnern der Ärzteschaft zuarbeiten – zur Mehrung des eigenen Funktionärswohls, versteht sich.

Alles sinnlos, reine Zeitverschwendung

Unterstützung von Klagen, Sammeln von Geld für hochwertige Juristen? Alles sinnlos, reine Zeitverschwendung. Die ärztlichen Bedenkenträger erklären einem ganz genau, warum es besser ist, sich als Minderheit in die festbetonierten Institutionen einzubringen, um dort nichts zu erreichen, und ansonsten folgenlos weiter zu lamentieren. Ganz unfaustisch nach dem Motto: „Nie sind der Worte genug gewechselt, laßt keinesfalls uns Taten sehn.“ Viele Wortmeldungen, etliche Anträge, und nach vielen Stunden ärztlicher Palaverrunden gilt wieder einmal mehr Fausts Eröffnungsmonolog: „Habe nun, ach! … Medizin,…durchaus studiert, mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor.“

Und beim bffk? Kurze, unvollständige Übersicht:

1. Kurzes Referat des Präses der IHK Hamburg: Wie ist es uns gelungen, die IHK Hamburg zu übernehmen? Was haben wir schon geändert? (z.B. die Beiträge halbiert). Wenn die IHK die Interessen freier Berufe vertritt, ist es ein Widerspruch, wenn die Mitarbeiter der Kammer meinen, ihre Jobs seien leistungsunabhängig sakrosankt. „Gnadenlose Transparenz!“ Keine Selbstbedienung mehr mit horrenden Zahlungen an Funktionäre!

2. Info, dass auch einige kleine Berufsverbände dem bffk beigetreten sind, z.B. die Fotografen. (Warum nicht auch der BFAV oder die FÄ, hab ich mich zum x-ten Male gefragt.)

3. Der recht kleine bffk führt für die Mitglieder Klagen vor den Verwaltungsgerichten. Derzeit laufen ca. 300 bis 400 Verfahren. Die Prozesse werden überwiegend gewonnen. Ansonsten geht’s in die nächste Instanz („Da wurde unsere Argumentation einfach nicht verstanden! Das ist schon klar, das Verwaltungsgericht X sieht es immer noch als quasi persönlichen Affront, eine Kammer zu verklagen! Der Richter Y ist auch eifrig bei Kammertagen präsent! Vielleicht wird es das Oberverwaltungsgericht anders sehen!)

4. Die Klage gegen die Zwangsmitgliedschaft in Kammern vor dem Bundesverfassungsgericht wurde verloren. Allerdings begründet das Urteil nicht, dass sich aus der Notwendigkeit der Kammermitgliedschaft auch die Notwendigkeit von Kammerbeiträgen ergibt. Folglich geht der bffk in die nächste Instanz, das ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Die juristische Vertretung übernimmt Professor B. Kempen, Lehrstuhl für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht an der Universität zu Köln (und nebenbei noch Präsident des Deutschen Hochschulverbandes).

5. Große Diskussionen? Keine. Eine Nachfrage zu den genannten Kosten des Verfahrens vor dem EGM, die sich im niederen fünfstelligen Bereich bewegen. Es werden seitens des Vorstands keine Finanzierungsschwierigkeiten gesehen, „ansonsten weiß ich, wo ich anklopfen muss“. Keine Frage, dass sich des Vorgangs ein ausgewiesener Spitzenjurist mit Expertise anzunehmen hat. „Da haben wir am Anfang unserer Vereinstätigkeit Lehrgeld bezahlt: Sie erinnern sich noch, Herr Meier. Ein Rechtsanwalt, der mit der Materie nicht hundert prozentig vertraut ist, macht zwar auch nicht alles falsch – aber man hat keine Chance.“

Zu matt um sich zu wehren

Ach ja, Handwerker und Gewerbetreibende: Mit beiden Beinen im Leben und mit dem Kopf im Hier und Jetzt. Und Ärzte: die Gynäkologen, Orthopäden, Urologen, Dermatologen, Augenärzte und HNO’s führen ihre Kassenpraxen weiter und merken wahrscheinlich überwiegend nicht einmal, dass sie im „Kassengeschäft“ laut Neubauer-Gutachten draufzahlen.

Die wundern sich bloß, warum so wenig überbleibt, sind aber zu matt, um die Frage nach dem „Warum“ abzuklären und erst recht, sich dagegen zu wehren. Welcher Ärzteverband bietet vergleichbares Engagement für seine Mitglieder? Mir fällt leider nur der – relativ große, und nur für Klinikärzte aktive – Marburger Bund ein. Für uns Niedergelassene sieht’s zappenduster aus.

Es braucht dringend einen standespolitischen Neuanfang in der niedergelassenen Ärzteschaft – aber bitte nicht mit alten dauerpostenden Schwafelköpfen vom BFAV und Bedenkenträgern von der FÄ! Sonst ist die Fortschreibung des Stillstands allen wortreichen Dementis zum Trotz ungeschriebenes Programm.