In der aktuellen Münchner Medizinischen Wochenschrift „MMW“ vom 23. März 2017 hat der Vorsitzende des Hartmannbundes, Mitglied im Führungszirkel der Bundesärztekammer und auch deren Verhandlungsführer für eine neue Ärztliche Gebührenordnung (GOÄ) einen Aufsatz verfasst. Der Titel lautet „Bürgerversicherung: Ein freier Beruf braucht kein staatliches Korsett“.

Konkret führt Doktor Reinhardt aus: „Für uns Ärzte ist eine Einheitsversicherung mit einer Einheitsgebührenordnung, wie sie die Bürgerversicherung wäre, nicht zu akzeptieren. Wir sind in erster Linie Freiberufler – und dazu gehört zuallererst Therapiefreiheit.“

Markige Worte

Nun ist zitierter Herr Reinhardt nicht nur meiner Meinung nach schon des Öfteren durch wirre Gedanken aufgefallen. Zu Beginn sollte es für uns Ärzte von untergeordnetem Interesse sein, wie die Politik die Krankenversicherung der Bürger gestaltet. Wichtig wäre vielmehr, dass wieder Leistungstransparenz ins Arzt-Patienten-Verhältnis komme – und das funktioniere nur mit einer direkten Abrechnung zwischen Arzt und Patienten.

Ob Letzterer diese Rechnung dann an eine Kasse weitergibt, die im Rahmen einer Bürgerversicherung organisiert ist oder sich die Auslagen sonstwie erstatten lässt, sollte uns Ärzten eher gleichgültig sein.

Überhaupt Freiberuflichkeit! Markige Worte, die der Genius Reinhardt zu diesem Thema bemüht. Freiberufler sind …? Per Definition Selbstständige, die kein Gewerbe betreiben und damit keine Gewerbesteuer zahlen müssen. „Freiberuflichkeit“ ist also ein Begriff, der steuerrechtlich relevant ist – und sonst nichts, aber auch gar nichts. Mit „Therapiefreiheit“ hat „Freiberuflichkeit“ so viel zu tun wie eine Filzlaus mit einem Herzinfarkt.

Desaströse Gedanken

Kein Wunder, dass die bisherigen Verhandlungen zur „GOÄ neu“ so desaströs verliefen, wenn sie in den Händen solcher Leuchten wie eines Herrn Reinhardt liegen.

Nun verschickt dieser Tage die Bayerische Landesärztekammer, kurz „BLÄK“, wie alle Jahre wieder ihre Beitragsbescheide. Mit den Beiträgen der BLÄK – wie auch aller anderer Landesärztekammern – wird die Bundesärztekammer mitfinanziert.

Bereits am 28. Januar dieses Jahres hatte ich die BLÄK angeschrieben und um die Übermittlung der wirtschaftlichen Daten der Organisation gebeten. Insbesondere äußerte ich den Wunsch „Eine etwaige hierin vorhandene Position ‚Reinvermögen‘ wollen Sie bitte aufschlüsseln.“ Darauf teilte man mir am 03. Februar mit, dass die „Aufschlüsselung der Position ‚Reinvermögen'“ – immerhin laut Aufstellung der BLÄK mit einem Volumen von gut 19 Millionen Euro! – „nicht möglich ist …“.

Aufforderung zum Elfmeter

Kommentar des Bundesverbands für Freie Kammern („bffk“) am 27. Februar: „Wenn Ihnen die Kammer jetzt nochmal mitteilt, dass eine Aufschlüsselung des Reinvermögens nicht möglich ist, so heißt das doch nichts anderes, als dass es jedenfalls eine ordentlich zweckgebundene Rücklagenbildung nicht sein kann. Denn die ließe sich ja beziffern. Also haben die Ihnen damit den Ball für die laufende und auch eine neue Klage auf den Elfmeterpunkt gelegt“.

Was lernt uns das, wie der Norddeutsche fragt? Es steht zu vermuten, dass die BLÄK nicht rechtskonform mit ihren Beitragseinnahmen wirtschaftet. Wenn ich ohnehin mit der Kammerarbeit – insbesondere mit der Unfähigkeit der Bundesärztekammer in Sachen GOÄ (die hierbei von der BLÄK nicht nur finanziell, sondern auch im Kurs kräftig unterstützt wird) – unzufrieden bin, warum um alles in der Welt soll ich die Unfähigkeit in der ordentlichen Haushaltsführung und der Verhandlungsführung zur GOÄ auch noch mit Kammer-Zwangsbeiträgen alimentieren?

Konsequenz: keine Beitragsüberweisung, sondern Klage. Mir hilft der bffk, sh. https://www.bffk.de/

Parlieren statt agieren

Noch ein abschließendes Wort zu unseren ärztlichen Berufsverbänden: Wo bleibt deren Handeln gegen die Kammern?

Die Vorstände der Freie Ärzteschaft „FÄ“ und den Bayerischen Facharztverband „BFAV“ nebst dessen Bundesableger BVNF habe ich wiederholt zur Unterstützung im praktischen Handeln gegen die Kammern aufgefordert und auf den bffk hingewiesen. Man könnte ja schließlich die eigenen Mitglieder dazu bewegen, darüber nachzudenken, ob sie mit der Art, wie die Kammern mit ihren Beiträgen wirtschaften, zufrieden sind?

Reaktion seitens der Verbände? Keine. Man bleibt sich des Mottos „parlieren statt agieren“ treu und jammert weiter mit dem Rotweinglas in der Hand über den deutschen KdöR-Sumpf, anstatt konkrete Maßnahmen zu dessen Trockenlegung zu unterstützen …