Selbst die alt-ehrwürdige Verbraucherzentrale Hamburg leistet sich grobe Schnitzer: Am 6. Januar wurden die Ergebnisse einer Untersuchung über die Qualität der neurologischen Versorgung in Deutschland veröffentlicht. Überschrift: „‚Sie haben Parkinson, das sehe ich Ihnen an den Augen an – Erlebnisse einer Patientin bei 15 Neurologen“. Eine Kassenpatientin im Anfangsstadium einer Parkinson-Erkrankung suchte zusammen mit einer Begleiterin neurologische Praxen auf, um sich untersuchen, beraten und behandeln zu lassen. Genauer nachlesen kann man das Ganze unter: http://www.vzhh.de/gesundheit/432910/parkinson-diagnose-in-fuenf-minuten.aspx
Sinn und Zweck solcher Tests ist es, herauszufinden, was Mediziner bei Patienten versäumt haben oder besser machen könnten. Deshalb wird eine Checkliste erstellt, anhand deren „Abarbeitung“ die Qualität der ärztlichen Leistung beurteilt wird. Leider fehlt mir in bezug auf die genannte „Studie“ eine Gesamtnote, wie sie die Verbraucherzentrale für Testuntersuchungen bei anderen Arztgruppen bereits vergeben hat: „Neben den Neurologen haben wir in den zurückliegenden Monaten auch Dermatologen (Durchschnittsnote: 3,0), Augenärzte (3,5), Allgemeinmediziner (3,6), Orthopäden (3,9), Zahnärzte (3,8) und plastische Chirurgen (4,2) überprüft – teils mit enttäuschenden Resultaten und hohen Durchfallquoten.“
Mehr als ausreichend darf es nicht sein
Jetzt kommt’s: Die für Kassenpatienten gültige Rechtsvorschrift ist das 5. Kapitel des Sozialgesetzbuchs, kurz SGB V. Das SGB V regelt in § 12: Wirtschaftlichkeitsgebot:
(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
„Ausreichend“ müssen die Leistungen also sein, in Schulnoten ausgedrückt: „4“. Mehr darf die Kasse nicht vergüten – und mehr vergütet sie auch nicht. Damit die Ärzte wirklich nicht besser als „4“ arbeiten, ist die ärztliche Leistung budgetiert, will heißen: Jeder Arzt hat pro Patient und Quartal nur einen sehr geringen Betrag zur Verfügung, mehr wird nicht bezahlt. Kassenmedizin ist rationiert – und zwar so stark, dass der deutsche „Durchschnittsarzt“ pro Quartal 15 Prozent über seinem Budget arbeitet, also 15 Prozent seiner abgerechneten Arztleistungen schlicht und einfach nicht erstattet bekommt. Dabei haben Kassenärzte das Budget mit dem dadurch für die Patientenversorgung aufgezwungenen Minimalprogramm andauernd vor ihrem inneren geistigen Auge.
Absurde Maßstäbe angelegt
Was also sagen uns die oben zitierten Noten für die verschiedenen Berufsgruppen? Die Dermatologen arbeiten besser als wirtschaftlich erlaubt, die Kollegen anderer Fachgruppen halten sich mehr oder minder an die gesetzlichen Gegebenheiten. Ein Neurologe, der die Checkliste der Verbraucherzentrale Hamburg weitgehend abgearbeitet hätte, hätte mit der Note „1“ schlicht gegen das gesetzlich vorgegebene Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen.
Wie würden Sie es finden, wenn die Hamburger Verbraucherzentrale Imbissbuden testen und dabei die Maßstäbe eines Sterne-Restaurants anlegen würde? Richtig: absurd! Genauso absurd sind der Parkinson-Check und sämtliche ähnlich gestrickten Ärztetests.
Na, richtig wäre es gewesen, der 5 Min. – Dr. hätte der Dame die Umstände kurz mitgeteilt, sie gebeten, evtl. nochmal vorbeizukommen und über Erfolg oder Nichterfolg des Medikamentes zu berichten. So ist aus ausreichend ein ungenügend geworden. Und eine grobe Unhöflichkeit.