Stellen
Sie sich vor, es gibt etwa 130 Autohersteller in Deutschland. Alle im
Angebot befindlichen Fahrzeuge werden zu ein- und demselben Preis
angeboten und gleichen sich wie ein Ei dem anderen.
„Nein
nein, stimmt nicht“, sagen die Autoproduzenten natürlich – „stimmt
ganz und gar nicht“! Und in der Tat: Beim Kauf eines Wagens des
Luxuskarossen-Herstellers Cermedes finden Sie Ihre Namensinitialen in
Goldlettern in die Mitte des Lenkrads eingeprägt. Bei WMB bekommen
Sie einen Schwamm und ein Poliertuch geschenkt. Und WehVau ist auf
dem Ökotrip: Die Fußmatten sind aus Naturbast gefertigt. Um solche
marginalen Unterschiede deutlich zu machen, wird von den Herstellern
Fernsehwerbung zur besten Sendezeit gebucht. Ganzseitige
Anzeigen in der BLIND-Zeitung werden geschaltet, um zu
suggerieren, dass es einen phänomenal genialen Schachzug darstellt,
einen LORD zu kaufen.
Risiko nicht in Sicht
Wie
sieht es mit den Reparaturkosten aus? Bestens! Genormt und staatlich
subventioniert! Damit kein Hersteller durch allzu viele notwendige
Nachbesserungen in eine finanzielle Schieflage gerät, gibt es den
Risikostrukturausgleich, über den Geld aus den Kassen der Hersteller
von weniger „anfälligen“ Autos auf die Konten der nicht ganz so
tadellosen Mitbewerber fließt. Ein Bundesamt mit vielen vielen
Beschäftigten steht dahinter und fungiert sozusagen als
„Gleichmacher“.
Nun
sagen Sie bloß, dass sie diese Art von Wettbewerb, Angebot und
Nachfrage blödsinnig finden würden? Warum das denn? Bei den
reell existierenden gesetzlichen Krankenversicherungen meckern Sie
doch auch nicht!
Unfug ist man längst gewohnt
Die
fiktive Geschichte mit den Autoherstellern ist nichts anderes als ein
Vergleich mit der Versicherungslandschaft bei den gesetzlichen
Krankenkassen. Deren Leistungen sind absolut identisch, die
Versicherungsprämien überall gleich hoch – das Wellness-Wochenende
hier und der Staubsauger für ein paar Jahre Treue dort haben mit der
eigentlichen Aufgabe der Versicherungen genauso wenig zu tun wie
spezielle Fußmatten oder Namensinitialen auf dem Lenkrad. Nur: Auf
die Situation „Automarkt“ übertragen fällt es auf, bei
den gesetzlichen Krankenkassen ist man solchen Unfug längst gewöhnt
und fragt nicht mehr nach. Warum also braucht es 130 Mal
Einheits-Blödsinn bei der GKV??
Hier
kommt Johannes Poncius (1599-1661) ins Spiel – ein irischer
Franziskanermönch und Scholastiker, der einen wichtigen
philosophischen Lehrsatz geprägt hat: „Non
sunt multiplicanda entia sine necessitate.“ „Entia“
= „Dinge/Wesenheiten“, die sind nicht ohne Notwendigkeit zu
vermehren, hat er also gesagt, der Johannes Poncius. Das würde –
auf die gesetzlichen Krankenkassen übertragen – heißen: Eine
einzige Krankenkasse mit einem einzigen Management und einer einzigen
Filiale in einem bestimmten Umkreis reicht völlig.
Es sei denn, die
Kassen würden auf einmal beginnen sich wirklich Konkurrenz zu
machen. Das scheint weiß Gott nicht der Fall zu sein. Das würde nämlich zuerst einmal in Arbeit ausarten und in der Folge womöglich
auch noch zum Scheitern oder gar zum Untergang in einer echt harten
Auseinandersetzung führen.
Qualität ist kein Zufall
Wie
sieht es in der Realität zum Beispiel bei den Automobil-Herstellern
aus? Unterschiedliche Motorisierung, unterschiedlicher Verbrauch,
unterschiedliche Karossen, unterschiedliche Ausstattung – und
natürlich unterschiedliche Qualität, oder? Ein Fiat-Panda ist
selbst rein objektiv betrachtet etwas anderes als ein Mercedes Coupe!
Wollen
Sie Homöopathie mitversichern? Oder auf Leistungen für Unfälle
durch aktives Risikoverhalten verzichten, weil Sie eh nicht Motorrad
fahren oder alpin Ski-laufen? Wollen Sie Originalpräparate – oder
prinzipiell nur Nachahmer, selbst wenn Ihnen dann Neueinführungen
auf dem Medikamentenmarkt jahrelang nicht zur Verfügung stehen?
Wollen Sie einen Kostenerstattungs-Tarif mit guter Rechnungsabdeckung
und damit schnell einen Arzttermin außerhalb des Budgetdrucks des
Arztes – oder weiter ewige Wartezeiten in Kauf nehmen? Der Phantasie
bei der Gestaltung von Versicherungsverträgen wäre keine Grenze
gesetzt, wenn denn nur die Kassen wollten. Die Kassen wollen aber
lieber ein faktisches Monopol beibehalten und Leistungsvielfalt
heucheln, wo keine ist. Nur auf diese Art und Weise lassen sich
übrigens auch weiterhin problemlos mehr als 130 üppige
Vorstandsgehälter aus Versichertenbeiträgen realisieren.
Die Angst vor einem Kassenmonopol halte ich für ungerechtfertigt: 1. wäre ein System mit einer einzigen Kasse viel transparenter als ein System mit 130 Kassen, die Vielfalt heucheln, wo Monotonie vorherrscht. 2. bräuchte es eine Pflichtmitgliedschaft für jedermann – auch die bisherigen Privatversicherten und damit auch für die Politiker – in diesem Einheitssystem. Jeder wäre von Ungerechtigkeiten dann gleichermaßen betroffen und damit wäre die Aufmerksamkeit der Medien wesentlich höher und das Gegensteuern von Politik und Justiz wesentlich konsequenter als im derzeitigen Kassen-Pseudopluralismus. 3. In Frankreich gibt es solch eine Einheitskasse, und die medizinische Versorgung der Franzosen ist um keinen Deut schlechter als unsere in Deutschland.
Auch von mir ein Hinweis. Hätten Sie eine einzige Krankenkasse anstelle von den jetzigen 130+, wäre ein Monopolisten geschaffen mit unerhört er Machtfülle. Dieses Machtmonopol würde zum Schaden der Versicherten, zum Schaden des gesamten Gesundheitswesens ausgenutzt. Die Zerschlagung eines solchen Monopolstellung, welches in umfassenden Besitz aller Daten zu Erkrankungen, notwendigen Therapien, Risikoabschätzung bei Auswertung des Lebensstils, der Erkrankung von Verwandten, vermuteten Genstörungen usw. usf.- wäre sicher viel schwieriger. Aber diese Büchse der Pandora droht reell, der Anfang mit der e-card ist gemacht.
Lieber Herr Bensch,
Sie haben natürlich recht. Wir können uns aber sicher darauf einigen, dass Herr Meier bei der AOK genausoviel wie Herr Müller bei der DAK bezahlt. wenn beide das gleiche Einkommen haben. Jedenfalls ist das Einkommen kein Kriterium, das geeignet ist, sich für die Kasse A oder die Kasse B zu entscheiden.
Viele Grüße
Ihr Christian Nunhofer
Leider ein kleiner aber bedeutender Fehler in diesem Artikel, was die „gleich hohen Prämien“ bei den Krankenkassen angeht. Was meine ich damit?
Der Beitragssatz für alle gesetzlichen Krankenkassen ist der Gleiche – allerdings als Prozentzahl vom Bruttoeinkommen – will damit heissen, dass je höher der Verdienst um so höher meine „Prämie“ an die Kasse!