An sich wollte ich das Thema „Kassenärztliche Vereinigungen und deren Funktionäre“ jetzt für einige
Zeit ruhen lassen. Es gibt doch noch genug andere Missstände im Gesundheitswesen, über die zu schreiben sich lohnt. Allerdings lässt mir das aktuelle Deutsche Ärzteblatt (Heft 10/2014) keine Wahl, mich schon wieder über
KV-Funktionäre zu echauffieren. In meinem Blogbeitrag „Dysfunktionale Funktionäre, Teil 2“ habe ich dargelegt, warum die KV-Chargen die Interessen der ärztlichen Basis gar nicht ernsthaft vertreten wollen:
Weil sie so hoch bezahlt sind, dass das mit weitem Abstand führende Interesse für diese Klientel der Erhalt des eigenen lukrativen Postens ist – und nicht etwa die ärztliche Interessensvertretung. Fast schon peinlich deutlich
bestätigte sich diese These, als vor zwei Wochen der Chef der kassenärztlichen Bundesvereinigung KBV, Gassen, in Günther Jauchs sonntagabendlicher Talkrunde in der ARD zum Thema „Wartezeit auf Arzttermine“ zu
Gast war. Jauch versuchte Gassen zweimal mit der Formulierung „… um nicht von Rationierung zu sprechen …“ das Stichwort zu geben. Und was tat Gassen? Er sprach tatsächlich NICHT von der reell existierenden
Rationierung der ambulanten Medizin. Eine penible Aufklärung des Volkes über das Faktum „Rationierung ambulanter ärztlicher Leistungen“ hätte ja eventuell das System und damit seinen – Gassens – Job in Frage
gestellt. Statt dessen schwafelte er dümmlich und falsch von annähernd gleicher Bezahlung bei privat und gesetzlich Versicherten.

„Allein der Knete wegen“

Jetzt also: Im aktuellen Deutschen Ärzteblatt 10/2015 sind auf Seite A435 ff die Bezüge der KV-Vorstände
in Bund und Ländern aufgelistet. Was nun folgt, ist etwas Rechenarbeit – mit erstaunlichen Ergebnissen, die die obige These des KV-Funktionärsjobs „allein der Knete wegen“ mehr als unterfüttern.Der vormalige Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Dr. Köhler hatte 2013 für seine Tätigkeit
mit fünf Tagen in der Woche 326.372,80 € bezogen.
Dem neuen Vorsitzenden, jenem erwähnten Orthopäden Dr. Gassen, sind in seiner Vorstandszeit, die im
März 2014 begann, bis Dezember 274.666,70 € zugeflossen. Und zwar bei einem Praxistag pro Woche, also für eine Vier-Tage-Woche in der KBV. Rechnet man diese Einnahmen aufs Jahr und eine Fünf-Tage-Woche um, so resultieren
stattliche 412.000,05 €. Dies entspricht einem Zuwachs für den KVB-Vorsitz von 2013 auf 2014 um irrsinnige 26 Prozent. Zur Erinnerung: Selbiger Herr Gassen hatte sich im Oktober 2014 mit den Gesetzlichen Krankenkassen
flugs auf einen Zuwachs der Arzthonorare von 800 Millionen Euro geeinigt, was einem Durchschnittsplus von 2,7 Prozent pro Praxis entsprach.

Was verdient der Arzt?

Was eigentlich verdient ein niedergelassener Arzt in seiner Praxis? Darüber gibt die Kassenärztliche Bundesvereinigung,
deren Vorsitzender ja jener Herr Dr. Gassen ist, Auskunft: Unter http://www.kbv.de/html/2121.php erfahren wir, dass der Honorarumsatz aus „Kasse“ pro Facharzt 2011 bei 197.143 € lag. Neuere Zahlen finde ich leider
nicht. Aber behelfsmäßig kann man mit den 2,7 Prozent Umsatzplus hochrechnen, die Herr Gassen im Oktober für die niedergelassenen Kassenärzte „herausgeholt“ hatte. Damit lässt sich abschätzen, dass eine Facharztpraxis
2014 auf einen durchschnittlichen Honorarumsatz durch Kassenpatienten von 213.547 € kam.
Nun informiert uns die KBV auf ihrer oben erwähnten Internet-Seite darüber, dass dem Durchschnittsarzt
vom Umsatz nur 23,5 Prozent „Netto“ verbleiben. Klar: Praxismieten, Personal- und Gerätekosten etc., die eigene Krankenversicherung, die Rentenkasse und zuletzt auch noch der Fiskus wollen bedient werden. Absolut
in Zahlen ergibt sich damit ein Jahresnetto für einen Facharzt in der Praxis aus Einnahmen von gesetzlich Versicherten von schätzungsweise 50.184 €. Wie sieht die Rechnung nun für Herrn Gassen aus? Die Tätigkeit in der KVB ist Brutto, also kein Umsatz.
Wollen wir – großzügig im Sinne von Herrn Gassen gerechnet – davon ausgehen, dass von diesem Brutto 55 Prozent für Steuern und Sozialabgaben abgehen, so dass Netto 185.400 € überbleiben.

Nur heiße Luft

Eine analoge Rechnung lässt sich auch für die zweite Vorsitzende der KV Bayern erstellen. Warum habe ich
mir gerade diese Dame ausgesucht? Weil sich Frau Dr. Ilka Martina Enger gerne als Tribunin der ärztlichen Basis geriert. Freilich ohne in vier Jahren KV-Zugehörigkeit irgendetwas von Relevanz für diese Basis erreicht zu
haben. Mehr als Absonderung heißer Luft ist nicht. Unter Verwendung der Zahlen aus dem Deutschen Ärzteblatt 10/2015 ergibt sich ein Plus der Funktionärsbezüge 2014 von 3,3 Prozent zu 2013. Ebenfalls mehr als die 2,7 Prozent,
die Gassen für sein Fußvolk ausgehandelt hatte. Den Gratis-Dienstwagen und die zusätzlichen üppigen Altersbezüge via KVB lasse ich in der Rechnung ganz außen vor. Unter Berücksichtigung der Drei-Tage-Woche von Frau
Enger für die KVB in München (bei zwei Tagen eigener internistischer Praxis in Neutraubling) errechnet sich aufs Jahr hochgerechnet für die Funktionärsarbeit in der KV Bayern ein Jahressalär von – Tusch und tatää! –
415.187 € brutto, oder netto bei wiederum geschätzten 55 Prozent Abzügen: 186.834 €.
Das heißt: Die im Vergleich zur ärztlichen Arbeit verantwortungs- und risikoarme Tätigkeit eines KV-Spitzenfunktionärs
ist den Ärzten an der Basis, die das KV-System mit ihren Zwangsbeiträgen finanzieren, im Falle Gassen und Enger zirka drei- bis viermal so viel wert wie die eigene Arbeit an den Patienten in der Praxis. Das dürfte den
Kolleginnen und Kollegen, die tagtäglich in der Praxis schuften und die Bevölkerung versorgen, bis dato so nicht klar gewesen sein. Allerdings ist zu bezweifeln, dass die im System verbliebenen Kollegen den Mumm haben,
ihre Selbstbedienungs-KV-Funktionäre in die Wüste zu schicken. Aber vielleicht begehren ja letztendlich die Patienten auf, aus deren Kassenbeiträgen sämtliche Geldflüsse zur den KVen stammen. Sammeladresse für Protest:
patient-informiert-sich.de.
„Wenn es die Kassenärztlichen Vereinigungen nicht gäbe, dann müsste man sie erfinden“, konstatierte
der stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Facharztverbandes, Dr. Dolf Hufnagl, auf der Vollversammlung des Bayerischen Facharztverbandes in Ingolstadt 2011. Aus Sicht der KV-Funktionäre kann man dem sicher nur beipflichten.