Das
Thema des letzten Aufsatzes war das Nicht-Funktionieren der
Bundesärztekammer unter ihrem Vorsitzenden Montgomery. Der nämlich
vertritt klammheimlich lieber die Interessen der privaten
Krankenversicherungswirtschaft gegen die der Ärzte, obwohl es seiner
Funktion nach genau umgekehrt sein müsste. Allerdings, wie
erläutert: Professor h.c. Dr. Frank Ulrich Montgomery steht – gut
getarnt zwar, de facto aber doch – auf der Gehaltsliste des
AXA-Konzerns, der selbst und zusätzlich noch mit seiner Tochter DBV
ein privater Krankenversicherer ist.

Nun
lassen Sie uns einmal zu einem anderen merkwürdigen, in seiner Art
weltweit einmaligen Verwaltungsapparat blicken, dessen geistige Väter
und „Macher“ vordergründig ebenfalls vorgeben, ärztliche
Interessen zu vertreten – und zwar speziell die der niedergelassenen
Kassenärzte und -psychotherapeuten (immerhin 162.651
Mitglieder,Stand Ende 2013): die Kassenärztlichen Vereinigungen,
kurz „KV“ genannt.

Es
existieren zahlreiche Regional-Vereinigungen, die sich überwiegend
an die Grenzen der Bundesländer halten. Außerdem die
Kassenärztliche Bundesvereinigung, abgekürzt „KBV“. Alles
Körperschaften des öffentlichen Rechts, also quasi Ämter.
Finanziert werden sie durch Beiträge ihrer Zwangsmitglieder; der
Ärzte und Psychotherapeuten. Da es die Aufgabe der Angestellten ist,
das Geld der Krankenkassen an die Ärzte weiterzuleiten, gestaltet
sich die Beitragsabrechnung einfach. Jedem Arzt wird von seiner KV
gleich der Zwangsbeitrag abgezogen, wenn sein Honorar für die
Kassenpatienten fällig ist.

Marschrichtung wird vorgegeben

Als
Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) ist die KV allerdings
an die Weisungen der Ländergesundheitsministerien gebunden. Schon
hieraus wird klar, dass die Interessen der Ärzte zumindest der
Politik gegenüber nicht vertreten werden können, da die
Volksvertreter die Marschrichtung vorgeben und die Bediensteten in
den Vereinigungen ohne wenn und aber zu parieren haben.

Aber
gegenüber den Krankenkassen, da klappt die Vertretung der ärztlichen
Interessen doch prima, oder?

Vielleicht
können Sie sich noch daran erinnern, dass die Kassenärztlichen
Vereinigungen vor einigen Monaten für Arzthonorare einen Zuschlag in
Höhe von fünf Milliarden Euro forderten? Herausgekommen sind nach
kurzen, schmerzlosen Verhandlungen 800 Millionen Euro. Na ja, könnte
man denken, das sind immerhin 2,7 Prozent mehr für jeden
Kassenversicherten. Die fünf Milliarden waren als Ausgangsforderung
vielleicht nicht mehr als eine unverschämte Luftnummer! Wenn diese
enorme Summe durchgesetzt worden wäre, hätte das ungeheure 16,9
Prozent Plus für jeden Kassenpatienten bedeutet.

Was
kaum einem Nicht-Arzt bewusst ist: Die Praxismedizin ist budgetiert,
d.h. jeder Praxisarzt darf pro Patienten nur einen bestimmten
maximalen Umsatz im Vierteljahr erwirtschaften. Was darüber hinaus
geht, wird nur noch mit zehn Prozent des ursprünglichen
Honorarsatzes vergütet. Beispiel: nach Budgetüberschreitung erhält
der Nervenarzt für einen Demenztest nur noch 19 Cent statt 1,92
Euro. Die Etats sind so knapp bemessen, dass jeder Mediziner
ordentlich über seiner Bemessungsgrenze liegt. Die 16,9 Prozent
Forderung hätten schlicht nur die dank des Budgets bislang nicht
ausbezahlte Arbeit der Ärzte ausgeglichen.

Stellt
sich die Frage, weswegen die KBV unter ihrem damals neuen
Vorsitzenden Gassen so rasch die reell mickrigen 800 Millionen Euro
mehr akzeptiert hat?

Patient muss ausspioniert werden

Und
außerdem will man wissen, weswegen sich die KBV derzeit vor den
Karren der Krankenkassen spannen lässt und die Zwangsdurchsetzung
der elektronischen Gesundheitskarte (Kurz e-card oder EGK genannt) in
den Praxen betreibt? Die KBV nämlich hat es erst möglich gemacht,
dass die bisherigen Versichertenkarten ohne Spionage-Chip ab dem 1.
Januar 2015 nicht mehr verwendbar sind, was die Hersteller von
Praxissoftware dazu gezwungen hat, die Praxis-EDV entsprechend
umzukonfigurieren.

KVB-Einsatz
für das e-card-Projekt, welches Ärzte dazu degradiert, die
Patienten im Auftrag der Kassen auszuspionieren und für das die
Kassen hemmungslos Milliardenbeträge ausgeben. Beträge, für die
die 800 Millionen mehr für die ambulante Patientenversorgung 2014
Peanuts sind? Warum setzt sich die Kassenärztliche Vereinigung ohne
Notwendigkeit für die Umsetzung des e-card-Projekts ein, obwohl auf
mehreren Deutschen Ärztetagen wiederholt Beschlüsse der
Vollversammlungen gefasst wurden, die sich explizit gegen dieses
Projekt ausgesprochen haben?

Eine einfache Antwort

Die
Antwort ist überraschend einfach: Der Vorsitzende der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Gassen, kassiert für
seine Tätigkeit eine stattliche Grundvergütung von 326.372,80 Euro
pro Jahr plus Dienstwagen (auch zur privaten Nutzung) nebst Beitrag
zur privaten Altersvorsorge in Höhe von 30.000 Euro pro Jahr.
Abwahl? Pro forma möglich, aber de facto kaum.

Was
soll der Mann sich für höhere Arzteinkommen stark machen oder sich
in einem Kampf wegen der e-card mit den Gesetzlichen Krankenkassen
stressen, wenn er selbst dank seiner bloßen Funktion ausgesorgt hat
und auf die Einnahmen aus seiner Orthopädie-Praxis nicht mehr
angewiesen ist?

Merke:
Wer sichergehen will, dass ein Funktionär für Arztpraxen garantiert
nicht funktioniert, muss ihn finanziell so gut „polstern“, dass
er es gar nicht mehr nötig hat, seiner eigenen Praxis wegen zu
funktionieren. Für die KV-Landesfürsten gilt übrigens das alles
genauso. Wie nennt man das im Fußball gleich wieder? … Ach ja:
Eigentor!