Ein Glück, dass es die
Elektronische Gesundheitskarte gibt – zum Nutzen und Frommen der
gesetzlichen Krankenkassen, der Gesundheitsindustrie und der
Personalchefs bei Vorstellungsgesprächen. Ach, Sie zählen zu keiner
dieser Gruppen? Na, dafür können die Profiteure doch nichts …

Neue Gesundheitskarte: So
fürsorglich sind die kranken Kassen wirklich

Hurra, nun ist sie Pflicht seit
Jahresanfang – behaupten zumindest die Gesetzlichen Krankenkassen und
die Kassenärztliche Bundesvereinigung (und verschweigen uns nebenbei
die Rechtsgrundlage für diese Pflicht): die Elektronische
Gesundheitskarte, auch E-GK oder e-card genannt. Da scheint es an der
Zeit, sich über diesen Segen für die Menschheit ein paar Gedanken
zu machen:

Erzählte mir doch mein Freund Egon
Erwin (Name geändert – aber nicht von der Redaktion!), dass seine
Holde von ihrer Krankenkasse eine neue „Elektronische
Gesundheitskarte“ zugeschickt bekommen hat, und zwar gleich mit
Foto. Ein Wunder, Madame hat nämlich gar keines hingeschickt!
Irgendwie dränge sich der Verdacht auf, meint Egon Erwin, dass das
Amt, bei dem seine bessere Hälfte ruhe – äh: arbeite, seiner
Fürsorgepflicht als Arbeitgeber auf ganz ungewöhnliche Weise
nachgekommen sei und das Foto schwuppdiwupp der Kasse zugeschickt
habe. Toll! Da sage noch mal einer, deutsche Behörden seien nicht zu
besonderen Leistungen fähig!

Es geht auch Blanco

Erzählt mir außerdem meine Freundin
Katharina (Name geändert – wieder nicht von der Redaktion!), ihre
fast volljährige Tochter habe von ihrer Krankenkasse eine neue E-GK
erhalten. Hm, denke ich mir: Katharina ist so eine pingelige
Datenschutzskeptikerin, die hat gewiss kein Foto ihrer Tochter
geliefert. „Na dann halt ohne“, schienen Verantwortliche bei
Kasse gedacht zu haben und lieferten eine Art Blanco-Card.

Nur zwei Beispiele für die tollen
Anwendungsmöglichkeiten der E-GK:

1. Oma Meier hat Rheuma. Ja wie, zum
Kuckuck, soll man Großmütterchen zum Beispiel mit Werbung für
Rheumadecken zumüllen können, wenn der Handel vom lukrativen
Gebrechen nichts ahnt? Dank E-GK kommen ab sofort alle brisanten
„Gesundheitsdaten“, wie Oma Meier immer sagt, auf einen
Zentralrechner und von dort werden sie dann „meistbietend“ an
Interessenten verkauft.

Die Daten sind sicher???

„Nee, nee, die Daten sind sicher“ –
besänftigen die Kassen die ewigen Meckerer. Klar, bestimmt so sicher
wie – sagen wir mal – die Daten von Schweizer Bankkonten. Können Sie
sich noch erinnern? Vor zwei, drei Jahren hat der deutsche Fiskus von
Hackern CD-Roms mit empfindlichen Daten bundesrepublikanischer
Steuerhinterzieher gekauft. Ja, zugegeben, ausgerechnet so etwas
bekannt Unsicheres wie Schweizer Banken als Vergleich herzunehmen,
ist natürlich unfair! Denn ansonsten sind Daten und deren
Übermittlungen ja top-secret – wie Scotland Yard und das FBI
bestätigten, nachdem deren Telefonschalte miteinander von Hackern
angezapft wurde.

Und da gibt’s noch Edward Snowden. Der
nette junge Mann, der so interessante Geschichten erzählt hat, bei
denen unter anderem herauskam, dass der große Barack das Handy von
der kleinen Angie abgehört hat. Doch was soll das? Nichts ist
sicherer als Daten in der Verwahrung deutscher gesetzlicher
Krankenkassen?! Kein Vergleich zu dilettantischen Methoden bei
Sicherheits-Ignoranten wie Schweizer Banken, Scotland Yard, dem FBI
oder gar der Frau Bundeskanzlerin höchstpersönlich!

2. Noch eine sinnvolle
Anwendungsmöglichkeit der E-GK: Stellen Sie sich vor, ein großer
Konzern, z.B. der Versicherungskonzern Latro AG, hat eine Stelle zu
besetzen und gleich mehrere qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber.
Na, da ist es doch für den Personalchef sinnvoll, mit einem
Lesegerät (das sich die Latro AG wahrscheinlich gerade noch leisten
kann) einen Blick auf die E-GK der Job-Aspiranten zu werfen, um sich
über eventuelle Krankheiten der Bewerber zu informieren. Was heißt
hier verboten? Schon klar, Versicherungen sind von je her stets der
Hort des Anstands schlechthin. Die respektieren gewiss, dass es
zaudernde Menschen gibt, die einen rein informellen Blick auf das
Kärtchen verweigern. Bestimmt sind es schlussendlich gerade diese
Verweigerer, die sich die Jobs sichern, oder?

Schlappe 14 Milliarden Euro!

Da kommt mir gerade ein Gedanke: Laut
den kranken Kassen kann man als Patient die Speicherung von Daten auf
der E-GK untersagen. Allerdings: wozu ist der Plastik-Chip dann gut?
Wo liegt der Vorteil im Gegensatz zu bisherigen Versichertenkarten?

Mensch, mir fällt soeben die Antwort
wie Schuppen aus den Haaren! Natürlich sind diese neuen Karten
prima, und zwar für die IT-Industrie, die jene Datenträger nebst
passenden Lesegeräten herstellt. Immerhin finanzieren die
Versicherten via gesetzlicher Krankenkasse das E-GK-Projekt
hartnäckigen Gerüchten zufolge mit schlappen 14 Milliarden Euronen
aus Beitragsgeldern. Und die IT-Industrie ist wichtig – vor allem für
unsere Volksvertreter. Die brauchen schließlich irgendwann einmal
irgendwo ein warmes Plätzchen, wenn ihr Bundestagsmandat der
Ignoranz des unzufriedenen Wähler-Mobs zum Opfer fallen sollte.
Dabei ist eins so sicher wie Blüms Rente: ohne gesetzgeberische
Vorleistung im Hier und Jetzt für die Industrie kein wohldotiertes
Managerpöstchen später in einem Konzern. Sie wissen ja: ein Wulff
kommt selten allein – und überhaupt können wir nicht jeden
abgehalfterten Politiker zum Ehrensöldner befördern. Erinnern Sie
sich an die Herren v. Klaeden, Pofalla und Bahr aus dem engsten
Umfeld von Änschie M? Glauben Sie im Ernst, die würden nun
Managerposten bekleiden, wenn sie nicht zu rechter Zeit im Kanzleramt
oder in der Regierung Politik im Sinne ihrer jetzigen Arbeitgeber
betrieben hätten?

Falls Sie also noch keine neue E-GK
besitzen: schnellstens melden! Viele Kassen haben inzwischen sogar
Fotokabäuschen in ihre Filialen montiert, damit Sie sich den Weg zum
Lichtbildner sparen können. Denken Sie einfach an flauschige
Rheumadecken und an sämtliche Super-Jobs, die Ihnen durch die Lappen
gehen.

Hm, also warum eigentlich ist den
Kassen so sehr an der Einführung des Plastikspions gelegen? Und
wieso preist die Bundesärztekammer das E-GK-Projekt wie einen
Lottogewinn (sh. //blog.krankes-gesundheitssystem.com/#post13)? An
und für sich wäre es Angelegenheit dieses Gremiums gewesen, die
Beschlüsse der Vollversammlung des Deutschen Ärztetages umzusetzen!
Bei Deutschen Ärztetagen hatte die Vollversammlung der Mediziner
wiederholt gegen die Einführung der E-GK gestimmt.

Eine Hand wäscht die andere

Was um alles in der Welt nötigt die
Kassenärztliche Bundesvereinigung trotz der Negativ-Voten der
Vollversammlungen auf den Ärztetagen, die Hersteller von
Praxisverwaltungssoftware zu zwingen, die Praxis-EDV so umzustellen,
dass seit 1. Januar nur noch die E-GK eingelesen werden kann? Warum
geben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Beitragsgelder ihrer
Mitglieder (also der niedergelassenen Ärzte) dafür aus, dass
großflächige Werbung in den Praxen platziert wird mit der
Information für die Patienten, dass sie ab 01. Januar über die neue
E-GK verfügen müssen?

Des Rätsels Lösung liegt in der
Gesellschafterstruktur der Gematik (Gesellschaft für
Telematikanwendungen der Gesundheitskarte m.b.H.“), also jener
Firma, die die Technik für die E-GK herstellt und am E-GK-Projekt
milliardenschwer verdient, sh.
https://www.gematik.de/cms/de/gematik/unternehmensorganisation/gesellschafter_2/gesellschafter_3.jsp

Tja, und wen finden wir denn da? Als
Vorsitzende der Gematik fungiert Frau Dr. Doris Pfeiffer, Chefin des
Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen. Ihr Stellvertreter
ist ein Herr Dr. Kriedel als Bevollmächtigter der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung, mit von der Partie ist neben einigen anderen
Systemprofiteuren selbstverständlich auch die Bundesärztekammer.
Kein Wunder, dass die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche
Bundesvereinigung Ablehnungsbeschlüsse der Ärztevollversammlung
ignorieren, wenn sie dem kommerziellen Reibach ihrer eigenen
Funktionäre schaden. Oder meinen Sie vielleicht, Frau Dr. Pfeiffer,
Herr Dr. Kriedel & Co. üben ihre Funktionen ehrenamtlich aus?