Mein Freund Ulf erzählt mir kurz vor Jahresende, sein Versicherungsmakler habe ihn informiert, dass die AXA – seine private Krankenversicherung – die Versicherungsprämie um einen Hunderter anhebe. „Na ja“, hab ich gesagt, „den Hunderter pro Jahr kannst du schon noch stemmen“.
„Nein nein“, erwiderte Ulf. „Nicht im Jahr – im Monat!“ Ein anderer AXA-Kunde hat es so formuliert: „Stellen Sie sich das mal vor: Die AXA wird ab Januar um ein Drittel teurerer! Wenn das so weiter geht, wie soll ich die Prämien im Alter noch bezahlen können?“
Nicht allein auf weiter Flur
Die AXA hat wohl zum Jahreswechsel bei ihren Privatpatienten besonders kräftig zugelangt, doch auch etliche andere Versicherer verteuerten sich im zweistelligen prozentualen Bereich. Neueren Meldungen zufolge ziehen im Frühjahr viele weitere private Versicherungskonzerne nach.
Unsereiner hat einmal auszurechnen versucht, um wie viel die privaten Krankenversicherer im Lauf der letzten zwanzig Jahre alljährlich ihre Prämien erhöht haben. Dabei bin ich auf einen Schätzwert von 4,6 Prozent p.a. gekommen. Das ist stattlich, wenn man bedenkt, dass die Inflation seit langen Jahren sehr niedrig ist und die ärztliche Gebührenordnung (GOÄ), nach der gegenüber den Privaten Krankenversicherern (PKV) abgerechnet wird, in den letzten 21 Jahren um null Prozent angehoben wurde.
30 Milliarden in 20 Jahren
Richtig, NULL Prozent. Das heißt: ein EKG zum Beispiel kostet für Privatpatienten noch genauso viel wie anno ’96. Allein durch den Nicht-Ausgleich der Preissteigerung haben die Ärzte der PKV auf jede Rechnung von 1996 bis 2016 einen Durchschnittsrabatt von 16,0 Prozent gewährt, das sind – vorsichtig geschätzt – über die Jahre in der Summe 30 Milliarden Euro.
Seit 1996 liegt die aufsummierte Teuerungsrate bei 33,6 Prozent, so dass jede Arztrechnung nach GOÄ 2016 33,6 Prozent weniger wert war als 1996. Wieder sehr zurückhaltend geschätzt, haben die Ärzte die privaten Versicherer damit im vergangenen Jahr durch den Teuerungsverlust mit 1,6 Milliarden Euro finanziell entlastet.
Provisionen in Rekordhöhe
Freilich brauchen die armen Versicherungsgesellschaften das Geld dringend: Haben sie doch alleine an ihre Makler für Neuabschlüsse 2,4 Milliarden an Prämien ausbezahlen müssen. Damit wenigsten klar ist, wessen Arbeit etwas wert ist…
Klar wie Kloßbrühe ist, dass nach 21 Jahren Nichtanpassung die Gebührenordnung GOÄ reformiert werden muss! Eine solche Reform müsste zweifellos mit einer erheblichen Erhöhung der ärztlichen Honorierung einhergehen.
Zusätzliche Belastung
Eine derartige Erhöhung kann aber nicht im Interesse der öffentlichen Hand und damit des Gesetzgebers sein, da die öffentliche Hand über die Beihilfen an der Finanzierung des Gesundheitswesens unmittelbar mitbeteiligt ist und somit die öffentlichen Haushalte zusätzlich belastet würden. (Anmerkung: die Beihilfen sind die beitragsfreien Krankenzusatzversicherungen des Bundes, der Länder und der Kommunen für die Beamten, die bis zu zwei Drittel der Arztrechnungen der Beamten übernehmen, so dass sich Beamte nur teilweise bei einer PKV versichern müssen).
Es besteht ein unlösbarer Interessenkonflikt des Gesetzgebers, der die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung unter den derzeitigen Bedingungen kaum mit den berechtigten Ansprüchen der Ärzte nach einer erhöhten Vergütung auf einen gemeinsamen Nenner bringen können wird.
Zwang zum Wechsel in Basistarif
Eine Erhöhung kann auch nicht im Sinne der privaten Krankenversicherer sein, da diese erhöhte Ausgaben für Honorare zwangsläufig durch höhere Beiträge kompensieren müssten, was den Teil jener Versicherten, die höhere Beiträge finanziell nicht mehr darstellen können, in den billigen PKV-Basistarif zwingen würde – entgegen dem Interesse der Versicherer und auch dem der Ärzte.
Im PKV-Basistarif wird der Patient in den Leistungsansprüchen mit einem gesetzlich versicherten Patienten gleichgestellt. Der PKV-Basistarif ist ein konkretes Beispiel für soziale Ungerechtigkeit: Solange der Versicherte jung und gesund war, hat er hohe Prämien für eine optimale medizinische Versorgung gezahlt, diese aber kaum in Anspruch nehmen müssen.
Wenn er mit zunehmenden Lebensjahren der Natur entsprechend vermehrt ärztliche Leistungen braucht und sich zugleich die ansteigenden Versicherungsprämien nicht mehr leisten kann, dann muss er als Versicherter im Basistarif erfahren, dass er gerade dann die Vorteile der PKV nicht mehr nutzen kann, wenn er darauf angewiesen ist. Vormals hohe Prämienzahlungen verpuffen ohne Gegenleistung.
Versicherungsmodell ohne Zukunft
Wenn eine Gebührenerhöhung über eine Prämienerhöhung tatsächlich eine vermehrte Zahl der Versicherten in den PKV-Basistarif zwingt, so kann dies auch nicht im Interesse der Ärzte sein. Diese können dann zwar für den überwiegenden Teil der PKV-Versicherten höhere Rechnungen stellen, sehen sich aber andererseits einem zunehmenden Anteil schlecht zahlender Basistarifversicherter gegenüber. Ob aus diesen Umständen eine in der Summe höhere Honorierung der Ärzte resultiert, ist zu bezweifeln.
Die schlichte Wahrheit ist: Das Versicherungsmodell der PKV in der momentanen Form ist nicht zukunftsfähig. Dass die gesetzliche Krankenversicherung ein bürokratisches und uneffektives Monster zum Schaden ihrer Versicherten ist, habe ich im letzten Blogbeitrag erläutert. Die Lösung heraus aus dem Dilemma der GKV und der PKV heißt: eine intelligente Bürgerversicherung mit Zusatzleistungen. Wie eine solche zu gestalten ist, will ich im nächsten Blog-Beitrag erläutern.